Weltwasserwoche in Stockholm "Es fehlt nicht an Wasser, es fehlt an Geld"
Weltweit wird das Trinkwasser knapp. Deshalb geht es auf der diesjährigen Weltwasserwoche auch ums Wassersparen. Trinkwasserexperte Jürgen Leist erklärt im Gespräch mit tagesschau.de, warum das in Deutschland keine gute Idee ist.
tagesschau.de: Laut der UNESCO sind 40 Prozent der Weltbevölkerung von Wasserknappheit betroffen. Durch die steigende Bevölkerungszahl soll sich das noch verschlimmern. Steigt der Trinkwasserbedarf auch in Deutschlands wachsenden Metropolen?
Jürgen Leist: Da muss ich erst mal korrigieren. Wasser wird immer knapper, das höre ich immerzu. Die Erde hat seit Jahrmillionen die gleiche Wassermenge. Natürlich ist das zu 97 Prozent Salzwasser, aber die Grenzen sind fließend: Das, was heute bei uns an Regen herunterkommt, war drei Tage vorher noch im Atlantik. Es findet ein beständiger Kreislauf statt. Wenn sich, was sich ja abzeichnet, die Welt erwärmt, dann wird sich das sogar noch beschleunigen. In die Atmosphäre kommt noch mehr Wasser. Es kann natürlich dazu führen, dass in einigen Regionen verfügbares Wasser in der Nähe von großen Metropolen knapper wird. Aber bei uns ist das nicht zu befürchten.
Dr. Jürgen Leist ist Diplomingenieur und Sozialwissenschaftler. Als Mitarbeiter der Forschungsstelle für für Recht, Ökonomie und Umwelt an der Leibniz Universität Hannover und in verschiedenen Umweltinstituten beschäftigt Leist sich mit disziplinübergreifenden Umweltproblemen und dem Umgang mit der Ressource Wasser. Er promovierte über die Trinkwassersituation in Deutschland.
tagesschau.de: Wenn das alles hier nicht zu befürchten ist, warum haben die Deutschen dann diesen Wasserspar-Tick?
Leist: In den 1980er-Jahren dachten Experten, der Verbrauch würde bis zum Jahr 2000 von 150 auf 200 Liter pro Kopf am Tag steigen. Dazu meinten die Wasserwerke, es wäre doch Blödsinn, wenn man alle Netze ausbauen müsste. Diese Menge, 150 Liter pro Kopf, müsste reichen und das Günstigste bei der Wasserversorgung ist ein möglichst gleich bleibender Verbrauch. Die Wasserwerke selbst haben dann das Wassersparen beworben, um dieser Entwicklung vorzubeugen. Das war der rationale Grund. Daraus ist dann auch ein emotionaler Grund entstanden, denn in den Medien und in der Öffentlichkeit war immer vom kostbaren Wasser die Rede.
tagesschau.de: Der Wasserverbrauch ist aber nicht gestiegen.
Leist: Der Verbrauch ist von 150 Litern pro Kopf und Tag auf aktuell 120 Liter gesunken, also um ein Fünftel. Und das ist ein Problem: Hygieniker sagen, Wasser muss fließen, Wasser ist ein Lebensmittel, und wenn das gefördert wird, dann soll das möglichst schnell zum Verbraucher. Nach der Förderung, nach ein, zwei Tagen, ist es auch noch kühl und arm an Keimen.
Aber es ist eben nicht gut, wenn es lange in der Leitung steht, sich erwärmt. Außerdem wohnen immer weniger Menschen zusammen in einer Wohnung, die Städte dehnen sich bei gleicher Bevölkerungszahl immer weiter aus. Das Rohrnetz wird pro Kopf immer länger. Da können sich auch Verfärbungen und andere Dinge bilden, die keiner haben will. Dann müssten die Trinkwasserversorger die Leitungen extra durchspülen.
tagesschau.de: Das Trinkwasser ist in Deutschland im Vergleich mit anderen europäischen Ländern sehr teuer. Woran liegt das?
Leist: Das liegt daran, dass die meisten Leute denken, wenn sie Wasser sparen, sparen sie auch Geld. Und das ist ein Trugschluss: Das Wasser, das man fördert, das Grundwasser, das kostet nichts. Das ist wie Regenwasser. Wenn man das Grundwasser für die öffentliche Wasserversorgung nutzen will, muss man ein Leitungsnetz legen, Rohre verlegen und das Ganze unterhalten. Das ist eben das Teure.
Viele Anlagen kosten gleich viel, egal ob sie jetzt stark oder weniger stark genutzt werden. Das ergibt um die 90 Prozent fixe Kosten, die anfallen, egal ob ich wenig oder viel Wasser verbrauche. Das Problem ist, dass in Deutschland, gerade weil die Leute so viel Wasser sparen, dann der Kubikmeter immer teurer werden muss, weil man die Unterhaltung des Rohrnetzes immer auf eine geringere Menge umlegen muss.
tagesschau.de: Ein weiterer Grund, warum Wasser nicht mehr als Trinkwasser genutzt werden kann, ist Überdüngung. Ist das in Deutschland auch ein Problem?
Leist: Überdüngung ist schon eine Gefahr für die Wasserressourcen in Deutschland. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Landwirtschaft viel unternommen, um diese Nitrat-Einträge zu reduzieren. In manchen Gebieten, wie zum Beispiel in Niedersachsen, steigen sie wieder an, weil dort zunehmend Mais für Bioenergie angebaut wird. Zum einen werden Grünflächen in Ackerflächen umgepflügt, der Mais selbst wird gedüngt und das Nitrat gelangt in den Boden. Zum anderen wird nicht der gesamte Mais in Biogas umgewandelt. Es bleibt ein nährstoffhaltiger Gär-Rest, das ist wie Gülle. Der Gär-Rest wird wieder auf die Felder ausgebracht und bringt Nitrat in den Boden ein.
In Niedersachsen wird vermehrt Mais angebaut, um damit Biogasanlagen zu betreiben.
tagesschau.de: Beim CO2-Ausstoß hat jedes Land Einfluss auf die gesamte Situation in der Welt. Jedes Land kann durch Energiesparen dazu beitragen, dass weniger CO2 in die Atmosphäre gelangt. Können wir durch unseren Umgang mit Wasser in Deutschland Einfluss auf die weltweite Wassersituation nehmen?
Leist: Nein, absolut nicht. Global betrachtet sind wir bei den Ländern mit dem niedrigsten Wasserverbrauch. Aber das bringt der Welt nichts, dafür haben wir einen dreimal so hohen Energie- oder Erdölverbrauch wie der weltweite Durchschnitt. Und das ist eben das Problem: Wenn wir Wasser sparen, tun wir der Welt keinen Gefallen. Außer wir sparen warmes Wasser, denn dafür braucht es Energie. Die Probleme mit Wasser könnten sich lösen lassen. Der Welt wird das Wasser nicht ausgehen.
tagesschau.de: Aber es gibt die großen Probleme mit dem Trinkwassermangel in bestimmten Regionen der Welt.
Leist: Das ist aber meistens kein Mangel an der Ressource Wasser, das ist ein Mangel an finanziellen Möglichkeiten, eine Wasserversorgung aufzubauen und zu unterhalten. Es fehlt nicht an Wasser, sondern an Geld. Etwa 140 der 200 Länder auf der Welt haben größere Wasservorkommen und damit theoretisch mehr Wasser pro Kopf zur Verfügung als Deutschland. Wenig Ressourcen haben Wüstenstaaten im arabischen Raum, weil es da wenig Grundwasser gibt und weil es auch wenig regnet. In Afrika haben Länder teilweise enorme Regenmengen, aber es gibt natürlich auch Trockengebiete. Aber das Grundproblem ist meistens, dass das Geld für die Infrastruktur fehlt oder die Leitungen so marode sind, dass sehr viel Wasser verloren geht.
Das Interview führte Julia Schumacher, tagesschau.de