CDU-Vorschlag "Dienstpflicht" stößt auf Skepsis
Die CDU schlägt ein verpflichtendes "Gesellschaftsjahr" für junge Menschen vor. Doch selbst in den eigenen Reihen sind viele skeptisch: Sie warnen vor hohen Kosten - oder davor, die Dienstpflicht zum "Selbstzweck" zu machen.
Auf einen Vorschlag der CDU zur Einführung eines verpflichtenden "Gesellschaftsjahrs" haben Politiker vieler Parteien mit Skepsis reagiert.
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer wolle eine allgemeine Dienstpflicht für junge Leute in die Debatte um ein neues Grundsatzprogramm der Partei einbringen, hatte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet. Gemeint ist damit demnach nicht eine Rückkehr der seit 2011 ausgesetzten Wehrpflicht, sondern eine verpflichtende Zeit in der Bundeswehr oder einer zivilen Einrichtung.
Der Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter gab zu bedenken, ein solcher Dienst dürfe "weder Arbeitsplätze ersetzen noch stumpfer Selbstzweck sein".
Fritz Felgentreu, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, äußerte rechtliche Bedenken. "Zwangsdienste sind nach europäischem Recht menschenrechtswidrig", sagte er der Zeitung "Welt". Er beobachte Sympathien für den Vorschlag "in fast allen politischen Lagern" - dabei gehe es jedoch "weniger um das Stopfen von Personallücken als um Fragen des staatsbürgerlichen Bewusstseins und des gesellschaftlichen Zusammenhalts".
Der Grünen-Sicherheitsexperte Tobias Lindner sagte, man könne gesellschaftliches Engagement nicht per Pflicht verordnen. "Wenn sich die Union jetzt hinstellt und sagt, es gibt Personalprobleme in der Pflege, in sozialen Berufen, im Zusammenhalt in diesem Land und auch bei der Bundeswehr, dann ist zwar die Problembeschreibung richtig. Aber das kann nicht über einen Zwangsdienst geregelt werden", sagte er auf NDR Info. Die Bundesregierung solle vielmehr den Umbau zur Berufsarmee ernsthaft angehen und etwa Zeitsoldaten eine bessere Perspektive nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr bieten.
Guttenberg warnt vor hohen Kosten
Ex-Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) warnte neben den verfassungsrechtlichen Implikationen auch vor "exorbitanten Kosten": Die nötigen Finanzmittel für bis zu 700.000 junge Menschen pro Jahr zögen "erhebliche Einschnitte in anderen Bereichen" nach sich, auch bei der Ausrüstung der Bundeswehr.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg widersprach zu Guttenberg. Eine Berufsarmee sei teurer als eine Wehrpflichtarmee, sagte er auf NDR Info. Sensburg sprach sich für eine Einführung der "Dienstpflicht" aus, betonte aber, dass eine schlichte Wiederaufnahme der Wehrpflicht keine Lösung sei: "Die verteidigungs- und sicherheitspolitische Lage erfordert, dass wir eine Armee aus freiwilligen Wehrpflichtigen haben."
Auch bei anderen stieß der Vorschlag eines "Gesellschaftsjahres" auf Zustimmung. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte der "Bild", eine Dienstpflicht könne helfen, die Herausforderungen im Sozialwesen und bei der Landesverteidigung besser zu bewältigen.
Die Bremer FDP-Politikerin Lencke Steiner befürwortete ein solches Jahr: "Es ist wichtig, früh Verantwortung zu übernehmen und zu lernen, für andere einzustehen", begründete sie ihre Meinung, mit der sie sich von Parteichef Christian Lindner abhebt.
Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, sagte im Interview mit Radio Bayern 2: "Ich finde die Grundidee sympathisch, dass man sagt, es sollte einen Dienst geben für die Allgemeinheit, der im sozialen oder militärischen Bereich abgeleistet wird. Aber ich glaube nicht, dass es ein Pflichtdienst sein kann." Eine tatsächliche Rückkehr zur Wehrpflicht halte er für nicht realistisch - wenngleich er ihre Aussetzung als "Hals-über-Kopf und ohne Konzept" bewertete. Ein Pflichtdienst sei "schon ein ziemlicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von jungen Menschen", sagte der SPD-Politiker.
39.000 im Bundesfreiwilligendienst
Junge Leute, die zur Bundeswehr wollen, können sich seit der Aussetzung der Wehrpflicht für bis zu 23 Monate zum Dienst verpflichten. Der Bundesfreiwilligendienst ermöglicht als Alternative zum ebenfalls ausgesetzten Zivildienst Mitarbeit in sozialen, ökologischen und sonstigen Gesellschaftsbereichen.
Nach Angaben des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, sind derzeit 39.000 Freiwillige im Einsatz. Auch Schneider sieht eine allgemeine "Dienstpflicht" kritisch: Stattdessen müsse durch Entlastungen und bessere Vergütung der Freiwilligendienst attraktiver gemacht werden, sagte er der "Rheinischen Post".