Streit um Vorratsdatenspeicherung Ein Brief aus Brüssel macht Union und FDP Beine
Er war bereits erwartet worden, nun ist der Brief aus Brüssel angekommen: In diesem fordert die EU-Kommission Deutschland auf, binnen vier Wochen eine Richtlinie über die Speicherung von Telefon- und Internetverbindungen umzusetzen. Die Union schiebt der FDP den schwarzen Peter zu und macht Tempo.
Von Achim Wendler, BR, ARD-Hauptstadtstudio Berlin
Die Geduld der Union mit dem kleinen Koalitionspartner geht zur Neige. Der "Blaue Brief" aus Brüssel - er bringt nicht nur den CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach in Rage. Die Vorratsdatenspeicherung müsse endlich geregelt werden, sagt Bosbach - spätestens wenn nun die Mahnung aus Brüssel kommt: "Wir stehen schon seit geraumer Zeit unter einem massiven Druck der europäischen Kommission, denn wir sind europarechtlich verpflichtet, die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung in nationales Recht umzusetzen", drängt Bosbach. Der FDP und dem Justizministerium wirft der CDU-Innenexperte Verweigerungshaltung vor.
Wolfgang Bosbach ist sauer auf die FDP.
Der "Blaue Brief"
"Seit geraumer Zeit" - diese Formulierung ist eine nette Untertreibung. Die Richtlinie der Europäischen Union stammt aus dem Jahr 2006. Zwar hat Deutschland die Vorratsdatenspeicherung dann auch geregelt - aber dieses erste Gesetz wurde 2010 vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Seitdem streiten sich nun Union und FDP. Die Union will lieber mehr als weniger Kommunikationsdaten speichern, die FDP am liebsten gar keine. Ganz klar, welche Seite der "Blaue Brief" aus Brüssel stärken würde: die Union.
Deshalb hat man in der FDP nun einen bösen Verdacht: Die Union habe den Brief in Brüssel gewissermaßen bestellt - um damit Druck zu machen. Ein Verdacht, der Wolfgang Bosbach richtig sauer macht: "Die Argumentation ist wirklich im wahrsten Sinne des Wortes Unsinn, wirklich ohne Sinn."
Die Liberalen drücken auf die Bremse
Die gescholtene FDP indes sieht die neue Wendung gelassen. Erst der Brief aus Brüssel, dann ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Deutschland - das alles dauere noch Monate, sagt der liberale Innenpolitiker Jimmy Schulz. "Deswegen würde ich da mal jetzt auch nicht so eine große Hektik machen", erklärt Schulz.
Genau so sieht das auch die zuständige Ministerin. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger verweist auf ihren schon länger bekannten Vorschlag zur Vorratsdatenspeicherung: das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren. Demnach sollen Handy- und Internetdaten nicht pauschal gespeichert werden, sondern erst dann, wenn Ermittler einen konkreten Verdacht haben. Diesen Entwurf will Leutheusser-Schnarrenberger nun ins Kabinett einbringen. Die Ministerin hofft sehr, dass es da "keine Blockade gebe". So könne man der EU-Kommission deutlich machen, dass man in Deutschland mit einer "stärkeren Grundgesetzorientierung" handele und nicht "weitflächig alle Daten erfasse".
Könnte klappen - aber dann müsste sich die Union noch ordentlich bewegen. Gegen Leutheusser-Schnarrenbergers Minimal-Version der Vorratsdatenspeicherung stemmt sich vor allem CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich.
SPD: Koalition muss handeln
Die Opposition findet das Ganze inzwischen peinlich. Gabriele Fograscher, SPD-Abgeordnete aus Bayern und Mitglied im Innenausschuss, hat für den innerkoalitionären Dauer-Streit nur noch Spott übrig. "Wir haben jetzt gerade die Bundesregierung gefragt, wie sie umzugehen gedenkt mit diesem Brief, der da kommt. Wir haben leider noch keine Antwort erhalten", bemängelt die SPD-Abgeordnete. Fograscher bezweifelt, dass die Ankündigung aus dem Kanzleramt zum Erfolg führt. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, über die Vorratsdatenspeicherung solle nun mit neuem Schwung gesprochen werden.