EuGH-Urteil erwartet Deutsches Asyl für einen US-Deserteur?
Auf Umwegen ist André Shepherd zu einem Präzedenzfall geworden. Er beantragte in Deutschland Asyl, nachdem er aus der US-Armee desertiert war. Der Antrag wurde abgelehnt, aber inzwischen befasst sich der EuGH damit. Heute fällt das Urteil.
Als sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg im Juni vergangenen Jahres seiner Sache annahm, war André Shepherd nicht am Ziel, aber doch weit gekommen. Im feinen schwarzen Anzug trat der ehemalige Hubschrauber-Mechaniker vor das höchste europäische Gericht, um als Deserteur für sein Recht auf Asyl zu kämpfen. "Es ist ein Meilenstein und zeigt, wie wichtig die Sache ist", sagte er erleichtert.
Der US-Amerikaner aus Cleveland, Ohio, hätte nie gedacht, dass er einmal zum europäischen Präzedenzfall würde. Die Armee warb ihn 2004 an, als er sein Informatikstudium nicht mehr finanzieren konnte und im Auto leben musste. Dass er als Soldat in Afghanistan oder im Irak eingesetzt werden würde, war ihm damals klar. Er erzählt: "Wir waren alle darauf gepolt, wir müssen nur die Terroristen stoppen, um die Welt wieder normal und sicherer zu machen." Sie hätten nicht realisiert, wie kompliziert die Welt geworden war und warum das so war. "Zu der Zeit war das einfach kein Thema."
Zweifel nach Schlacht um Falludscha
Shepherd wurde 2004 in den Irak-Krieg geschickt. Er war mit seiner Einheit für die Wartung von "Apache"-Kampfhubschraubern zuständig. Er bekam erste Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einsatzes. Seine dunkelste Stunde, sagt er heute, sei die Schlacht um Falludscha gewesen, bei der viele Zivilisten ums Leben kamen.
"Sie sagten uns damals, sie wollten die Stadt von versteckten Terroristen säubern und befreien. Die Iraker dagegen schilderten eine ganz andere Geschichte, dass die Amerikaner die Stadt komplett in Schutt und Asche legten und sie unter ihre Kontrolle brachten," so Shepherd.
Vor dem zweiten Irak-Einsatz desertiert
Nach seinem ersten Irak-Einsatz wurde der US-Soldat im fränkischen Kattelbach stationiert. Als er 2007 erneut in den Irak sollte, tauchte er bei Freunden in Oberbayern unter. 2008 stellte er einen Antrag auf Asyl, unterstützt von Menschenrechtsorganisationen und seinem Rechtsanwalt Reinhard Marx.
Shepherd beruft sich auf eine Richtlinie der Europäischen Union. Sie garantiert Deserteuren Schutz, wenn sie bei einem Militäreinsatz an Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit teilnehmen müssen. Die Richtlinie schützt vor allem Flüchtlinge aus Unrechtsstaaten wie zum Beispiel Eritrea oder Somalia.
"Er ist ein Ausgegrenzter"
Doch auch in den USA sind Deserteure nicht vor Verfolgung geschützt, argumentiert sein Rechtsanwalt Marx: "Wenn man den Kriegsdienst verweigert, wird man nicht nur mit bis zu 18 Monaten bestraft, sondern auch unehrenhaft aus der Armee entlassen. Man bekommt keine Sozialleistungen mehr, die bürgerlichen Rechte sind aberkannt." Mein sei gesetzlos. Da man überall nachweisen müsse, dass man Militärdienst geleistet habe, und man das nicht kann, bekomme man den Job nicht. "Er ist ein Ausgegrenzter in der US-Gesellschaft," sagt Marx über seinen Mandaten.
Die Frage, ob und wie sehr Deserteure in den USA ausgegrenzt werden, ist für das Verfahren von zentraler Bedeutung. Die Generalanwältin des EuGH, Eleanor Sharpston, gab Shepherd im November in vielen Punkten Anlass zur Hoffnung, dass sein Asylantrag doch noch positiv entschieden werden kann. Das Gutachten der Generalanwältin ist nicht bindend. Doch in vielen Fällen folgen die Richter des obersten europäischen Gerichts den Empfehlungen.