Jury der "Sprachkritischen Aktion" "Klimaterroristen" ist Unwort des Jahres 2022
Im Zuge der Protestaktionen von Klimaaktivisten ist unter anderem der Begriff "Klimaterroristen" gefallen. Der Begriff wurde nun zum Unwort des Jahres 2022 gekürt. Die Aktivisten würden damit "kriminalisiert und diffamiert", hieß es zur Begründung.
Der Begriff "Klimaterroristen" wurde zum Unwort des Jahres 2022 gekürt. Das gab die sprachkritische "Unwort"-Aktion in Marburg bekannt. Der Ausdruck sei im öffentlichen Diskurs benutzt worden, um Aktivisten und deren Proteste für mehr Klimaschutz zu diskreditieren, begründete die Jury ihre Wahl.
Sie kritisierte die Verwendung des Begriffs, weil Aktivistinnen und Aktivisten mit Terroristen "gleichgesetzt und dadurch kriminalisiert und diffamiert werden". Gewaltlose Protestformen zivilen Ungehorsams und demokratischen Widerstands würden so in den Kontext von Gewalt und Staatsfeindlichkeit gestellt, rügte die Jury. Zudem verschiebe der Begriff "den Fokus der Debatte von den berechtigten inhaltlichen Forderungen der Gruppe hin zum Umgang mit Protestierenden". Der Ausdrucke zähle zu einer Reihe von weiteren Begriffen aus der öffentlichen Debatte, die Aktivistinnen und Aktivisten sowie deren Ziele diffamierten - unter anderem "Ökoterrorismus" oder "Klima-RAF".
Klimaaktivisten nennen Wahl "ermutigend"
Die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" reagierten positiv auf die Wahl des Unwortes. Es sei "ermutigend", dass der Begriff gewählt wurde, sagte eine Sprecherin. Denn durch die Gleichsetzung des Protests mit Terrorismus werde "demokratisch legitimierter Widerstand in den Kontext von Gewalt und Staatsfeindlichkeit gestellt".
Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth begrüßte die Entscheidung. Ein Begriff wie "Klimaterroristen" sollte in "einer zivilisierten, demokratischen Debatte nichts zu suchen haben", erklärte sie. Damit werde Terror verharmlost. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sieht das ähnlich: "Ich finde den Ausdruck völlig unangemessen und rate, solche Ausdrücke nicht zu verwenden", sagte er.
"Sozialtourismus" und "defensive Architektur"
Hinter "Klimaterroristen" setzte die Jury den Ausdruck "Sozialtourismus", der bereits 2013 zum Unwort gewählt worden war, auf Platz zwei der Liste. CDU-Chef Friedrich Merz hatte das Wort im vergangenen September im Zusammenhang mit Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine verwendet und sich später dafür entschuldigt. Der Begriff diskriminiere die Geflüchteten, die in Deutschland Schutz suchten, so die Jury. Zudem verschleiere es ihr prinzipielles Recht darauf.
Die Formulierung "defensive Architektur" landete auf dem dritten Platz. Damit werde eine Bauweise bezeichnet, die vorrangig verhindert, dass Wohnungslose länger an öffentlichen Orten verweilen können - zum Beispiel auf Parkbänken. Die Jury sieht darin eine "menschenverachtende Bauweise", der Begriff "defensive Architektur" sei hingegen beschönigend und irreführend.
Die Jury der "Sprachkritischen Aktion" erhielt diesmal mehr als 1400 Vorschläge, die Interessierte bis Ende Dezember vergangenen Jahres einreichen konnten. Unter anderem waren einer Jury-Sprecherin zufolge ebenfalls Begriffe wie "Spezialoperation", "Sondervermögen" oder "(Doppel-)Wumms" eingegangen.
Unwort 2021 war "Pushback"
Bei der Aktion werden seit 1991 nach Auffassung der Jury - bestehend aus vier Sprachwissenschaftlern, einer Journalistin und einem jährlich wechselnden Mitglied - unmenschliche oder unangemessene Begriffe ausgewählt, die gegen das Prinzip der Menschenwürde verstoßen, in irreführender Weise etwas Negatives beschönigen oder diskriminieren.
Im vergangenen Jahr wurde der Begriff "Pushback" zum Unwort des Jahres gekürt. Damit werde ein menschenfeindlicher Prozess des Zurückdrängens von Flüchtenden an den Grenzen beschönigt, erklärte das sprachwissenschaftliche Gremium zur Begründung. 2020 waren erstmals zwei Begriffe zu Unwörtern des Jahres gewählt worden: "Corona-Diktatur" und "Rückführungspatenschaften".