Streit um Asylstatus syrischer Flüchtlinge Merkel spricht de Maizière das Vertrauen aus
Wer das "vollste Vertrauen" der Kanzlerin genießt, muss erfahrungsgemäß um seinen Job bangen. Doch gilt das jetzt auch für den Innenminister nach seinem Vorstoß zum Schutzstatus syrischer Flüchtlinge? Wohl kaum. De Maizière hat prominente Unterstützer.
Die Debatte um den Schutzstatus syrischer Flüchtlinge gewinnt an Fahrt. Ein Ende ist nicht in Sicht, auch wenn Kanzleramtsminister Peter Altmaier die Diskussion eigentlich schon am Wochenende für beendet erklärt hatte. Angestoßen hatte sie Innenminister de Maizière am Freitag mit offenbar nicht abgesprochenen Äußerungen. Das Echo war gewaltig, der Koalitionspartner empört, das Kanzleramt überrascht - der Ärger war da.
Sorgen um seinen Job muss sich de Maizière aber nicht machen - oder gerade doch, je nachdem, wie man die Aussagen des Regierungssprechers bewerten will. Franz-Josef Jung, Karl-Theodor zu Guttenberg, Christian Wulff oder Annette Schavan blieben nicht mehr lange im Amt, nachdem Merkel ihnen das Vertrauen ausgesprochen hatte.
Jetzt also de Maizière: Nach Angaben von Steffen Seibert genießt er weiterhin das uneingeschränkte Vertrauen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Selbstverständlich hat er das", sagte er auf die entsprechende Frage.
Inhaltlich sagte Seibert so viel: Die Behörden in Deutschland seien voll damit beschäftigt, die sehr hohe Zahl eintreffender Flüchtlinge zu registrieren und unterzubringen. "Wenn man diese Realität landauf, landab sieht, dann wird jedem klar: Einen Familiennachzug im bisherigen Verständnis kann es derzeit nicht geben." Dies sei aber keine Aussage über die Rechtssituation.
Offizielle Unions-Position?
Der Sprecher de Maizières sagte unterdessen, es gebe in der Frage des Umgangs mit syrischen Flüchtlingen noch "Gesprächsbedarf" - was wohl eher untertrieben ist. Der Großen Koalition dürfte der nächste handfeste Krach ins Haus stehen, wenn denn die Pläne des Innenministers zum begrenzten Asylstatus syrischer Flüchtlinge offizielle Unions-Position würden. Und dies zeichnet sich ab, denn die Liste der Unterstützer ist lang - und prominent.
Obwohl das Kanzleramt die Äußerungen de Maizières schnell wieder eingefangen hatte, stellte sich gestern CDU-Schwergewicht Wolfgang Schäuble im Bericht aus Berlin hinter de Maizière. Heute schlossen sich die Präsidiumsmitglieder Julia Klöckner, Armin Laschet und Jens Spahn an. Es habe "breite Übereinstimmung" gegeben, den Familiennachzug zu "diskutieren und auch einzuschränken", sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber nach der Präsidiumssitzung in Berlin. De Maizière werde jetzt mit den Innenministern der Länder "zügig zusammenkommen", um diese Fragen zu beraten.
Nur von Merkel selbst gibt es noch keine offizielle Äußerung dazu. Es wäre eine 180-Grad-Wende ihrer bisherigen Politik der offenen Grenzen.
Was ist da los in der Union? Von einer Demontage Merkels spricht der SPD-Innenexperte Christian Flisek im Bayerischen Rundfunk. "Wenn ich sehe, dass der Flüchtlingskoordinator im Bundeskanzleramt, Peter Altmaier, diesen Vorschlag sehr schnell wieder einsammelt, sich dann aber anschließend Herr Schäuble als Finanzminister ins Fernsehen stellt und Herrn de Maizière unterstützt, dann ist das Ganze ein ganz erheblicher Beitrag zur Demontage der Bundeskanzlerin."
Machtkampf in der Union?
Und SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel vermutet gar einen "offen ausgetragenen Machtkampf, der ja seit Wochen und Monaten schwelt". Die SPD könne nicht hinnehmen, dass permanent in der Koalition Entscheidungen getroffen würden, die kurz darauf wieder infrage gestellt würden. Im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF sprach Schäfer-Gümbel von "permanenten Chaostagen" in der Union, was auch die Koalition als Ganzes belaste.
Ähnlich hatte sich auch SPD-Chef Sigmar Gabriel im Bericht aus Berlin geäußert. Er plädierte dafür, zunächst die in der Koalition getroffenen Vereinbarungen umzusetzen. "Niemand kann von der SPD erwarten, dass wir so im 24-Stunden-Takt mal öffentlich zu irgendwelchen Vorschlägen Ja oder Nein sagen." Es entstünde der Eindruck, "dass wir, ein bisschen lax gesprochen, jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf treiben".
Merkel, SPD-Chef Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer hatten am Donnerstag eine zweijährige Aussetzung des Familiennachzugs für bestimmte Flüchtlingsgruppen beschlossen. Am Freitag hatte de Maizière überraschend in einem Interview mitgeteilt, dass auch syrische Flüchtlinge künftig unter den Status dieser Gruppe fallen sollten. Angesichts von Protesten der SPD war dieser öffentliche Vorstoß des Ministers vom Kanzleramt gestoppt worden. Die Debatte jedoch ließ sich jedoch nicht mehr einfangen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erhielt nach Angaben seines Präsidenten Frank-Jürgen Weise keine Aufforderung des Bundesinnenministeriums, den Schutzstatus von Syrern wieder stärker zu prüfen. "Wir selber haben weder eine Weisung bekommen noch haben wir ein Verfahren geändert", sagte Weise. Seine Behörde habe aber "mitbekommen, dass man darüber spricht". Ein Sprecher des Innenministeriums hatte am vergangenen Freitag mitgeteilt, die Behörde sei gebeten worden, syrische Asylbewerber wieder intensiver zu ihren Asylgründen zu befragen. Sie hätten somit nicht automatisch als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention behandelt werden sollen, sondern sogenannten subsidiären Schutz bekommen, wenn sie nicht individuell verfolgt wurden.
Wer in Deutschland einen Asylantrag stellt, erhält unter Umständen Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlingsschutz ist dies der Fall, "wenn sein Leben oder seine Freiheit in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist."
Einen eingeschränkten Status - "subsidiären Schutz" - erhalten dagegen Menschen, die nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention oder das deutsche Grundrecht auf Asyl fallen. Sie müssen zwar nicht in die Heimat zurück, etwa weil ihnen dort Todesstrafe oder Folter drohen oder Bürgerkrieg herrscht. Anders als Menschen mit Asyl- oder Flüchtlingsstatus bekommen sie aber zunächst nur eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, die verlängert werden kann.