Verhandlungen stocken seit Jahren Westerwelle will EU-Beitritt der Türkei vorantreiben
Nach Meinung von Außenminister Westerwelle sollte die EU das erste Halbjahr 2013 nutzen, um die Verhandlungen über einen Beitritt der Türkei voranzutreiben. Sonst könne es passieren, dass die EU bald mehr Interesse an der Türkei habe als umgekehrt. Kritik an dem Vorstoß kommt vom Koalitionspartner CSU.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle will den seit Jahren stockenden Verhandlungen mit der Türkei über einen Beitritt des Landes zur Europäischen Union neuen Schwung verleihen. "Wir Europäer sollten das erste Halbjahr 2013 nutzen und mit den Verhandlungen über weitere Kapitel beginnen", sagte er der "Saarbrücker Zeitung": "Sonst kann es uns leicht passieren, dass wir bald mehr Interesse an der Türkei haben als die Türkei an uns".
Der FDP-Politiker hob hervor, das Land am Bosporus habe im vergangenen Jahrzehnt eine "atemberaubende Erfolgsgeschichte" geschrieben. Auch in deutschen Diplomatenkreise wurde zuletzt des Öfteren auf die wachsende Bedeutung der Türkei als Drehkreuz internationaler Energierouten und als attraktiver Markt für europäische Unternehmen verwiesen.
Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters führte Westerwelle aus: "Zu lange treten die Beitrittgespräche nun schon auf der Stelle." Der Stillstand sei für beide Seiten unbefriedigend. Vor den Gesprächspartnern liege noch eine beträchtliche Wegstrecke. "Wohin uns das letztendlich führt, werden wir sehen, aber wir schulden der Türkei faire und respektvolle Verhandlungen", ergänzte er.
Kritik von der CSU
Westerwelles Vorstoß stieß auf Kritik beim Vorsitzenden der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber: "Bevor wir über die Eröffnung weiterer Kapitel nachdenken, müssen die anderen erst abgeschlossen sein", erklärte Ferber in Brüssel. Er hob hervor, ein Beitritt der Türkei wäre für die Europäische Union schwer zu verdauen. So sei der "großtürkische Kurs", den das Land mit strategischem Kalkül seit Jahren vorantreibe, ein Beispiel für "die Abwendung von Europa".
Die Beitrittsgespräche liegen bereits seit zweieinhalb Jahren weitgehend auf Eis. Die Verhandlungen mit der EU sind nach Kapiteln zu verschiedenen Politikbereichen gegliedert. Zum einen bremsen vor allem die EU-Mitglieder Zypern und Frankreich, zum anderen weigert sich die Türkei weiter, ihre See- und Flughäfen als Teil der Zollunion mit der EU für Waren aus Zypern zu öffnen.
Hintergrund ist der Streit um die Teilung der Mittelmeerinsel in einen türkischen und einen griechischen Bereich. Unter der derzeitigen zyprischen EU-Ratspräsidentschaft, die zum Jahreswechsel turnusgemäß endet, hat sich an diesem Stillstand nichts verändert. Im neuen Jahr übernimmt das in der Türkei-Frage eher neutrale Irland die Ratspräsidentschaft.