Kommissionsbericht Mehr als 500 Missbrauchsopfer im Bistum Trier
Mehr als 500 Betroffene von sexuellem Missbrauch konnte eine Kommission im Bistum Trier identifizieren. In seinem ersten Zwischenbericht erhebt das Gremium schwere Vorwürfe und fordert, dass der Umgang mit Betroffenen deutlich besser werden müsse.
Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier hat bislang 513 Betroffene und 195 überführte und beschuldigte Täter identifiziert. Das geht aus dem ersten Zwischenbericht vor, den die Kommission in Trier vorstellte. Die entdeckten Missbrauchsfälle stammen demnach aus den Jahren 1946 bis 2021. Einige Betroffene konnten nicht namentlich, sondern nur anonym identifiziert werden.
Die Kommission warf den Verantwortlichen des Bistums vor, über Jahrzehnte sexuellen Missbrauch durch Priester vertuscht zu haben. Wurden Fälle bekannt, seien Täter innerhalb und außerhalb des Bistums versetzt worden - auch, um sie vor Strafverfolgung zu schützen. "In einer großen Reihe von Fällen" seien außerdem keinerlei Maßnahmen getroffen worden, um potenzielle Opfer an den neuen Tätigkeitsorten zu schützen.
Täter geschützt, Opfer nicht
Aus den Akten berichtete die Kommission von zwei "gravierenden Fallbeispielen", die sich über die Jahre 1955 bis 1975 erstreckten. Ein Bistumspriester sei nach mehrfachem Missbrauch und einem Haftbefehl "auf spezielle Intervention der Diözese Trier" zum Einsatz nach Paraguay geschickt worden. Ein anderer Priester habe, obwohl er zuvor wegen Missbrauchs in Österreich verurteilt worden sei, eine Stelle im Bistum Trier bekommen - in der Eifel habe er dann erneut Kinder und Jugendliche missbraucht.
Das Gremium forderte vom Bistum, die Akteneinsicht für Betroffene deutlich zu vereinfachen. Außerdem solle regelmäßig und intensiver über die kircheninternen Untersuchungen in den jeweiligen Missbrauchsfällen informiert werden. "Klar erkennbar ist, dass die Situation der Betroffenen in der kircheninternen Bearbeitung der Fälle viel zu wenig beachtet wurde", heißt es in dem Bericht. Deshalb müsse eine Anlauf- und Beratungsstelle für Betroffene geschaffen werden: "Entweder in Form einer besonderen Seelsorge oder durch eine unabhängige Ombudsstelle."
Studie bis Oktober erwartet
Die siebenköpfige Kommission besteht aus Betroffenen und Fachleuten mit dem früheren Justizminister von Rheinland-Pfalz, Gerhard Robbers, an der Spitze. Sie ist seit gut einem Jahr im Amt und soll insgesamt sechs Jahre lang den Missbrauchsskandal im Bistum untersuchen. Parallel untersucht auch eine Studie der Universität Trier das Missbrauchsgeschehen. Die Kommission geht deshalb davon aus, dass noch weitere Betroffene gefunden werden.
Die Kommission will weitere Fälle untersuchen, um die "eindeutige Rolle und Verantwortlichkeit" der jeweiligen Leitungen und Bischöfe beurteilen zu können. Bis Mitte Oktober will sie eine erste Studie zum Missbrauchsgeschehen in der Amtszeit des früheren Trierer Bischofs Bernhard Stein (1904-1993) vorlegen. Ihm wird vorgeworfen, zwischen 1967 und 1980 davon gewusst zu haben, dass Kleriker Kinder missbrauchten und sie gedeckt zu haben.