Corona-Krise Ansturm auf die Tierheime
Katzen, Hunde, Kaninchen - in der Corona-Krise schaffen sich viele Menschen einen Begleiter an. In den Tierheimen ist so wenig los wie lange nicht. Experten befürchten, dass sich das schnell ändert.
Tierpflegerin Gesine Bergmann bürstet Dexter. Der braun getigerte Kater lebt seit Januar im Tierheim Berlin. Doch das könnte sich bald ändern. Er bekommt Besuch von einer Interessentin, die sich bereits am Telefon nach ihm erkundigt hat. "Die Dame kommt heute vorbei und da machen wir das erste Aufeinandertreffen von Mensch und Tier. Wir erzählen ein bisschen was von unserem Dexter und dann hoffen wir, dass er bald zu ihr ziehen darf", erklärt Bergmann.
Das Tierheim Berlin ist seit Mitte März für Besucher geschlossen - eine Schutzmaßnahme während der Corona-Pandemie. Termine gibt es nur nach vorheriger Absprache. Trotzdem läuft die Tiervermittlung erstaunlich gut. "Die Zahlen sind fast so gut wie im Vergleichszeitraum 2019", sagt die Sprecherin des Berliner Tierschutzvereins.
Tierheim Mainz: In der Corona-Krise berichten die Auffangstationen von einem regelrechten Run auf ihre tierischen Bewohner.
So wenig Tiere wie nie im Tierheim Leipzig
In anderen Tierheimen ist die Nachfrage nach Tieren sogar noch größer. "Wir haben kaum noch eine vermittelbare Katze", erklärt der Geschäftsführer des Tierschutzvereins Leipzig, Michael Sperlich.
Im Leipziger Tierheim gebe es so wenige Tiere wie nie - auch bei Hunden mache sich die gestiegene Nachfrage während der Corona-Pandemie bemerkbar. "Vor der Pandemie hatten wir einen durchschnittlichen Hunde-Tagesbestand von 70 bis 80 Tieren, heute sind es kaum noch die Hälfte", so Sperlich.
Begleiter in der Krise
Die Gründe für die vermehrten Anfragen seien vielfältig, sagt die Leiterin der Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Tierschutzbundes, Lea Schmitz. In Krisenzeiten würden Menschen sich auf das Wesentliche besinnen. "Unsere Tiere fühlen mit uns, leisten uns Gesellschaft, lenken uns ab und spenden Trost", so Schmitz. Gerade im corona-bedingten Homeoffice könne die Gassi-Runde oder das Spiel mit der Katze eine willkommene Abwechslung sein.
Wie hier in Straubing stehen in Bayerns Tierheimen zurzeit Zwinger und Käfige leer. Seit Beginn der Corona-Krise gibt es eine verstärkte Nachfrage nach Hunden, Katzen oder Kaninchen.
Gesucht: Haustier auf Zeit
Bei verschiedenen Tierheimen gehen seit Beginn der Corona-Pandemie auch Anfragen von Leuten ein, die Tiere auf Zeit bei sich aufnehmen wollen - etwa in Berlin. Dort bat ein ein Mann per Mail an, sich während seiner Zeit im Homeoffice "um ein bis zwei Tiere zu kümmern".
Auch der Düsseldorfer Tierheimleiter Timo Franzen kennt solche Mails. "Es gab viele entsprechende Anfragen. Die meisten Interessenten haben mit Verständnis reagiert, dass wir diese Angebote ablehnen", so Franzen. Die Anfragen seien zwar nett gemeint, aber für Tiere sei es katastrophal, wieder ins Tierheim zurückzukehren, nachdem sie sich gerade erst in einem neuen Zuhause eingelebt haben.
Im Berliner Tierheim freuen sich die Mitarbeiter grundsätzlich über solche Anfragen. "Natürlich stecken da immer Leute dahinter, die einen guten Gedanken haben", erzählt Tierschützer Michael Breest. Viele gingen davon aus, das Tierheim dadurch zu entlasten.
Sorge um Rückgabe von Tieren
Doch die vielen Tiergesuche - auch auf Plattformen wie ebay-Kleinanzeigen - beobachtet der Tierschützer auch mit Sorge, da sie illegal arbeitenden Tierzüchtern in die Karten spielen könnten. Tieren, die aus einer solchen Zucht kommen, fehlen laut Breest meist überlebenswichtige Impfungen und korrekte Begleitpapiere. Werden diese Tiere dann krank, wenden sich Menschen oft an die Tierheime. "Ich habe schon die große Befürchtung, dass wir da eine große Corona-Nachwelle an Tieren ins Tierheim bekommen", so Breest.
Umso wichtiger sei daher die Aufklärung. Im Berliner Tierheim setzen sich Tierschützer wie Breest dafür ein, Menschen vor illegalen Käufen von Tieren zu warnen. Insgesamt achten die Mitarbeiter hier derzeit noch mehr als sonst darauf, Interessenten dafür zu sensibilisieren, dass Tiere ortsgebunden sind und auch nach der Homeoffice-Zeit genügend Aufmerksamkeit brauchen.
"Der guckt so nett"
Kater Dexter im Berliner Tierheim hat inzwischen Besuch bekommen. Weil er Diabetes hat, braucht er spezielle Pflege: Spezialnahrung, strikt eingehaltene Futterzeiten und zwei Insulinspritzen täglich - eine große Verantwortung für seinen zukünftigen Besitzer.
Tierpflegerin Bergmann stellt ihn der Interessentin Petra Kugel vor. Sie hat vor allem Dexters Blick überzeugt - auf der Webseite des Berliner Tierheims hat sie den Kater bereits gesehen. "Der guckt so nett und deshalb habe ich mir den ausgesucht", sagt sie.
Doch ein paar Tage nach dem Besuch im Tierheim meldet sich Interessentin Kugel und sagt ab. Sie wolle sich erst einmal überlegen, ob sie überhaupt genug Zeit habe für eine Katze.