Weitergabe von Bankverbindungsdaten Kabinettskrach wegen SWIFT-Entscheidung
Die Kritik am SWIFT-Vertrag kommt von allen Seiten - und auch die Bundesregierung hat ein neues Problem. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte die Enthaltung ihres Kollegen de Maizière im EU-Ministerrat. Auch Opposition, Datenschützer und Banken rügen das Abkommen.
Der EU-Beschluss zur Weitergabe von Bankverbindungsdaten an die USA hat zu heftigen Reaktionen geführt. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kritisierte, die Brüsseler Entscheidung sei gegen ihren Widerstand zustande gekommen. "Diese Entscheidung verunsichert Millionen von Bürgerinnen und Bürgern in Europa", erklärte sie. Die FDP hatte ähnlich wie Opposition und Bundesrat auf ein hohes Datenschutzniveau bei dem neuen Abkommen gedrungen. "Diese Mahnung wurde nicht gehört", sagte Leutheusser-Schnarrenberger.
Damit stellt sich die Justizministerin offen gegen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Dieser machte durch seine Enthaltung im EU-Ministerrat den Weg für die umstrittene Vereinbarung frei, die zum 1. Februar in Kraft treten soll und bis Ende Oktober 2010 gilt. Anschließend soll es ein dauerhaftes Abkommen geben. De Maizière betonte, ein "nicht vollständig befriedigendes Abkommen" sei "besser als kein Abkommen". Er verwies auch auf eine mit Leutheusser-Schnarrenberger abgestimmte Protokollerklärung. Darin unterstreicht die Regierung ihre Bedenken, was Daten- und Rechtsschutz betrifft.
Das Abkommen erlaubt den USA den Zugriff auf Überweisungsdaten europäischer Bürger und Unternehmen, die das belgische Unternehmen SWIFT verwaltet. SWIFT wickelt täglich rund 15 Millionen Transaktionen zwischen mehr als 8300 Banken weltweit ab. Die USA nutzen die Daten bereits seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Das neue Abkommen wurde nötig, weil die europäischen SWIFT-Daten ab Jahresende auf Servern in den Niederlanden und der Schweiz liegen und nicht mehr in den USA. Deutschland setzte nach Angaben de Maizières durch, dass innereuropäische Überweisungen nicht von dem Abkommen betroffen sind, sondern in der Regel nur solche in Drittstaaten wie die USA oder die Schweiz.
"Besser als kein Abkommen", sagt Bundesinnenminister de Maizière.
Kritik auch von Grünen, Datenschützern und Banken
Scharfe Kritik kam auch von der Opposition. "Es ist ein schwerer Geburtsfehler, dass das Abkommen am letzten Tag vor dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages ohne Beteiligung des Europäischen Parlaments durchgeboxt wurde", monierte SPD-Fraktionsvize Olaf Scholz. Der Rechtsexperte der Linkspartei, Jan Korte, bezeichnete das Abkommen als "Katastrophe für den Datenschutz". Die Grünen beantragten eine Aktuelle Stunde im Bundestag. Die Länder hatten die Bundesregierung am Freitag aufgerufen, dem SWIFT-Abkommen nur zuzustimmen, wenn die verfassungsmäßigen Anforderungen gewahrt blieben.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte, mit der Vereinbarung werde die Übermittlung zahlreicher Bank-Daten "mit nur marginalem, indirektem oder sogar nur mutmaßlichem Bezug zum Terrorismus" legitimiert. Die im Zentralen Kreditausschuss (ZKA) zusammengeschlossenen Spitzenverbände der deutschen Banken nannten die Datenschutz-Bedenken ungelöst. Die Daten - darunter die Namen von Absender und Empfänger einer Überweisung und die Adresse - können für maximal fünf Jahre gespeichert werden. Die Bürger erfahren in der Regel nichts von dem Zugriff. SWIFT geht davon aus, dass auch andere internationale Anbieter betroffen sind, etwa Kreditkartenunternehmen.
Europaparlamentarier bemängelten zudem die Eile, mit der das Abkommen vor dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags beschlossen wurde. "Der Ministerrat hat einen Fehlstart für den Lissabon-Vertrag hingelegt", kritisierte der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber. Die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel sprach von einem "Affront". Der Lissabon-Vertrag gibt der Volksvertretung ein Mitspracherecht. Nach Angaben eines Diplomaten kann das Parlament das Abkommen nach seinem Inkrafttreten theoretisch noch kippen. Dies gilt aber als unwahrscheinlich.
Die US-Regierung begrüßte den EU-Beschluss. Er trage dazu bei, "tödliche Terror-Anschläge rund um die Welt zu vereiteln", hieß es in einer Erklärung in Washington.