Wohnraum für Studierende Teuer Wohnen
München und Stuttgart sind am teuersten: Für Studierende wird es immer schwerer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Der Konkurrenzkampf beim WG-Casting ist groß.
Jakob Schmid haut wieder in die Tasten. Lieber würde er in der Zeit für sein Jura-Studium lernen, aber seit fünf Monaten raube ihm die Suche nach einem WG-Zimmer in Heidelberg täglich ungefähr eine Stunde seiner Zeit. Der 20-Jährige möchte dringend von seiner Wohngemeinschaft außerhalb der Stadt ins Zentrum ziehen, um näher an Universität, Bibliothek und Uni-Partys zu sein. Dafür durchforstet er Online-Portale und schreibt persönliche Vorstellungstexte. Darin wird es auch mal persönlicher: "…ich lese gerne und würde mich freuen, wenn wir in der WG gemeinsam Kochabende machen."
Schmid hofft, so aus der Flut an Bewerbungen hervorzustechen und von der Wohngemeinschaft zum so genannten WG-Casting eingeladen zu werden: "Aber Antworten bekomme ich höchsten in ein Prozent der Fälle und selbst wenn ich dann mal zur Besichtigung eingeladen werde, ist der Konkurrenzkampf hart, weil 20 Leute eingeladen werden. Das fühlt sich dann an wie Blockabfertigung, alle zehn Minuten wird man gefragt was man hobbymäßig macht. Es geht alles über den ersten Eindruck." Selbst mit seinem Budget von 600 Euro ist er bisher noch nicht fündig geworden.
Schmid sucht täglich beinahe eine Stunde nach einem neuen WG-Zimmer.
Unterschiede zwischen Osten und Westen
Dass es immer schwieriger und auch teurer für Studierende wird, geeigneten Wohnraum zu finden, ist nicht nur Schmids persönliche Erfahrung, sondern auch das Ergebnis des neuen Studentenwohnreports. Der Finanzkonzern MLP und das Institut der deutschen Wirtschaft haben für die Studie Inserate aus 38 Hochschulstädten in Deutschland ausgewertet. Lage- und qualitätsbedingte Effekte wurden herausgerechnet. Demnach waren Wohnungen 2021 in den untersuchten Städten im Schnitt 5,9 Prozent teurer als im Vorjahr.
Am teuersten wohnen Studierende in München: 787 Euro Warmmiete kostet theoretisch eine Musterwohnung mit 30 Quadratmetern. Dicht gefolgt von Stuttgart (786 Euro) und Berlin (718 Euro). In der Hauptstadt sind die Preise mit einer Steigerung von 18,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sogar mit Abstand am heftigsten gestiegen. Beim Blick an das untere Ende der Liste werden Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland deutlich: Am günstigsten kommen Studierende in Leipzig (383 Euro), Magdeburg (303 Euro) und Chemnitz (224 Euro) an Wohnungen. Starke Unterschiede an nahezu allen Standorten gab es auch bei WG-Zimmern: im Schnitt würden Studierende 9,4 Prozent mehr zahlen als im Vorjahr.
Mehr Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt
Nicht nur bei WG-Castings ist der Konkurrenzkampf groß. Auf dem Wohnungsmarkt konkurrieren Studierende zunehmend mit anderen Bevölkerungsgruppen um bezahlbaren Wohnraum, so Studienleiter Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft: "In Großstädten gibt es viele Single Haushalte, in Hamburg sind es 50 Prozent. Auch die wollen kleine Wohnungen. Jetzt kommt noch hinzu, dass sich viele beim Wohnen beschränken wollen, um Energie zu sparen. Oder Leute aus dem Umland ziehen wegen Mobilitätskosten -Stichwort Spritpreise- in die Stadt. Familien und Paare, die bisher nach Eigentumswohnungen gesucht haben, könnten sich das wegen der hohen Zinsen nicht mehr leisten, auch das führt zu noch mehr Konkurrenz für die Studierenden."
Der Wohnungsmarkt habe sich in den vergangenen zwei Jahren auch durch die Pandemie verändert, so Voigtländer. Weniger Studierende seien in Großstädte gezogen, Vermieterinnen und Vermieter seien auf Familien ausgewichen, die auch für mehr Planungssicherheit stünden als studentische Wohngemeinschaften.
Mehr Wohnungen, mehr Hilfen
Aus den Ergebnissen des Studentenwohnreports leitet Studienleiter Voigtländer konkrete Lösungsansätze und politischen Forderungen ab: Wohnungsbau weiter ankurbeln, finanzielle Hilfen für Studierende erhöhen, den Bafög-Anstieg an die Inflationsrate anpassen, zudem müssten mehr Studierende Bafög-berechtigt sein.
Auch Studentin Silja Wach wünscht sich mehr Unterstützung von der Politik. Sie studiert in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik und lebt auf elf Quadratmetern am Stadtrand, denn mitten in der zweitteuersten Stadt könnte sie sich kein Zimmer leisten. 900 Euro hat sie im Monat zur Verfügung, gut die Hälfte davon geht für Miete und Nebenkosten drauf. Man muss keine Raketenwissenschaftlerin sein, um zu berechnen, dass es am Monatsende knapp für sie wird.
Schon jetzt versucht sie die Ausgaben für Essen so niedrig wie möglich zu halten, rettet mit "foodsharing" Lebensmittel vor der Tonne. Ob sie ihr gemütliches kleines Zimmer trotz der gestiegenen und weiter steigenden Energiekosten halten kann, weiß sie im Moment nicht.