Strom- und Gaspreisbremse Ringen bis zur letzten Minute
Der Bundestag beschließt heute die Gesetze zur Strom- und Gaspreisbremse. Es geht um sehr viel Geld - und um Details, um die bis zuletzt gerungen wurde.
Vor allem die immer höheren Gaspreise hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Blick, als er Ende September eine massive Entlastung von Haushalten und Unternehmen ankündigte. Bis zu 200 Milliarden Euro, finanziert über neue Schulden, werde der Bund bereitstellen. Der Kanzler sprach von einem "Doppel-Wumms" - das Wort "Wumms" hatte er gute zwei Jahre zuvor für Corona-Hilfen geprägt.
Konkrete Vorschläge für die Umsetzung der geplanten Entlastungen sollte eine Expertenkommission machen. Die entschied sich für eine möglichst einfache Lösung. Um Haushalte schnell zu entlasten, sollte für 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs der Preis gedeckelt werden: bei Gas auf 12 Cent, bei Fernwärme auf 9,5 Cent, bei Strom auf 40 Cent je Kilowattstunde. So der Vorschlag für private Haushalte und kleinere Unternehmen.
Die Bundesregierung übernahm den Vorschlag der Kommission weitgehend. Trotz des Vorwurfs, dass von den Entlastungen auch reichere Haushalte profitierten, die die Hilfen gar nicht bräuchten. Das Problem: Die Versorger wissen oft gar nicht, ob zum Beispiel für einem hohen Verbrauch der Betrieb eines Pools verantwortlich ist oder einfach nur eine größere Zahl von Nutzern. Das herauszufinden, würde Zeit kosten, so das Argument. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck wies darauf hin, dass die Preisbremsen für Strom und Gas technisch anspruchsvoll seien. Die Haushalte selbst sollten sich aber nicht mit Anträgen herumquälen müssen, vielmehr solle die staatliche Hilfe automatisch über die Energierechnungen abgewickelt werden.
Rückwirkend für Januar und Februar
Die Hauptarbeit kommt damit auf die Strom- und Gasversorger zu. Sie warnten schon innerhalb der Gaspreiskommission: Bis die nötigen Daten erhoben seien, dauere es seine Zeit. Zunächst plante die Bundesregierung daher, die Preisbremsen erst ab März greifen zu lassen, zusätzlich zu einer einmaligen Erstattung der Gasrechnung vom Dezember. Doch dafür erntete sie heftige Kritik: Ministerpräsidenten Unions-geführter Bundesländer wie Hendrik Wüst (Nordrhein-Westfalen) und Markus Söder (Bayern) warnten vor einer "Winterlücke": Gerade, wenn Haushalte und Wirtschaft die Hilfen am nötigsten hätten, kämen sie nicht an.
Die Ampel reagierte: Die Preisbremsen sollen zwar wie ursprünglich vorgesehen erst ab März 2023 in den Abrechnungen auftauchen, aber auch rückwirkend für die Monate Januar und Februar gelten.
Missbrauchsklausel
Doch es zeigten sich weitere Probleme. Was, wenn Versorger dank der Aussicht auf die staatliche Unterstützung ihre Preise mehr als nötig anheben? Eine Missbrauchsklausel kommt in das Gesetz, die dem Bundeskartellamt eine besondere Rolle zuweist: Die Versorger müssen ihre Preissteigerungen dem Kartellamt melden und gegebenenfalls nachweisen, warum sie die Preise so kräftig erhöhen. Das sei wichtig, sagt der FDP-Energiepolitiker Michael Kruse, damit es keine Mitnahmeeffekte auf Seiten der Energieversorgungsunternehmen gebe.
SPD und Grüne haben bei den parlamentarischen Beratungen außerdem darauf gedrängt, dass Unternehmen, die von den staatlichen Hilfen profitieren, im Gegenzug auf die Auszahlung von Boni und Dividenden verzichten. Ein Kompromiss der Ampelpartner sieht nun vor, diese Forderung auf Unternehmen zu beschränken, die besonders hohe Summen vom Staat bekommen würden, nämlich mehr als 50 Millionen Euro. Außerdem müssen Unternehmen im Gegenzug für staatliche Hilfen Zusagen mit Blick auf Standorte und Arbeitsplätze geben.
Kritik aus der Wirtschaft
Aus der Wirtschaft hagelt es Kritik. BDI-Präsident Siegfried Rußwurm, einer der Ko-Vorsitzenden der Gaspreiskommission, sagt, die Preisbremse habe inzwischen so viele Randbedingungen, "dass sie für eine ganze Reihe von Firmen wohl nicht funktionieren wird." Der Spezialchemiekonzern Evonik hat bereits angekündigt, auf die staatlichen Hilfen zu verzichten, andere Unternehmen wie ThyssenKrupp prüfen noch. DIHK-Präsident Peter Adrian fürchtet, dass gerade energieintensive Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagern könnten.
Umstritten ist auch, dass im Rahmen der Strompreisbremse bestimmte Stromanbieter zur Kasse gebeten werden, weil sie wegen der hohen Preise gerade Extra-Gewinne einstreichen. Das betrifft Atomkraftwerke und Braunkohlekraftwerke, aber auch Strom aus erneuerbaren Energien. Von einer "Erneuerbaren-Bremse" spricht daher CDU-Vize Andreas Jung. Denn durch die Abschöpfung eines Teils der Erlöse würden Investitionen in neue Anlagen unattraktiv: "Es droht ein Kollateralschaden für die Energiewende", so Jung.
An den Details wird noch lange gefeilt werden
Hier hat die Koalition noch in dieser Woche Korrekturen vorgenommen, insbesondere für Anbieter von Biogasanlagen. Beschlossen wurden zudem Hilfen für Nutzer von Öl- und Pelletsheizungen, sofern sich die Kosten in diesem Jahr im Vergleich zum Jahr 2021 mindestens verdoppelt haben. 1,8 Milliarden Euro will der Bund hier über einen Härtefallfonds zur Verfügung stellen. Eine Ausweitung der Hilfen hatten die Länder angemahnt, die nun für die Auszahlung verantwortlich sein sollen.
Das freilich deutet schon an: Auch, wenn die wesentlichen Eckpunkte zur Entlastung von Bürgern und Wirtschaft heute im Bundestag und morgen im Bundesrat verabschiedet werden - an den Details der Umsetzung muss auch danach noch gefeilt werden.