Abstimmung im Bundestag Keine Mehrheit für Gesetzentwürfe zu Sterbehilfe
Die Hilfe bei Selbsttötung wird in Deutschland weiterhin nicht gesetzlich geregelt. Im Bundestag scheiterten beide Gesetzentwürfe zur Neuregelung. Eine große Mehrheit der Abgeordneten sprach sich aber für die Stärkung der Suizidprävention aus.
Das Ringen um gesetzliche Regelungen zur Sterbehilfe geht weiter. Im Bundestag konnte keiner der beiden zu dem Thema vorgelegten Gesetzesentwürfe die erforderliche Mehrheit unter den Abgeordneten erzielen.
Die beiden im Bundestag vorgelegten Gesetzesentwürfe wollten im Betäubungsmittelgesetz festschreiben lassen, dass es legal ist, dasss tödliche Medikamente für einen assistierten Suizid verschrieben werden dürfen. Allerdings sahen die Vorschläge unterschiedlich hohe Hürden für diesen Schritt vor.
Erster Gesetzentwurf mit strengen Hürden für Sterbehilfe
Der erste Entwurf stammte von dem SPD-Politiker Lars Castellucci und dem CDU-Abgeordneten Ansgar Heveling und wurde von weiteren Abgeordneten von Grünen, FDP und Linkspartei unterstützt. Grundsätzlich sollte die sogenannte geschäftsmäßige Sterbehilfe laut dieses Vorschlags erneut unter Strafe gestellt werden und nur unter strengen Bedingungen erlaubt sein. Verstöße sollten auch künftig mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden können.
Betroffene sollten sich unter anderem mehrfach einer psychiatrischen oder psychotherapeutischen Begutachtung unterziehen, sich zusätzlich ärztlich beraten lassen und erst eine gewisse Zeit nach diesen Schritten den begleiteten Suizid in Anspruch nehmen können. So sollte ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung der Betroffenen beispielsweise durch eine psychische Erkrankung beeinflusst wird.
In der Abstimmung über diesen Entwurf votierten 304 Parlamentarier für diesen Entwurf, 363 stimmten dagegen.
Zweiter Vorschlag setzt auf umfassendes Beratungsnetz
Den zweiten Gesetzentwurf legte eine Gruppe um Katrin Helling-Plahr von der FDP, Grünen-Politikerin Renate Künast und weiteren Parlamentariern von SPD und Linkspartei vor. Sie strebten an, das Recht auf Sterbehilfe grundsätzlich aus dem Strafrecht herauszunehmen und setzten auf ein breitgefächertes Beratungsnetz.
Doch auch dieser Vorschlag scheiterte in der Abstimmung mit 287 Ja-Stimmen zu 375 Gegenstimmen.
Bundesverfassungsgericht hatte Verbot 2020 gekippt
Die gesetzliche Regulierung der Sterbehilfe ist notwendig, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2020 das Verbot der sogenannten geschäftsmäßigen Sterbehilfe im Strafgesetzbuch gekippt hatte. Aus Sicht der Richter umfasst das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch die Möglichkeit, Hilfe beim Suizid in Anspruch zu nehmen.Damit ist der Suizid in Deutschland ebenso wie die Beihilfe grundsätzlich legal. Das Gericht empfahl jedoch, die Voraussetzungen für die Sterbehilfe per Schutzkonzept zu regulieren.
Lauterbach bedauert bleibende Rechtsunsicherheit
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach äußerte sein Bedauern, dass keiner der beiden Gesetzesentwürfe eine Mehrheit gefunden habe. So bleibe eine "gewisse Rechtsunsicherheit" beim Thema Sterbehilfe bestehen. Und es werde nun wohl Gerichten zufallen, offene Fragen bei diesem Thema zu klären, etwa bezüglich der Verschreibung potenziell tödlicher Medikamente.
Auch sein Ministerium befasse sich mit dieser Frage, sagte der SPD-Politiker. Ein Beispiel: die Verschreibung des Medikaments Pentobarbital, das zur schmerzfreien Sterbehilfe eingesetzt werden kann. In den nächsten Wochen solle geprüft werden, ob dieses Medikament unter Voraussetzung einer entsprechenden Prüfung durch eine Ärztin oder einen Arzt verschrieben werden könne.
Castellucci für zeitnahen neuen Anlauf
Der SPD-Abgeordnete Castellucci sprach sich zeitnah für einen neuen Anlauf aus, um gesetzliche Regelungen zu beschließen. Es brauche " echtssicherheit, Klarheit und Schutz für alle Beteiligten", sagte er der Nachrichtenagentur KNA.
Ähnlich äußerte sich Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats. Das Bedürfnis der Betroffenen nach Klarheit sei groß. Das gelte nicht nur für Patientinnen und Patienten, sondern auch für Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte und Einrichtungen. Gleichzeitig lobte Buyx die ernsthaft und tiefschürfend geführte Debatte im Bundestag. Sie hoffe, die Politik werde bei den Gesetzesentwürfen, die durchaus Schwächen aufgezeigt hätten, nochmals nacharbeiten.
Gerade aufgrund dieser Schwächen sieht die Bundesärztekammer im Nein zu den vorgelegten Gesetzesentwürfen eine richtige Weichenstellung. "Nun haben wir Zeit für die noch nicht ausreichend geführte gesamtgesellschaftliche Debatte", sagte der Präsident der Kammer, Klaus Reinhardt.
Große Mehrheit für Gesetz zur Suizidprävention
Ausdrücklich begrüßt wurde von Bundesgesundheitsminister Lauterbach das vom Bundestag befürwortete Gesetz zur Suizidprävention. Nachdem die beiden Gesetzesentwürfe zur Sterbehilfe gescheitert waren hatte sich eine große Mehrheit von 688 Abgeordneten für einen entsprechenden Antrag von zwei Gruppen von Abgeordneten aus verschiedenen Fraktionen ausgesprochen.
Darin fordern sie die Bundesregierung auf, im kommenden Jahr einen entsprechenden Entwurf und eine Strategie für die Suizidprävention vorzulegen. Die Regelung solle unter Einbeziehung etwa der Telefonseelsorge oder sozialpsychiatrischer Dienste einen bundesweiten Suizidpräventionsdienst etablieren. Menschen mit Suizidgedanken wie auch ihren Angehörigen sollten online und unter einer bundeseinheitlichen Telefonnummer ein sofortiger Kontakt ermöglicht werden. Ferner solle die Forschung ausgebaut werden.
Der Antrag verweist darauf, dass sich 2021 insgesamt 9215 Menschen das Leben nahmen.
Telefonnummern der Telefonseelsorge: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222 www.telefonseelsorge.de
Telefonberatung für Kinder und Jugendliche: 116 111 - www.nummergegenkummer.de