Steinmeier zum Ukraine-Krieg "Wir dürfen uns nicht spalten lassen"
Seit fünf Monaten dauert der Krieg in der Ukraine an. Auch in der EU sind die Auswirkungen spürbar. Bundespräsident Steinmeier ruft dazu auf, Nachteile in Kauf zu nehmen und Europas Werte zu verteidigen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erneut verurteilt. "Der Krieg, den Putin gegen die Ukraine führt, ist auch ein Krieg gegen die Einheit Europas“, sagte Steinmeier am Abend bei einer Rede im Historischen Rathaus der Stadt Paderborn.
Zugleich vernichte Putin eine europäische Sicherheitsarchitektur, für "die viele Generationen nach der Erfahrung zweier blutiger Weltkriege im vergangenen Jahrhundert gearbeitet haben und die mit der Schlussakte von Helsinki vor fünfzig Jahren Hoffnung auf dauerhaften Frieden in Europa geschaffen hat".
"Wir dürfen uns nicht spalten lassen, wir dürfen das große Werk eines einigen Europa, das wir so vielversprechend begonnen haben, nicht zerstören lassen", forderte der Bundespräsident. Die Europäer müssten sich angesichts des verbrecherischen Angriffskrieges wieder bewusst werden, was sie bestimme und zusammenhalte. Es gehe um die Werte, "die wir als tragend erkennen und als belastbar erfahren haben für ein freiheitliches, gerechtes und menschliches Zusammenleben". Steinmeier forderte die Bürger dazu auf, bereit zu sein, diese Werte zu verteidigen und auch empfindliche Nachteile dafür in Kauf zu nehmen.
Steinmeier: Europas Werte wurzeln im Christentum
Steinmeier nimmt in Paderborn an den Feierlichkeiten zum 500. Libori-Mahl teil. Das Mahl ist Teil des traditionellen Libori-Festes, mit dem an die Überführung der Reliquien des Heiligen Liborius vom französischen Le Mans im Jahr 836 nach Paderborn erinnert wird. Daraus sei eine der ältesten Städtefreundschaften der Welt entstanden, sagte Steinmeier. "Europas Stärke, Europas Wertegemeinschaft, Europas Glück und Europas Zukunft hängt zu einem großen Teil von der Partnerschaft, ja der Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich ab."
Steinmeier betonte, die Werte Europas wurzelten stark im Christentum und im Judentum. Allerdings habe es nie "eine gerade Linie von den christlich geprägten Grundüberzeugungen zum faktischen Handeln gegeben". Immer wieder habe es schreckliche Verirrungen und Verbrechen gegeben; immer wieder hätten christliche Werte gegen Vertreter der christlichen Kirchen verteidigt werden müssen. Der Bundespräsident verwies auf die Kreuzzüge, die Ketzer- und Hexenverfolgungen, die Unterdrückung von Frauen, den Sklavenhandel oder den Mord an den europäischen Juden. "All das sind Zeugnisse der Schande und des Verrats."
"Neubesinnung auf Europas gute geistige Wurzeln"
Deswegen gehöre zur europäischen Geschichte die immer wieder notwendige Neubesinnung auf Europas gute geistige Wurzeln, auf seine menschenwürdigen Fundamente. Der Bundespräsident verwies in diesem Zusammenhang auf die deutsch-französische Freundschaft, die von Politikern wie Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, aber auch Persönlichkeiten wie dem aus dem Erzbistum Paderborn stammenden Priester Franz Stock (1904-1948) geprägt worden sei. Stock hatte sich während des Zweiten Weltkriegs als Wehrmachtspfarrer in Frankreich um französische Kriegsgefangene gekümmert und hunderte zur Exekution verurteilte Kämpfer der Resistance begleitet.
Das neuntägige Libori-Fest hatte am Freitag unter dem Leitwort "aufatmen" begonnen. Das Libori-Mahl wird seit dem 15. Jahrhundert von der Libori-Gilde ausgerichtet, einem Zusammenschluss Paderborner Bürger, deren Vorsitzender jeweils ein Kaufmann oder Unternehmer ist. An dem Mahl nehmen rund 200 Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kirchen und öffentlichem Leben teil.