Ansprache des Bundespräsidenten Endlich eine Mutmacher-Rede?
Angesichts mehrerer großer Krisen blieb Bundespräsident Steinmeier zuletzt eher zurückhaltend. Auf Schloss Bellevue will Steinmeier nun zu den Menschen sprechen - es soll eine Art "Rede an die Nation" werden.
"Ein Bundespräsident kann die Welt nicht einfacher machen, als sie ist. Ein Bundespräsident darf kein Vereinfacher sein - er muss Mutmacher sein!" Das sagte Frank-Walter Steinmeier 2016 bei der Vorstellung vor seiner Wahl zur ersten Amtzeit als Staatsoberhaupt. "Ich will die Kräfte wecken, die in dieser Gesellschaft stecken und dafür, meine Damen und Herren, will ich mein Bestes geben."
Mehr Mut machende Worte haben sich wohl viele gewünscht - gerade in den letzten Wochen und Monaten. In dieser Zeit von Krieg, steigenden Preisen und Ängsten vor den Folgen des Klimawandels.
Redet Steinmeier zu wenig?
Tatsächlich aber sei es zuletzt recht still um den Bundespräsidenten gewesen, meint der Berliner Politikbeobachter und Kommunikationsberater Johannes Hillje: "Steinmeier redet im Grunde momentan zu wenig. Er müsste in dieser Lage, wo Menschen verunsichert sind, mit der Macht und auch der Kraft des Wortes wirken."
Dass er um die Kraft der Worte weiß, zeigte Steinmeier, als er bei einer Gewerkschaftsveranstaltung über die Invasion Russlands in die Ukraine sprach und dabei eine starke Vokabel verwendete: "Dieser Krieg ist ein Bruch mit vielem, was uns als selbstverständlich galt. Es ist ein Epochenbruch."
Das war im Frühjahr, am 8. Mai, dem Tag der Befreiung. "Putin zerstört damit endgültig die Grundlage der europäischen Friedensordnung, wie wir sie nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Kalten Krieg gebaut haben. Territoriale Souveränität, freie Bündniswahl und Gewaltverzicht - unterschrieben von Moskau im Pariser Vertrag: Das alles gilt ihm nichts mehr", sagte Steinmeier weiter.
Eine Art "Rede zur Nation"
Ganz ähnlich dürfte es sich anhören, wenn Steinmeier nun im Schloss Bellevue vor Jugendlichen und Vertretern der Politik eine Art "Rede zur Nation" hält.
Die Themen liegen auf der Hand: die Erlebnisse von seinem Besuch in der Ukraine in dieser Woche, das Verhältnis Deutschlands zu Russland heute und die kremlfreundliche Haltung zuvor, die er als Staatssekretär und Außenminister mitbestimmte - und mittlerweile Fehler dabei eingeräumt hat.
Breiten Raum in der Ansprache dürften auch die Folgen des Kriegs für die Menschen in Deutschland einnehmen. Dass sich seine Worte dabei auch um gesellschaftlichen Zusammenhalt drehen dürften, verrät der Titel der Rede: "Alles stärken, was uns verbindet."
Experte: Es bräuchte mehr als eine "Ruck-Rede"
Politikbeobachter Hillje formuliert seine Erwartungen an die Ansprache und zieht dafür zum Vergleich eine berühmte Rede aus dem Jahr 1997 heran. Damals sagte Bundespräsident Roman Herzog: "Durch Deutschland muss ein Ruck gehen."
Eine solche "Ruck-Rede" wäre für Steinmeier heute eigentlich aber zu wenig, meint Hillje: "Er müsste mindestens auch eine Mut-Rede liefern, denn die Gesellschaft fühlt sich in vielen Teilen verunsichert." Das heiße der Bundespräsident müsse in seinen Botschaften heute "so was wie Zusammenhalt auf der einen Seite, aber auch mit Zukunftsperspektive auf der anderen Seite verknüpfen".
Erwartet werden also Mut machende Worte, die die Kräfte wecken, die in der Gesellschaft stecken - so wie sie Frank-Walter Steinmeier versprochen hatte, bevor er Bundespräsident wurde.