Scholz-Auftritt vor der Presse "You'll never walk alone" - die Zweite
Wenn der Kanzler zur Sommerpressekonferenz kommt, geht es auch um die Zwischentöne. Er sei gerne Kanzler und die Ampel funktioniere reibungslos, so Scholz - nicht ohne Eitelkeit. Bei einem Thema wurde er schmallippig.
Kommt er mit? Oder kommt er ohne? Der Kanzler kommt ohne Krawatte. Es ist schließlich die Sommerpressekonferenz. Aber die Unbeschwertheit mancher Merkel-Sommerpressekonferenzen vergangener Jahre vor den Hauptstadtjournalisten mag sich bei der Scholz-Premiere heute nicht einstellen.
"Ich telefonier gern mal mit ihr"
33 Mal schon saß Olaf Scholz als Gast in der Bundespressekonferenz. Beim jetzt 34. Mal erstmals als Bundeskanzler. Ob er seine Vorgängerin Merkel vermisst? Das wird er später, nach über 100 Minuten, als letztes gefragt. Da huscht für einen Moment das Grinsen über sein Gesicht, das Bayerns Ministerpräsident Markus Söder einst ärgerlich als "schlumpfig" beschrieb. "Ich telefonier gern mal mit ihr. Aber ich bin jetzt auch gern Bundeskanzler."
Gern Kanzler also - trotz Krisen, trotz Corona, Inflation und Klimawandel. Und auch trotz eines Krieges in der Ukraine, den Scholz gleich zu Beginn als größte Herausforderung ausmacht. Ein furchtbarer, unakzeptabler Krieg. "Putins Krieg" wird Scholz später sagen, als er ehrlich erschüttert von seinem Besuch in Kiew erzählt, bei dem er vor dem zerschossenen Auto stand, in dem eine ukrainische Familie starb, weil russische Soldaten es so wollten. Da wird der Ton für einen Moment schneidend, etwa als Scholz zusagt, dass auch deutsche Behörden alles tun werden, um die Kriegsverbrecher zur Verantwortung zu ziehen.
Beim Thema Schröder ist Verachtung durchzuhören
Ist Putin ein Kriegsverbrecher? "Er führt einen verbrecherischen Angriffskrieg", ist die Scholz-Variante tiefsitzender Verachtung für den russischen Präsidenten. Und weil beim Namen Putin der Name Gerhard Schröder nicht weit weg ist, folgt die Frage: Ob der Ex-Kanzler dem amtierenden Kanzler nicht vielleicht doch noch einmal behilflich sein könnte in der Vermittlung mit Moskau. "Ich wüsste nicht", lässt Scholz auch da Verachtung durchhören.
Da sitzt also der Bundeskanzler, der - so formuliert es ein Journalist später in einer Frage - der Kanzler ist, der vor den größten Herausforderungen seit dem Zweiten Weltkrieg steht. Wann er denn von seiner Richtlinienkompetenz als Kanzler in der Koalition Gebrauch mache? Scholz zögert fünf stille Sekunden, um die Frage der Richtlinienkompetenz dann auf Scholz-Art so zu beantworten. "Es ist gut, dass ich sie habe."
Nicht eine Spitze gegen FDP oder Grüne
Aber - und auch das soll Botschaft in diesen Krisenzeiten sein: Die Ampelkoalition funktioniere reibungslos. Trotz allen Geredes von Zoff und Reibereien vornehmlich zwischen Grünen und FDP: Alles, was bisher geleistet wurde, sei eine Gesamtleistung der drei Partner, sagt Scholz großzügig. Es gibt in 100 Minuten nicht eine Spitze gegen Grüne oder FDP. Im Gegenteil. Auf die Frage, ob die Ampel vier Jahre halte, wird Scholz später sagen, er habe ja sogar eine Perspektive, die über die vier Jahre hinausreiche.
Da sitzt also ein sehr zufriedener Olaf Scholz, der mehr als nur ein kleines bisschen stolz darauf ist, was seine Ampelregierung neben der Kleinigkeit einer Zeitenwende in knapp acht Monaten alles auf den Weg gebracht hat. Zwei Entlastungspakete - 30 Milliarden schwer. Das dritte in Arbeit. "Das ist ja schon ganz schön viel, wenn man das mit früheren Jahren vergleicht", sagt Scholz. Da klingt dann ganz schön viel Hamburger Understatement durch.
Sich unterhaken und die Krise bewältigen
Und weil ihm seine Formulierung neulich offenbar so gut gefallen hat, wird er an die deutschen Bürgerinnen und Bürger gewandt heute erneut zwei Mal sagen: "You'll never walk alone" - "du wirst nicht allein durch die Zukunft gehen", übersetzt Scholz dann gleich selbst, wie er staatliche Solidarität mit allen Bevölkerungsgruppen versteht. Sich unterhaken und die Krise bewältigen.
Und wie meistens, wenn dieser Olaf Scholz staatstragend wird, zitiert er sein Vorbild Helmut Schmidt. Der Sozialstaat nämlich sei laut Altkanzler eine der größten Erfindungen der deutschen Politik gewesen. Scholz führt eben diesen Sozialstaat an, der jetzt helfe. Höheres Wohngeld, Energiepreisprämie, noch mehr Hilfen für sozial Schwache, zwölf Euro Mindestlohn ab Oktober. Der Kanzler zählt auf, warum es seiner Meinung nach im Winter eben nicht wegen explodierender Energiekosten und hoher Inflation zu "Unruhen" im Volk kommen werde. Weil er und die Ampelregierung sich kümmern, heißt die Scholz-Antwort.
Scholz, der Vordenker, lächelt scholzig
"Ich weiß am besten, was richtig ist" klingt da durch - und dass Scholz es auch noch meistens eher als alle anderen weiß, sagt er gern selbst. Schon im Dezember, kaum sei er Kanzler gewesen, habe er im Wirtschaftsministerium nachfragen lassen, was denn passiere, wenn es kein russisches Gas mehr gebe.
"Diese Frage hat sich wohl offenbar bis dahin niemand gestellt und auch niemand beantwortet." Scholz, der Vordenker, lächelt da scholzig vor sich hin. Aber er sei doch zuletzt Vizekanzler gewesen, seine SPD in der Großen Koalition mitverantwortlich für die Abhängigkeit von russischem Gas: Ob Scholz denn gar nicht zerknirscht sei, fragt ein Journalist. "Das ist durchaus etwas, wozu ich fähig bin. Obwohl es gegenteilige Gerüchte gibt."
Schmallippig beim beim Thema Cum-Ex-Affäre
Das ist dann der Humor eines Hanseaten, der während der Sommer-Pressekonferenz allerdings sein Lächeln immer dann verlor, wenn es um seine Zeit als Erster Bürgermeister von Hamburg ging. Die Cum-Ex-Steueraffäre und der jüngste Bargeldfund im Schließfach seines Parteikollegen Johannes Kahrs. Frage um Frage dazu ließen Scholz immer schmallippiger antworten.
Was wisse er über das Bargeld? "Nichts". Woher stamme das Geld? "Keine Ahnung. Ich nehme an, das wissen Sie eher als ich", erwiderte ein genervter Kanzler, der am Freitag kommender Woche in Hamburg erneut vor dem Untersuchungsausschuss aussagen muss. "Ich freue mich darauf, dort stundenlang auf alles zu antworten", sagte Scholz, dem anzumerken war, wie übersichtlich seine Freude über die andauernde Cum-Ex-Affäre wirklich ist.
Nach knapp 100 Minuten dann endete die Kanzlerpremiere in der Sommerpressekonferenz. In der vom Privatmann Olaf Scholz nur das als Neuigkeit hängen blieb: "Ich hab den Eindruck, dass viele Bürger den Sommer gerade genießen“ sagte er. Er jedenfalls habe sich in seinem Urlaub gut erholt. Das war bei der Kanzlerin 16 Jahre etwas anders. Sie reiste stets erst nach der Sommerpressekonferenz in den Urlaub. Vermutlich, um sich dort auch von den Fragen der Hauptstadtpresse erholen zu können.