Vereinfachte Aufnahme Bund offen für russische Deserteure
Der Bund hat sich offen für die Aufnahme russischer Kriegsdienstverweigerer gezeigt. Das Innenministerium betonte, im bestehenden Asylverfahren fände eine Sicherheitsprüfung statt - man müsse wissen, wer nach Deutschland kommen wolle.
Die Bundesregierung zeigt sich offen für die Aufnahme von Russen, die nach der Teilmobilmachung das Land verlassen wollen. Dass sich viele Russen nicht an dem Krieg gegen die Ukraine beteiligen wollten, sei ein gutes Zeichen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Es zeichne sich ab, dass es eine Fluchtbewegung nach Westen gebe. Nun suche man die Abstimmung mit EU-Partnern über den Umgang.
Laut dem Außenministerium ist in Deutschland die Zahl der Asylsuchenden aus Russland in den vergangenen Wochen bereits gestiegen. Zahlen für die Entwicklung seit der Teilmobilmachung am Mittwoch lägen aber noch nicht vor, so eine Sprecherin.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte bereits klargestellt, dass Personen, die sich dem russischen Regime entgegenstellen und daher "in größte Gefahr" geraten, Asyl wegen politischer Verfolgung beantragen können. Die Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sei bereits entsprechend angepasst, sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Die Erteilung von Asyl sei jedoch eine Einzelfallentscheidung, in deren Rahmen auch eine Sicherheitsüberprüfung erfolge. Das betonte nun auch noch einmal ein Sprecher des Innenministeriums: Gerade bei Angehörigen des russischen Militärs müsse man wissen, wer eigentlich nach Deutschland kommen wolle.
Breite Unterstützung für Aufnahme
Die Koalitionspartner FDP und Grüne hatten die Regierung nach Putins Ankündigung aufgefordert, russische Deserteure aufzunehmen - Unterstützung dafür kommt aus fast allen Fraktionen.
Die Parlamentsgeschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, sagte der "Rheinischen Post": "Wer sich als Soldat an dem völkerrechtswidrigen und mörderischen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine nicht beteiligen möchte und deshalb aus Russland flieht, dem muss in Deutschland Asyl gewährt werden."
SPD-Faktionsvize Dirk Wiese sagte der Zeitung, allein die verschärften Strafen, die Menschen bei Entzug der Einberufung drohten, "halte ich bereits nach jetziger Rechtslage für ausreichend als Asylgrund". Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sagte, die Menschen, die sich jetzt gegen die Einberufung wehrten, seien "ungeheuer mutig". "Solche Menschen zu unterstützen, solchen Menschen Zuflucht zu geben, das halte ich wirklich für selbstverständlich", sagte der SPD-Politiker in der RTL/ntv-Sendung "Frühstart".
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, humanitäre Visa müssten jetzt großzügig und umfassend ausgelegt werden. "Das muss auch für Soldaten gelten, die sich offen gegen das Putin-Regime stellen."
Linke kritisiert Asyl als nicht ausreichend
Linken-Chef Martin Schirdewan forderte ebenfalls in den Funke-Zeitungen eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für russische Regimegegner und Deserteure. Die Möglichkeit eines Asylantrags, auf den die Bundesregierung verweise, sei "kein aktives Schutzangebot", sagte er.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisierte die politische Debatte als "Scheindebatte", da die Frage des Zugangs zu Asyl nicht angesprochen werde. Geschäftsführer Günther Burkhardt sagte, solange die EU-Staaten ihre Grenzen abriegelten und mit Pushbacks den Zugang verhinderten, hätten auch russische Deserteure keine Chance einzureisen. Burkhardt forderte deshalb, den flüchtenden Russen den Zugang zur humanitären Aufnahme zu eröffnen und entsprechende Visums-Anträge schnell zu bearbeiten.
Einreise war zuletzt erschwert worden
Die EU hatte die Einreise für russische Staatsbürger Mitte September erst erschwert. Insbesondere für neue Touristenvisa gelten seitdem höhere Hürden. Die Visa-Gebühr erhöhte sich von 35 auf 80 Euro. Zudem dauert der Antrag deutlich länger. Auch Mehrfach-Einreisen wurden erschwert. Ausnahmen sollen unter anderem aber für russische Journalisten und Kreml-Kritiker gelten.
In die Debatte schaltete sich auch der noch amtierende ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, ein: "Falscher Ansatz! Sorry. Junge Russen, die nicht in den Krieg ziehen wollen, müssen Putin und sein rassistisches Regime endlich stürzen, anstatt abzuhauen und im Westen Dolce Vita zu genießen."