Mord an Georgier in Berlin Kanzlerin Merkel verteidigt Ausweisungen
Der mutmaßliche Auftragsmord an einem Georgier in Berlin belastet das Verhältnis zwischen Russland und Deutschland immer stärker. Das Auswärtige Amt wies zwei russische Diplomaten aus. Kanzlerin Merkel begründet diesen Schritt mit deutlichen Worten.
Der mutmaßliche Auftragsmord an einem Georgier in Berlin wächst sich zu einer diplomatische Krise zwischen Deutschland und Russland aus. Das Auswärtige Amt erklärte zwei russische Diplomaten zu unerwünschten Personen. Nach Informationen aus deutschen Regierungskreisen haben die Diplomaten nun sieben Tage Zeit, um Deutschland zu verlassen. Trotz "wiederholter hochrangiger und nachdrücklicher Aufforderungen" würden russische Behörden "nicht hinreichend bei der Aufklärung des Mordes" mitwirken, hieß es.
Am Rande des NATO-Gipfels in Watford rechtfertigte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ausweisung der Diplomaten. Der Schritt sei nötig gewesen, "weil wir nicht gesehen haben, dass Russland uns bei der Aufklärung diese Mordes unterstützt", sagte Merkel in London. Die Kanzlerin erwartet aber nicht, dass die diplomatischen Spannungen zwischen Berlin und Moskau den bevorstehenden Ukraine-Gipfel im sogenannten Normandie-Format beeinträchtigen werden.
Die Bundesanwaltschaft hatte die Ermittlungen übernommen. Sie geht dem Verdacht nach, dass der Mann im Auftrag staatlicher Stellen Russlands oder Tschetscheniens getötet wurde. Dafür gebe es "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte", teilte die Behörde in Karlsruhe mit. Sie behandle den Fall deshalb als "staatsschutzspezifische Tat von besonderer Bedeutung". Die staatlichen Stellen könnten beispielsweise ein russischer Geheimdienst, das russische Verteidigungsministerium oder auch tschetschenische Stellen sein.
Der Georgier war am helllichten Tag mitten Berlin erschossen worden.
Betroffene offenbar GRU-Mitarbeiter
Nach Informationen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" handelt es sich bei den ausgewiesenen Botschaftsmitarbeitern um zwei Mitarbeiter des Militärgeheimdienstes GRU. In der Bundesregierung ist von einem "Warnschuss" die Rede, weil die russische Regierung den Bitten um Kooperation bei den Ermittlungen nicht nachgekommen sei.
Im Laufe des Tages sollen die NATO und EU-Partner über die deutsche Entscheidung und ihre Hintergründe informiert werden. Auf eine koordinierte Ausweisung russischer Diplomaten in anderen Ländern - hierzu war es nach dem Mordanschlag auf den russischen Überläufer Sergej Skripal und seiner Tochter in Großbritannien gekommen - will die Bundesregierung derzeit nicht drängen. Alles hänge nun von Moskaus Reaktion und den weiteren Ergebnissen des Generalbundesanwaltes ab, heißt es in Regierungskreisen.
Russland droht mit Vergeltung
Das russische Außenministerium kündigte an, ebenfalls Schritte einzuleiten. Moskau sehe sich gezwungen, "eine Reihe von Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen", teilte es nach Angaben der staatlichen Agentur Tass mit. Das Vorgehen Deutschlands sei unfreundlich und unbegründet.
Russland weist jede Verwicklung in den Mord von sich. Auf einer Telefonkonferenz sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow, es handele sich um "eine absolut haltlose Spekulation". Das Thema werde "von den deutschen Medien irgendwie aufgebauscht. Aber das bedeutet nicht, dass die Dinge so gelaufen sind". Er glaube nicht, dass es ernsthafte Verdachtsmomente einer Verwicklung der russischen Behörden gebe.
Mit der Erklärung zur "unerwünschten Person" ist eine bestimmte Ausreisefrist verbunden. Geregelt werden Rechte und Pflichten von Diplomaten und Konsularbeamten durch das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) und das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK). Wichtigstes Vorrecht ist danach die Immunität eines Diplomaten. Verstößt er nach Ansicht des Gastlandes jedoch gegen ein dortiges Gesetz oder eine Verpflichtung aus den Wiener Konventionen, kann er zur "Persona non grata" erklärt werden, wie es auf der Website des Auswärtigen Amtes heißt.
Die Bundesregierung machte am 4. Dezember 2019 von diesem Mittel Gebrauch, als sie zwei Mitarbeiter der russischen Botschaft in Berlin zu unerwünschten Personen erklärte. Der Schritt steht in Zusammenhang mit dem Mord an einem Georgier in Berlin. Die Spuren führen nach Russland.
Von hinten erschossen
Am 23. August war ein 40 Jahre alter Tschetschene mit georgischer Staatsangehörigkeit in einem kleinen Park in Berlin-Moabit von hinten erschossen worden. Sein Mörder hatte sich ihm am Tag auf einem Fahrrad genähert und auf Rücken und Kopf gezielt. Der mutmaßliche Täter, ein 49 Jahre alter Mann mit russischem Pass, war kurz nach der Tat gefasst worden. Seit seiner Festnahme schweigt er.
Das Opfer soll im zweiten Tschetschenien-Krieg gegen Russland gekämpft haben. Über Verwicklungen Russlands in den Fall gab es bereits in der Vergangenheit wiederholt Spekulationen. Die russische Regierung wies dies aber zurück.