Thüringen Wie sicher ist die Zustimmung der BSW-Mitglieder zum Koalitionsvertrag?
Das BSW Thüringen trifft sich am Samstag zum Landesparteitag in Ilmenau. Mit Spannung wird dabei erwartet, wie die Mitglieder über den Vertrag für eine sogenannte Brombeer-Koalition von CDU, BSW und SPD befinden. Zwar gehen sowohl die Landesvorsitzende Katja Wolf als auch Parteigründerin Sahra Wagenknecht von einer Mehrheit aus, doch nach wie vor gibt es auch kritische Stimmen unter den Mitgliedern und Unterstützern: Das Thema Frieden treibt die Partei weiter um.
- Nicht alle im Thüringer BSW sind zufrieden
- Unterstützer im BSW weiter ohne Stimme
- Fraktion rechnet mit Mehrheit bei Parteitag
Auf dem Landesparteitag des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) am Samstag in Ilmenau stehen die Mitglieder vor einer Richtungsentscheidung. Dabei bestimmen sie nicht nur über den eigenen politischen Kurs der nächsten Jahre, sondern auch über die politische Zukunft Thüringens. Denn die Mitglieder werden entscheiden, ob das BSW dem Koalitionsvertrag zustimmt und damit den Weg für eine Brombeer-Regierung aus CDU, SPD und BSW freimacht.
Verhandlungen wurden zur Zerreißprobe für das BSW
Nicht mal ein Jahr nach ihrer Gründung muss die Kleinstpartei, die in Thüringen rund 100 Mitglieder zählt, Farbe bekennen: Ist sie gewillt, Regierungsverantwortung zu übernehmen? Eine Frage, die die Partei im Oktober kurzzeitig zu zerreißen drohte, als sich Parteigründerin Sahra Wagenknecht unzufrieden mit den Thüringer Sondierungsergebnissen zeigte. Auch manche Thüringer Parteimitglieder äußerten öffentlich ihren Unmut und hielten zur Parteichefin.
BSW Landeschefin Katja Wolf geriet nach den Sondierungsgesprächen in einen Machtkampf mit Sahra Wagenknecht.
Zwar ging es Wagenknecht vordergründig um den Wortlaut der Friedenspräambel, parteiintern gab es aber schon Zweifel, ob es wirklich nötig sei, in Thüringen die Rolle der populistischen Friedenspartei in Opposition aufzugeben, die das BSW auch auf Bundesebene einnimmt. Es kam zum Kräftemessen mit der Thüringer Landesvorsitzenden Katja Wolf, die stets betont hatte, Verantwortung für Thüringen übernehmen zu wollen. Am Ende fanden beide Frauen einen Kompromiss: Nachverhandlungen in der Friedensfrage.
Das BSW setzte in Thüringen die Verhandlungen fort und am 22. November trat Wolf bei der Präsentation des Koalitionsvertrages vor die Presse und sagte wohl nicht ganz ohne Genugtuung: "Ich bin mir sicher, dass auch hier im Raum viele sind, die auf diesen Moment nicht gewettet haben." Auch Wagenknecht zeigte sich mit den Ergebnissen versöhnlich und erklärte jüngst, dass sie zuversichtlich sei, dass es in Thüringen eine deutliche Mehrheit für den Koalitionsvertrag geben werde.
Nicht alle im BSW sind zufrieden
Trotzdem müsse man auf dem Parteitag mit Gegenwind für den Koalitionsvertrag rechnen, sagt der Erfurter Tischlermeister Jens Zöllner, der im Wahlkampf für das BSW kandidierte, aber nicht im Landtag sitzt. "Die Stimmung ist differierend, muss man sagen. Es gibt einige Mitglieder, die sich beim Thema Frieden noch deutlich mehr gewünscht hätten als ich. Es gibt eine intensive Diskussion in der Partei, die am Samstag dann auch in einer demokratischen Entscheidung gipfeln wird."
Es gibt einige Mitglieder, die sich beim Thema Frieden noch deutlich mehr gewünscht hätten als ich. Jens Zöllner | BSW
Er selbst ist zufrieden mit dem Koalitionsvertrag und wird diesem zustimmen. "Ich finde, das BSW hat sehr viele der Inhalte unseres Wahlprogramms im Koalitionsvertrag positionieren können." Insbesondere fürs Handwerk könnten die Vorhaben der drei Parteien viel Gutes bewirken. Über die Meisterausbildung, die künftig kostenlos werden soll, sagt er: "Ich habe die große Hoffnung, dass damit die Zahl der Meisterschüler wieder zunimmt und ein neuer Gründergeist entsteht."
BSW im Kreis Gotha steht zum Koalitionsvertrag
Zustimmung komme auch aus dem Landkreis Gotha, verrät die BSW-Kreistags- und Stadtratsabgeordnete Vera Fitzke. Am Montag habe es in Gotha eine BSW-Mitgliederversammlung zum Koalitionsvertrag gegeben. Rund 20 Parteimitglieder und aktive Unterstützer des BSW waren gekommen und stellten Fragen zum Koalitionsvertrag direkt an den Co-Landeschef Steffen Schütz, erzählt Fitzke. "Wir haben dann für uns eine Abstimmung gemacht, damit ich weiß, wie unsere Unterstützer darüber denken. Es gab mit Ausnahme einer Enthaltung nur Zustimmung."
Frieden ist für alles die Grundlage, aber wenn ich auch andere Themen habe und was im Land bewegen kann, dann ist es gut, dass man über die anderen Sachen spricht und sich nicht nur am Thema Frieden festmacht. Vera Fitzke | BSW-Mitglied des Gothaer Kreistages und des Gothaer Stadtrates
Doch auch Fitzke spiegelt, dass das BSW beim Thema Frieden durchaus gespalten ist: "Es gibt Leute im BSW, die sich nur am Thema Frieden orientiert haben. Wie gesagt, Frieden ist für alles die Grundlage, aber wenn ich auch andere Themen habe und was im Land bewegen kann, dann ist es gut, dass man über die anderen Sachen spricht und sich nicht nur am Thema Frieden festmacht." Insbesondere die Neuausrichtung in der Bildungspolitik findet Fitzke richtig und hofft, dass künftig auch die Kommunen finanziell besser ausgestattet werden.
Unterstützer im BSW weiter ohne Stimme
Dass die BSW-Mitglieder in Gotha die Unterstützergruppe in ihr Abstimmverhalten miteinbezieht, ist keine Selbstverständlichkeit. Noch immer fühlen sich viele Sympathisanten des BSW von der Parteiarbeit ausgeschlossen. Das berichtet Ralf Tonndorf, der in Bad Salzungen im November 2023 einen Unterstützerverein für das BSW gründete. "Das ist schon lustig. Als es die Partei noch gar nicht gab, haben wir den Verein gegründet. Heute darf ich Wahlkampf für das BSW machen, ich darf Plakate kleben und Infostände machen. Ich sitze für das BSW sogar im Kreistag des Wartburgkreises, aber ich darf nicht Mitglied werden."
Das ist schon lustig. Als es die Partei noch gar nicht gab, haben wir den Verein gegründet. Heute darf ich Wahlkampf für das BSW machen, ich darf Plakate kleben und Infostände machen. Ich sitze für das BSW sogar im Kreistag des Wartburgkreises, aber ich darf nicht Mitglied werden. Ralf Tonndorf | BSW-Unterstützer, der bisher nicht in die Partei eintreten durfte
Tonndorf hat schon vor Monaten einen Mitgliedsantrag gestellt. Weil das BSW aber ein streng reglementiertes Aufnahmeverfahren hat, das ein Vorschlagsrecht im Landes- und einen Entscheid im Bundesverband vorsieht, wartet er wie viele andere noch immer auf seine Aufnahme. Weil Tonndorf die Probleme im Aufnahmeverfahren vor allem dem Landesverband anlastet, ist er dem BSW und seiner Gründerin Sahra Wagenknecht weiterhin gewogen. Immer wieder tauscht er sich mit anderen Unterstützern zu Parteiinhalten aus: "Ich nehme wahr, dass sich viele ernsthafte Sorgen zum Thema Frieden machen. Kann man koalieren mit einer Partei, die, wenn sie könnte, schon morgen den Taurus einsetzen lassen würde? Sind drei Ministerposten das wert, auf Grundsätzlichkeit zu verzichten?"
Tonndorf selbst sagt zum Koalitionsvertrag: "Ich habe mich durch den Vertrag gequält. Mit dem ersten Entwurf (das Sondierungspapier, Anm. d. Red.) war nicht nur ich, sondern auch viele meiner Mitstreiter unzufrieden. Mit dem jetzt vorliegenden Exemplar kann ich leben." Immerhin gebe es erstmals in einer Landesvereinbarung ein Bekenntnis zum Frieden, sagt Tonndorf.
Fraktion rechnet mit Mehrheit bei Parteitag
Diesen Aspekt hebt auch BSW-Fraktionsmitglied Sven Küntzel hervor. "Ohne das BSW wäre es nie dazu gekommen, dass das Thema Frieden überhaupt in irgendeinem Koalitionsvertrag eines Landes Niederschlag gefunden hätte." Sicherlich werde es den ein oder anderen Unterstützer geben, für den das nicht genug sei. "Man darf aber nicht vergessen, dass es sich um ein Vertragswerk zwischen drei Partnern handelt." Nach der Kritik von Sahra Wagenknecht habe das BSW hier nachverhandelt und einen guten Kompromiss gefunden.
Überhaupt könne das BSW mit dem Koalitionsvertrag zufrieden sein, sagt der Landtagsabgeordneter. Küntzel habe selbst als ehemaliger Polizeibeamter beim Thema Innere Sicherheit mitverhandelt und Schwerpunkte des BSW unterbringen können. So sollen Polizisten künftig insgesamt besser ausgestattet werden und auch Taser einsetzen können. "Ein anderer Schwerpunkt des BSW war, dass wir die Stellen für Präventionsmaßnahmen von zwei auf vier erhöhen werden."
Küntzel glaubt, dass sich die Wogen nach dem parteiinternen Streit zwischen Wagenknecht und Wolf geglättet haben. "Es gab erfolgreiche Nachverhandlungen mit guten Ergebnissen. Ich gehe davon aus, dass wir geschlossen aus dem Parteitag herausgehen werden und uns an der Regierung beteiligen." Damit rechnet auch BSW-Landeschefin Katja Wolf. Am Freitag sagte sie dem MDR: "Man wird beim morgigen Parteitag keine DDR-Wahlergebnisse sehen, aber definitiv eine Mehrheit."
MDR (ask)