Clubhaus des Dartvereins "Factory Darts" in Apolda von außen.

Thüringen Apoldaer Dartverein offenbar mit Verbindungen in rechtsextreme Kreise

Stand: 23.12.2024 06:11 Uhr

Ein Dartverein in Apolda gerät in den Fokus einer MDR Investigativ- Recherche: Hinter der Fassade von "Factory Darts" versteckt sich offenbar ein Sammelbecken der rechtsextremen Szene. Nach MDR-Recherchen zeigen Mitglieder und Besucher einschlägige Gesten - und der Vereinsvorsitzende Jeffrey W. ist bestens in Neonazi-Strukturen vernetzt. Trotz der laut Satzung politischen Neutralität gibt es enge Verbindungen zu rechtsextremen Netzwerken in Apolda und Erfurt. Dient der Sport als Tarnung?

Von Jana Maier, MDR Investigativ

Das Clubhaus des Vereins "Factory Darts Apolda" befindet sich in der Stobraer Straße. Es ist äußerlich unscheinbar, mit verspiegelten Fenstern und Stickern versehen. Über dem Fenster rechts neben dem Eingang prangt der Namensschriftzug.

Im Mai 2022 eröffnete das Clubhaus. Im August 2023 wurde aus dem Dartclub ein eingetragener Verein.

Vereinsvorsitzender Jeffrey W. und die rechtsextreme Szene

Vorsitzender ist Jeffrey W.. Er und seine Partnerin betreiben das Tattoo-Studio "Loco-Artista" in Apolda. Beide sind bestens vernetzt in der dortigen Neonazi-Szene. Sie zählen Mitglieder der "Kameradschaft Thüringen", "Turonen" und "Garde 20" zu ihrem Freundeskreis: Neonazis und Rechtsextremisten, die im Drogengeschäft aktiv sind. Die Kontakte belegen unter anderem Fotos von Jeffrey W. und seiner Partnerin beim Rechtsrock-Festival "Rock für Deutschland".

Mehre Menschen stehen nebeneinander an einem Stand auf der Erfurter Tattoo-Convention im Jahr 2019

Jeffrey W. mit dem Turonen Marcel B. 2017 in einer Nazi Kneipe. Auf dem Schild im Hintergrund steht "Deutsches Schutzgebiet".

Das Tattoo-Studio "Loco Artista" hat sich auch durch Bekanntschaften mit anderen Tattoo-Studios wie "Bloodline Erfurt" und "Magoo Tattoo" hervorgetan. Diese Studios sind bekannt für das Angebot von Motiven mit rechtsextremer Symbolik und werden regelmäßig auf Veranstaltungen der rechtsextremen Szene präsentiert, wie Fotos auf Social Media belegen.

Zwei muskulöse Männer fotografieren sich in einem Fitnessstudio.

Besitzer des Magoo Tattoo Mario H. und Jeffrey W. beim Frühsport im Jahr 2019.

Jeffrey W.s Schwester und seine Partnerin arbeiteten auch als Model für den Apoldaer Neonazi-Versandhandel "Nordrausch". Besitzer ist Fabian K.. Auch der Versandhandel "Das Zeughaus" und der "Strike Back Shop" gehören ihm. Nach Recherchen des "Spiegel" war er ein mutmaßlicher Vertrauter des NSU-Helfers Ralf Wohlleben und bis 2012 am "Strike Back Shop" beteiligt.

Mehrere Männer liegen sich in den Armen in einer Kneipe. Im Hintergrund ein Blechschild mit der Aufschrift "Deutsches Schutzgebiet"

Besitzer des Magoo-Tattoo-Studios, Mario H., mit Jeffrey W. bei der Tattoo Convention 2019 in Erfurt. Mario H. trägt ein Shirt des Neonazi Labels 23.

Factory Darts: Sammelbecken der rechtsextremen Szene?

Neben Jeffrey W. haben auch andere Mitglieder des Dartvereins offensichtlich enge Kontakte zur rechtsextremen Szene. Fotos und Aussagen deuten darauf hin, dass der Verein von Personen besucht wird, die mit verfassungswidrigen Tätowierungen und einschlägigen Symbolen auftreten.

1: Eine Gruppe von drei Männern neben einem schwarz-weiß Bild mit der Aufschrift "Symphonie des Blutes"
Quelle: MDR/Rechercheportal Jena SHK
Rechte: Rechercheportal Jena SHK

2: Zwei muskulöse Männer fotografieren sich in einem Fitnessstudio.
Quelle: MDR/Facebook
Rechte: Facebook

3. Mehrere Männer liegen sich in den Armen in einer Kneipe. Im Hintergrund ein Blechschild mit der Aufschrift "Deutsches Schutzgebiet"
Quelle: MDR/Facebook
Rechte: Facebook

4: Mehre Menschen stehen nebeneinander an einem Stand auf der Erfurter Tattoo-Convention im Jahr 2019
Quelle: MDR/Facebook
Rechte: Facebook

5: Clubhaus des Dartvereins "Factory Darts" in Apolda von außen.
Quelle/Rechte: MDR/Jana Maier

6: Ein Gruppe von Männern posiert mit einer Urkunde in der Hand. Einer von ihnen zeigt mit seinen Fingern eine null und eine drei gleichzeitig.
Quelle: MDR/Instagram
Rechte: Instagram

7: Ein Mann zeigt mit seinen Fingern einen stilisierten Wolfsgruß
Quelle: MDR/Instagram

Benny M. aus Apolda (Mitte) ist Mitglied in der Rechtsrockband "Symphonie des Blutes", die im April 2023 im Kloster Veßra spielte.

Zu den regelmäßigen Besuchern des "Factory Darts"-Clubhauses zählen Benjamin M. und Dominik K. Beide haben nach ihren ersten Teilnahmen an rechtsextremen Demonstrationen ihren Weg in die Parteistrukturen des "Dritten Weg" gefunden, einer rechtsextremen und neonazistischen Kleinpartei, die sich als radikale Alternative zur einstigen NPD versteht.

Verein Mobit warnt vor Normalisierung rechter Ideologie

Wenn extrem Rechte in Sportvereinen aktiv seien, bestünden in der Regel zwei Gefahren, sagt Felix Steiner, Sprecher der Mobilen Beratung in Thüringen (Mobit).

Die Organisation berät und unterstützt Projekte in Thüringen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Verschwörungsideologien. "Grundsätzlich geht von allen Vereinen, in denen extrem rechte Aktivisten offensiv aktiv sind, die Gefahr aus, dass extrem rechte Ideologie normalisiert wird und Menschen, die bisher noch nichts mit der extrem rechten Szene zu tun haben, so Kontakte knüpfen und eben an die extrem rechte Szene herangeführt werden", sagt Steiner.

Grundsätzlich geht von allen Vereinen, in denen extrem rechte Aktivisten offensiv aktiv sind, die Gefahr aus, dass extrem rechte Ideologie normalisiert wird. Felix Steiner | Mobile Beratung in Thüringen (Mobit)

Politische Neutralität als Fassade?

Formal gibt die Satzung des Vereins vor, "politisch und konfessionell neutral" zu sein. Diese Position steht jedoch im Widerspruch zu den dokumentierten Aktivitäten und der Zusammensetzung des Vereins.

Auf öffentlichen Fotos von Vereinsaktivitäten zeigen Mitglieder mehrfach Handzeichen, die der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind. Dabei werden Daumen und Zeigefinger zu einem Kreis geformt, während die drei übrigen Finger abgespreizt bleiben. So liegt die Vermutung nahe, dass es sich um das rassistische Zeichen "White Power" handeln könnte.

Jeffrey W. wies die Vorwürfe gegenüber MDR Investigativ zurück: Das gezeigte Handzeichen sei kein Symbol für "White Power". Stattdessen erklärte er, die Geste solle die Zahl Fünf darstellen, die sich auf Apolda und die Postleitzahl 99510 beziehe.

Im Nachhinein fügte er seiner Antwort hinzu: "Und Sie wissen doch genau, dass das Zeichen 503 GmbH heißt!"

Ein Gruppe von Männern posiert mit einer Urkunde in der Hand.

Spiele mit Handzeichen: Dartspieler aus Apolda nach einem Turnier.

Hintergrund: "503 GmbH" und die "Saat des Bösen"

Der Hinweis von Jeffrey W. auf die Verbindung des Handzeichens zur "503 GmbH" ist interessant. Unter diesem Kürzel veröffentlichte die "Saat des Bösen" - oder auch kurz "SDB" - früher Rap-Musik. Die "Saat des Bösen" war als hochkriminelle, rechtsextremistische Gruppe bis etwa 2020 aktiv.

Mehrere Männer gründeten sie zwischen 2006 und 2009 in der Jugendstrafanstalt Ichtershausen. Die Gruppe war bekannt für ihr brutales und skrupelloses Vorgehen. 2020 wurden mehrere Mitglieder zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Vereinsvorsitzender betont: Verein ist unpolitisch

Jeffrey W. betonte, dass der Verein "Factory Darts" strikt unpolitisch sei: "Unser Verein ist unpolitisch und ausschließlich dem Dartsport verschrieben. Kleidung mit rechtsextremen oder linksextremen Symbolen ist bei uns verboten."

Er räumte jedoch ein, dass es schwierig sei, alle Gäste oder Freunde von Vereinsmitgliedern zu kontrollieren. Allerdings werde darauf geachtet, dass im Clubhaus keine extremistischen Ideologien vertreten würden. Als Beleg für die Offenheit des Vereins verwies Jeffrey W. darauf, dass ein "dunkelhäutiger Spieler Mitglied im Verein ist."

In seiner Antwort auf die Anfrage von MDR Investigativ, die er auch auf Instagram veröffentlichte, zeigte Jeffrey W. den Gruß der "Grauen Wölfe". Diese rechtsextreme türkische Organisation symbolisiert mit der Handgeste eines Wolfskopfs ihre islam-konservative Ideologie eines türkischen Reiches. Jeffrey W. ließ eine Anfrage dazu unbeantwortet.

Ein Mann zeigt mit seinen Fingern einen stilisierten Wolfsgruß

Auf seinem Instagram-Kanal postete Jeffrey W. dieses Foto, das er im Oktober 2024 erstmals veröffentlichte.

Verfassungsschutz sieht eher keine großen Aktivitäten der rechtsextremen Szene im Weimarer Land

Für den Thüringer Verfassungsschutz bilden Apolda und das Weimarer Land "weiterhin keinen Schwerpunkt rechtsextremistischer Betätigungen in Thüringen. Einzelne Akteure, an denen sich die übrige Szene orientiert, sind hier maßgebend", teilte die Behörde auf Anfrage mit. "Das rechtsextremistische Mitglieder- und Anhängerpotenzial bewegt sich insgesamt im unteren dreistelligen Bereich."

Mobit: Rechtsextreme Verbindungen in Sportvereinen stellen Gefahr dar

Nach Einschätzungen von Mobit stellt die Verbindung von Sportvereinen mit rechtsextremen Kreisen eine ernsthafte Gefahr für das gesellschaftliche Zusammenleben dar.

Laut Felix Steiner seien Symbole oft die ersten Anzeichen für extremistisches Klientel. "Sehe ich schon auf den Social-Media-Seiten der Vereine Menschen, die mit rechtsextremen Shirts oder Tätowierungen am Vereinsleben teilnehmen, ist dies meist ein erster Hinweis. Wenn man bereits aktiv am Vereinsleben teilnimmt, wird meist auch sehr schnell klar, ob Themen, die besonders von der extremen Rechten besetzt werden, hier eine zentrale Rolle bei Gesprächen spielen."

Sehe ich schon auf den Social-Media-Seiten der Vereine Menschen, die mit rechtsextremen Shirts oder Tätowierungen am Vereinsleben teilnehmen, ist dies meist ein erster Hinweis. Felix Steiner | Mobile Beratung in Thüringen (Mobit)

Thüringer Dart-Ligen halten sich mit Einschätzung zum Verein zurück

Der Dartverein "Factory Darts" aus Apolda nimmt aktiv am Spielbetrieb der privat organisierten Thüringer E-Dart-Ligen teil. Die erste Mannschaft spielt aktuell in der 1. Thüringer Dartliga (1. TDL) und belegt dort den ersten Tabellenplatz. Die zweite Mannschaft tritt in der Mittelthüringer Dartliga (MTDL) an.

Die Verantwortlichen der beiden Ligen ließen die Anfrage von MDR Investigativ unbeantwortet. Der Vorsitzende der Thüringer Spielstätten, der Mittelthüringer Dartliga in Erfurt, in denen Jeffrey W. Veranstaltungen besucht, sagt dazu: "Ich habe bei uns keine Rechten. Die zu uns kommen, die haben mit rechts nichts zu tun. Wir spielen alle zusammen Dart. Unsere Familien kennen sich, unsere Kinder spielen zusammen. Ich weiß nicht, was Sie meinen."

Anders positioniert sich der Vorstand des Thüringer Dartverbandes (TDV), der dem Landessportbund Thüringen angehört. Die Vorstands-Mitglieder betonen, dass jegliche Form von Extremismus mit den Prinzipien des Sports unvereinbar sei: "Als Prävention des Themas 'Rechtsextremismus' haben wir in unserer Satzung klare Werte/Grundsätze verankert, die jegliche Form des Extremismus einschließt. Diese Satzung und die darin eingeschlossenen Grundsätze erkennen die Mitgliedsvereine bei Aufnahme in den Dartverband an."

"Loco Artista" in Erfurt bestreitet Verbindungen
An den verspiegelten Fenstern des "Factory Darts"-Clubhauses sind auch kleinere Sticker mit dem Logo "Loco Artista Erfurt" aufgebracht, einem Tattoo-Studio mit Sitz in Apolda. Einen Ableger davon, so die neuen Besitzer, habe es auch in Erfurt gegeben. Das Apoldaer Studio verweist auf Instagram auf die Seite des Erfurter Studios. Davon haben die neuen Betreiber nach eigenen Angaben nichts gewusst. Das Studio in der Landeshauptstadt gehöre seit zwei Jahren nicht mehr Jeffrey W. und habe nichts mehr mit dem Apoldaer Studio zu tun. Es sei nun ein kleines Familienunternehmen. Es trage noch denselben Namen "Loco Artista" und ein neuer Name sei nächsten Sommer mit einem Umzug geplant. Jeffrey W. äußerte sich dazu nicht und auch die Besitzer des Erfurter Studios antworteten nicht auf weitere Nachfragen zum Kauf des Studios.

MDR (jm/jw)