Thüringen Bloß kein Streber sein: Sechs Thüringer Spitzen-Azubis in Berlin ausgezeichnet
Thüringen stellt in diesem Jahr 6 von 207 bundesweit besten Absolventen ihres Berufs - bei insgesamt rund 250.000 Absolventen. Gemessen an der Einwohnerzahl ist das überdurchschnittlich. Die besten Azubis sind Praktiker: die beste Industrie-Elektrikerin, Biologielaborantin, Prüftechnologe für Keramik, Verfahrensmechaniker für Glastechnik, Bau- und Landmaschinenmechatroniker und Gleisbauer. Zwei kommen aus Erfurt, drei aus Ostthüringen, eine aus Südthüringen.
Turmhoch sieht das gelbe Riesenfahrzeug in der Werkstatthalle in Mellingen aus. Knapp 30 Tonnen schwer und mehr als 30 Tonnen Zuladung sind möglich. Diesem hier fehlt die hintere Achse, deshalb kann er im Kiesabbau nördlich von Erfurt gerade nicht genutzt werden. "Das Differenzial ist kaputt", sagt Fabian Weyrich und klingt fast ein bisschen traurig. Mit seinem Kollegen Daniel Baumgärtner reinigt er gerade das Gehäuse. Die Teile nicht zu retten. In Frage kommt nur ein Austausch.
Den Kran justieren, während der andere schrauben muss. So viele Arme hat man einfach nicht. Fabian Weyrich | Bau- und Landmaschinenmechatroniker
Weyrich ist seit Sommer fertiger Bau- und Landmaschinenmechatroniker. Er arbeitet weiter in seinem Ausbildungsbetrieb bei der Bischoff GmbH und Co. KG in Mellingen. Hier werden ausschließlich riesige Volvo-Baumaschinen repariert. Bagger, Kipper oder Radlader. "Machen wir für ganz Thüringen und manchmal auch darüber hinaus", sagt Daniel Baumgärtner, der ein paar mehr Jahre Berufserfahrung hat als sein 21-jähriger Kollege.
Und längst nicht immer findet die Arbeit in der warmen Werkstatt statt. "Wenn eine Maschine in der Kiesgrube oder auf dem Bau kaputtgeht, geht es schneller, wenn wir vor Ort fahren", sagt er. Ehe ein Tieflader bestellt, bezahlt und vor Ort ist, kann die Zeit zu lang werden. Also müssen die Reparatur-Crews öfter nach draußen als sie drinnen bleiben können.
Mit seinem Kollegen Daniel Baumgärtner arbeitet Fabian Weyrich am Getriebe eines Dumpers der Marke Volvo. Weyrich ist in seinem Beruf mit seinen Prüfungsergebnissen bundesbester Auszubildender geworden.
In der Werkstatt geht's nicht ohne Team-Arbeit
Heute aber scheint die Sonne am Morgen warm durchs Werkstattfenster. Dass Fabian Weyrich bundesbester seines Fachs geworden ist, spüre man schon manchmal, sagt sein Kollege. "Man merkt, dass er geistig auf der Höhe ist." Und man spürt auch, dass der Senior seinem jungen Kollegen nicht ständig Kommandos gibt, sondern dass sie auf Augenhöhe arbeiten.
Jetzt stehen die beiden vor ein paar schweren Getriebeteilen, die von Hand kaum angehoben werden könnten, schon gar nicht von einer Person. "Viele Arbeiten hier kannst du nicht alleine machen", sagt Baumgärtner. Und Weyrich ergänzt: "Den Kran justieren, während der andere schrauben muss. So viele Arme hat man einfach nicht." Allein arbeiten, das wäre hier sogar gefährlich.
Wenn ich bei einem Schritt mit dem Kopf woanders bin und ich habe hier 20 Schrauben rundherum, die ich anziehen muss und vergesse eine, das kann schlimme Folgen haben. Fabian Weyrich | Bau- und Landmaschinenmechatroniker
Die ölverschmierten Arme und Hände, die Latzhose - das ist ein Kontrastprogramm zu Hemd und Sakko, das der junge Mechatroniker am Montagabend in Berlin bei der Feier für die bundesbesten Azubis trägt. Einen Tag frei hat er dafür bekommen. Die Festrede hält Robert Habeck, der Bundeswirtschaftsminister von den Grünen. Gruppenfoto, Schulterklopfen. Sichtbar nicht unbedingt die Welt für viele der besonders guten Ausgelernten. Aber doch eine Auszeichnung.
Weyrich beobachtet auch, dass ihn manche Kollegen deswegen aufziehen. "Damit kann ich aber leben. Es wird sich hoffentlich auch ein bisschen setzen", sagt er und lacht. Stolz sei er aber schon. "Ich freue mich auch. Und ich bin dankbar, dass es so geklappt hat. Aber mein Ziel war das nie." Niemand gehe doch in eine Prüfung oder Ausbildung mit dem Ziel, der bundesweit beste in seinem Fach zu werden. Nein, ein Streber sei er ganz sicher nicht.
Schon als Kind sind die großen Maschinen ein Traum
Für ihn ist wichtig, dass er schon als Kind an die großen Maschinen ranwollte. "Und ich habe dieses Interesse nie verloren wie vielleicht andere in der Pubertät." Weyrich steht auf, während sein Kollege die neue Getriebeteile am Kran heranschweben lässt. Einen Moment später versinkt das eben noch frisch lackierte Teil in der Achskonstruktion. Der junge Mann ist direkt mit dem Akkuschrauber parat. Anschließend müssen alle Schrauben über Kreuz festgezogen werden.
"310 Newtonmeter", sagt er. Herstellervorgabe für den Drehmomentschlüssel, der mehr als einen Meter lang ist. "Wenn ich bei einem Schritt mit dem Kopf woanders bin und ich habe hier 20 Schrauben rundherum, die ich anziehen muss und vergesse eine, das kann schlimme Folgen haben." Dann könnte es sein, dass die mehrere zehntausend Euro teure Reparatur samt Ersatzteil wiederholt werden müssen. Also bei der Sache bleiben. Immer.
Für die Industrie- und Handelskammer Erfurt sind Auszeichnungen wie diese ein wichtiges Signal. Für Unternehmen wie auch für Auszubildenden selber. "Die herausragenden Leistungen zeigen eindrucksvoll, welches Potenzial in der dualen Ausbildung steckt", sagt Thomas Fahlbusch, Abteilungsleiter Aus- und Weiterbildung der IHK Erfurt. Mitgemeint sind da natürlich auch die Betriebe, welche die jungen Spitzenkräfte ausgebildet haben.
MDR (flog/cfr)