
Schleswig-Holstein Viel Frust: Ehrenamtliche Bürgermeister geben auf
Zuletzt traten sechs Bürgermeister und Bürgermeisterinnen in den Kreisen Segeberg und Plön zurück. Laut Gemeindetag SH wird es immer schwieriger, Nachfolger zu finden - auch Anfeindungen haben zugenommen.
"Ende des Jahres ist eindeutig Schluss", sagt Bürgermeister Ernst Hansen (AFWS) aus Stakendorf (Kreis Plön). Seit mehr als elf Jahren ist er ehrenamtlicher Bürgermeister. Er sei angetreten, um etwas in der Gemeinde zu bewegen, doch das werde immer schwieriger.
Vieles habe sich in den vergangen Jahren verändert. Besonders "die Bürokratie ist der Hammer", sagt Hansen. Etwa 450 Stunden hat er im vergangenen Jahr in sein Ehrenamt investiert. Er selbst ist Rentner.

Für Ernst Hansen ist Ende des Jahres Schluss. Einen Nachfolger fürs Ehrenamt gibt es derzeit noch nicht.
Immer weniger wollen Amt übernehmen
In vielen Fällen sei es nur noch Rentnern, Selbständigen oder Freiberuflern möglich, das Amt auszufüllen, sagt Jörg Bülow vom Schleswig-Holsteinischen Gemeindetag. Er sehe diese Entwicklung mit Sorge. Etwas mehr als 1.000 ehrenamtliche Bürgermeister gibt es im Land. Bisher war es immer möglich, alle Posten zu besetzen, doch die Suche nach Nachfolgern werde zunehmend schwieriger. Das zeigte sich schon bei der Kommunalwahl 2023. Doch nun seien schon einige von denen, die vor zwei Jahren gewählt wurden, zurückgetreten. Dass immer mehr ehrenamtliche Bürgermeister im Land unzufrieden sind, deckt sich mit den Ergebnissen der Studie der Körber-Stiftung. Rund die Hälfte der Befragten Ehrenamtler sehen ihre Belastungsgrenze erreicht.
Freiwillige händeringend gesucht
"Früher gab es immer jemanden, der gesagt hat: Ich mache es", sagt Amtsdirektor Sönke Körber. Heute sei das überhaupt keine Selbstverständlichkeit mehr. Jedem sei klar, dass der Aufwand und die Anforderungen an das Amt nicht einfach seien, so Körber. So suche man gerade in der Gemeinde Köhn (Kreis Plön) einen Nachfolger. Etwa vier Monate habe man dafür noch Zeit, danach schalte sich die Kommunalaufsicht ein.
Wachsende Bürokratie: Projekte bleiben stecken
Die Bürgermeister tragen Verantwortung, wollen Infrastruktur und das Leben in den Gemeinden entwickeln, doch die bürokratischen Hindernisse sorgen immer mehr für Frust, erklärt Jörg Bülow. Die Verfahren dauern zu lang und es gäbe zu viele Hürden. Ernst Hansen kann das nur bestätigen. Der Bau eines Radweges ist schon seit Jahrzehnten ein Thema. In den 1970er-Jahren wurde ein Teilstück von 800 Metern gebaut, bis heute fehlen die restlichen acht Kilometer.
Auch möchte die Gemeinde in Stakendorf Wohnraum schaffen. Die Nachfrage junger Familie sei da, seit Jahren beschäftigt sich die Gemeinde damit. 14 Häuser mitten in Stakendorf sollen entstehen. Erst waren die Planungen nicht mit EU-Richtlinien vereinbar, es wurde umgeplant. Doch nun erlaube der Landesentwicklungsplan nur noch den Bau von zwei Häusern, führt Hansen aus. Vieles sei einfach nicht mehr zu erklären, da gehe der Spaß am Amt einfach verloren, so der Ehrenamtler.

Auf diesen Grundstück sollen eigentlich 14 Einfamilienhäuser entstehen. Der Landesentwicklungsplan erlaubt derzeit zwei.
Auch Anfeindungen nehmen zu
Doch nicht nur die Bürokratie, auch die Anfeindungen nehmen zu. Die Diskussionskultur innerhalb der Kommunal-Politik und auch zwischen den Bürgern und der Kommunalpolitik habe sich verschlechtert, so der Gemeindetag. Beschimpfungen und Beleidigungen nehmen zu. Sönke Körber hat das Gefühl, dass die ehrenamtlichen Bürgermeister heute alles regeln müssen, obwohl manchmal schon klar sei, dass sie das gar nicht können. "Früher genossen die Bürgermeister wirklich Respekt und man kam erst auf sie zu, wenn es um riesige Probleme ging." Heute sei das anders. Social-Media und E-Mails machen es leichter.
Was muss sich ändern?
Für die Bürgermeister vor Ort brauche es wieder mehr Entscheidungsfreiheit. Die enormen bürokratischen Hürden gehören abgebaut, so die Forderung des Gemeindetags. Auch die Entschädigung für die ehrenamtlichen Bürgermeister sei zu niedrig. Je nach Einwohnerzahl werde sie gezahlt. Im Vergleich zu anderen Bundesländern läge Schleswig Holstein da weit zurück. Wobei Geld in keinem Fall die Lösung sei. "Es ist ein Ehrenamt und soll es auch bleiben", so Bülow.
Für Ernst Hansen steht fest, er werde Schluss machen mit dem Amt. Ob sich ein Nachfolger findet? Wünschen würde er es sich. Doch sicher ist es derzeit nicht.
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Schleswig-Holstein Magazin | 14.03.2025 | 19:30 Uhr