Übermüdeter Schüler

Schleswig-Holstein Bildungssystem am Anschlag - Wie reagiert SH auf den Bildungsbericht?

Stand: 17.06.2024 17:22 Uhr

Alle zwei Jahre wird der Nationale Bildungsbericht erstellt. Die Probleme, die im aktuellen Bericht aufgezeigt werden, kommen für Expertinnen und Experten auch in Schleswig-Holstein nicht überraschend.

Das deutsche Bildungssystem "arbeitet am Anschlag". So steht es im aktuellen Bildungsbericht. Dieser gibt einen Überblick über den Zustand und die Probleme des deutschen Bildungssystems vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung. Das Fazit ist ernüchternd: Personalmangel, zu wenig Geld und soziale Ungleichheit.

Prien: "Integrationskurse reichen nicht"

Für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Schleswig-Holstein sind die Erkenntnisse des Nationalen Bildungsberichts wenig überraschend. Lange sei bekannt, dass Kinder aus bildungsfernen Familien schlechtere Chancen hätten und das größte Risiko für geringe Bildungsmöglichkeiten bei Kindern von Alleinerziehenden und Kinder von Eltern, die erst im Erwachsenenalter nach Deutschland zugewandert sind, liegen.

Geschäftsführer der GEW in Schleswig-Holstein, Bernd Schauer, sagt "Wir sprechen von Fachkräftemangel und bilden die jungen Leute nicht aus, das passt nicht zusammen". Bildungsministerin Karin Prien (CDU) sagte, dass eine zentrale Erkenntnis des Bildungsberichts sei, dass ein stärkerer Fokus auf junge Erwachsene mit Fluchthintergrund gelegt werden müsse:

Wenn Kinder im Kindergartenalter nach Deutschland kommen, gelingt es uns schon recht gut, sie so in unserem Bildungssystem aufzunehmen, dass sie gute Chancen auf eine erfolgreiche Bildungslaufbahn haben. Wenn ältere Jugendliche und junge Erwachsene kommen, haben wir uns in Deutschland zu lange etwas vorgemacht. Integrationskurse alleine reichen nicht."
— Bildungsministerin Karin Prien (CDU)

Bernd Schauer der GEW hält dagegen, sagt: "Ein Viertel der Schüler und Schülerinnen können nach der Grundschule nicht lesen, schreiben und rechnen können, das sind Alarmzeichen, die wir unbedingt angehen müssen."

Bildungsministerin sieht Bund und Unternehmen in der Verantwortung

Den Ländern fehlten schlicht die Ressourcen, um diese große Integrationsaufgabe zu stemmen, so Ministerin Prien. Sie sieht daher Bund und Unternehmen für die Finanzierung mit in der Verantwortung, die ja dringend auf gut ausgebildete Arbeits- und Fachkräfte angewiesen sind. "Die Frage, wie wir diese jungen Erwachsenen in Deutschland integrieren ist eine der Schicksalsfragen für den Erhalt des Wohlstands und des sozialen Friedens in unserer Gesellschaft", so Prien.

Besetzungs- und Versorgungsprobleme in vielen Berufsgruppen

Besonders selten beginnen junge Menschen eine Ausbildung im Gesundheits- und Erziehungsbereich in Schleswig-Holstein. Besser sieht es in kaufmännischen, naturwissenschaftlichen, technischen und Medien- sowie Kommunikationsberufen aus. So kommt es laut Bericht es zu Besetzungs- und Versorgungslücken, die in SH überdurchschnittlich hoch seien. In Kindertagesstätten werde in Westdeutschland eine bis 2035 anhaltende Personallücke erwartet.

Viele Seiteneinsteiger an Schulen

An Schulen seien im vergangenen Jahr zwölf Prozent der neu eingestellten Lehrkräfte Seiteneinsteiger ohne klassische Lehramtsausbildung gewesen. "In den Schulen in Schleswig-Holstein arbeiten circa 3.000 Personen ohne eine abgeschlossene Lehramtsausbildung", sagt Bernd Schauer der GEW. Das wirke sich negativ auf die Kinder und Jugendliche aus, da in der Regel ausgebildete Lehrkräfte besser unterrichten würden.

Deswegen müssten Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger besser ausgebildet werden, denn ohne sie ginge es momentan durch den bestehenden Fachkräftemangel nicht. 7,4 Prozent der Schülerinnen und Schüler verlassen laut Bericht die Schule ohne Abschluss, das seien 2.000 Jugendliche pro Jahr, so Bernd Schauer.

Schulabschluss der Eltern noch immer wegweisend

Ein besonders schlechtes Zeugnis stellt die GEW SH hinsichtlich einer Chancengleich aus, hier gäbe es eine besonders große Spaltung. Haben die Eltern kein Abitur, besuchen wesentlich weniger Kinder ein Gymnasium, anders als bei Eltern mit Abitur. Das sei ein krasses gesellschaftliches Problem. "Mir kann niemand sagen, dass die Begabung eines Kindes am Abitur der Eltern hängt", sagt Bernd Schauer.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 17.06.2024 | 16:00 Uhr