
Schleswig-Holstein Northvolt: Batteriehersteller beantragt Insolvenz in Schweden
Der Batteriehersteller Northvolt hat in Schweden am Mittwoch einen Insolvenzantrag gestellt. Bei Heide gehen die Arbeiten für eine neue Fabrik laut deutscher Tochterfirma unterdessen weiter.
Northvolt geht das Geld aus. Dem Unternehmen ist es nach eigenen Angaben nicht gelungen, die "notwendigen finanziellen Voraussetzungen für eine Fortführung des Unternehmens in seiner jetzigen Form" zu schaffen. Verhandlungen mit interessierten Investoren habe das Unternehmen nicht rechtzeitig abschließen können. Deshalb sei die Insolvenz "die einzige verfügbare Lösung". Das Unternehmen begründet diesen Schritt mit diversen Herausforderungen in den vergangenen Monaten. "Dazu gehörten steigende Kapitalkosten, die geopolitische Instabilität, daraus resultierende Lieferkettenunterbrechungen und Veränderungen der Marktnachfrage", heißt es in einer Mitteilung. "Vor diesem Hintergrund stand das Unternehmen beim Hochfahren der Produktion vor erheblichen internen Herausforderungen." Der Schritt umfasst demnach alle schwedischen Einheiten, nicht aber die deutschen und amerikanischen Tochtergesellschaften.
Was bedeutet die Insolvenz für Schleswig-Holstein?
Northvolt Deutschland und Northvolt Nordamerika haben keinen Insolvenzantrag angemeldet. Es handelt sich allerdings um hundertprozentige Tochtergesellschaften der insolventen Northvolt AB in Schweden. "Alle Entscheidungen bezüglich dieser Unternehmen werden vom gerichtlich bestellten Treuhänder der Northvolt AB in Absprache mit den Kreditgebern des Konzerns zu gegebener Zeit getroffen", teilt Northvolt in Schweden mit. Die deutsche Tochterfirma will den Betrieb hierzulande nach eigenen Angaben fortsetzen. Bei Heide (Kreis Dithmarschen) entsteht derzeit eine Gigafactory. "Die Northvolt Drei Project GmbH ist als eigenständige GmbH nicht Teil des Insolvenzantrags und steht in Kontakt mit dem nun eingesetzten Verwalter für Northvolt AB in Schweden", heißt es von der deutschen Tochterfirma.
Northvolt: Am Werk bei Heide wird weiter gebaut
Eine Northvolt-Sprecherin erklärt auf Nachfrage, dass die Arbeiten in Heide weiter laufen. In den nächsten Wochen gehen demnach die Gründungsarbeiten weiter - die Arbeiten also, die notwendig sind, damit die Fabrik auf dem Grund und Boden gebaut werden kann. Die 110 Hektar große Fläche werde eingezäunt. Und: Auf dem Sichtschutzwall im Norden und Osten geht laut Sprecherin auch die Bepflanzung weiter. Über 20.000 Bäumen und Sträuchern sollen dort am Ende stehen. Außerdem würden zurzeit Tiefbauarbeiten zur Verlegung der Mittelspannungskabeltrasse vom Northvolt-Gelände zum Umspannwerk in der Nähe ausgeführt.
Offenbar wurden bisher alle Rechnungen bezahlt
Etliche Unternehmen führen dementsprechend weiter ihre Aufträge auf dem Gelände bei Heide aus. Michael Schrader, Kreishandwerksmeister aus Dithmarschen, erklärt, ihm sei bisher nicht bekannt, dass irgendeine Rechnung nicht bezahlt worden sei. Und die Industrie- und Handelskammer Dithmarschen sieht aktuell auch keine Gefahr für die örtlichen Unternehmen, die an dem Werk arbeiten. Für die Arbeiten stehe das Geld aus der 600-Millionen- Euro-Wandelanleihe zur Verfügung. Die Förderbank KfW hatte das Geld im Auftrag des Bundes ausgezahlt, Bund und Land haben zu gleichen Teilen dafür gebürgt. Und dieser Kredit darf nur für den Standort Deutschland ausgegeben werden.
Sanierungsverfahren in den USA: Northvolt kämpft mit Schulden in Milliardenhöhe
Wie die Wirtschaftszeitung "Dagens Industri" (DI) bereits am Dienstagabend berichtete, könnte in Schweden nun ein Verkaufsprozess folgen, bei dem der Konkursverwalter die Vermögenswerte am Stammwerk in Skellefteå an verschiedene Interessenten veräußern könnte - je nachdem, wer am meisten bietet. Eine vom schwedischen Gericht bestellte Insolvenzverwaltung hat die Kontrolle übernommen, Mittwoch ist Mikael Kubu aus Stockholm zum Insolvenzverwalter benannt worden.
Northvolt hatte bereits in den vergangenen Monaten versucht, einen neuen Investor zu finden. Dazu läuft seit Ende November ein Sanierungsverfahren an einem US-Insolvenzgericht. Beim sogenannten Chapter-11-Verfahren haben Firmen in der Krise die Möglichkeit, ihre Finanzen neu zu ordnen und das Unternehmen im besten Fall zu retten. Laut Gerichtsakten geht es insgesamt um Verbindlichkeiten in Höhe von etwa neun Milliarden US-Dollar. Teil der Verhandlungsmasse ist auch die deutsche Wandelanleihe in Höhe von 600 Millionen Euro.
Northvolt-Anwalt: Steuerzahlung gab den Ausschlag
Der Anwalt von Northvolt in den USA informierte am Mittwoch den Insolvenzrichter in Houston über das Insolvenzverfahren in Schweden, das nun zunächst parallel laufen wird. Nach seiner Darstellung habe sich die Insolvenz in Schweden erst in den vergangenen Tagen abgezeichnet. Demnach sei keiner der Interessenten in der Lage gewesen, die notwendigen Investitionen in so kurzer Zeit zu tätigen. Konkreter Auslöser soll eine obligatorische monatliche Steuerzahlung gewesen sein. Eine Vertreterin der Gläubiger zeigte sich bei der Anhörung in den USA besorgt über das Verfahren in Schweden und fürchtet, weniger Einfluss nehmen zu können. Auch für die Juristen scheint das doppelte Insolvenz-Verfahren eine Besonderheit zu sein. Laut Northvolt-Anwalt muss der schwedische Insolvenzverwalter nun über die nächsten Schritte entscheiden und zum Beispiel die Beendigung des Chapter-11-Verfahrens in den USA beantragen.

"Northvolt Ett" - also die "Nummer eins" der Northvolt-Fabriken - liegt in der Stadt Skellefteå, 800 Kilometer nördlich von Stockholm.
VW-Tochter Scania mittlerweile unabhängig von Northvolt
Zu Beginn des Sanierungsverfahrens in den USA hatte der schwedische Nutzfahrzeuge-Hersteller Scania Northvolt finanziell gestützt. Scania gehört zum deutschen Volkswagen-Konzern und bezieht von Northvolt Akkus für E-Lastwagen. Wie der Sender SVT berichtet, sei Scania aktuell nicht mehr von Northvolt abhängig. "Wir haben mehr Batterien erhalten, als wir benötigen, und einen Vorrat angelegt und zukünftige Lieferungen auch bei einem anderen Hersteller gesichert", zitiert SVT einen Scania-Sprecher.
Warum ist Northvolt gescheitert?
Für den Bezirksleiter der IG Metall Küste, Daniel Friedrich, gibt es für die Probleme bei Northvolt zwei Gründe: Zum einen habe man zu früh zu viel gewollt. "Und man hat technologisch das nicht so erfüllen können, wie man sich das selber vorgenommen hat." Zum anderen habe sich in der Vergangenheit aber auch die Stimmung in Deutschland eher gegen E-Mobilität gerichtet.
Das bestätigen auch Wirtschaftsexperten: Die Nachfrage nach E-Autos ist eingebrochen, Preise sanken, aus China gab es ein Überangebot. "Generell hat sich die ursprüngliche Euphorie bei den Batterieinvestitionen etwas abgekühlt", sagt der Geschäftsführer des ZVEI-Fachverbands Batterien, Gunther Kellermann. In Deutschland habe dazu unter anderem das Ende der E-Auto-Förderung beigetragen. Die Insolvenz von Northvolt Schweden sei ein herber Rückschlag für das Ziel einer autonomen europäischen Batteriefertigung, so Gewerkschafter Friedrich.
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NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 13.03.2025 | 19:30 Uhr