Holger Pakendorf und zwei Medaillen aus Peking 2008.

Sachsen-Anhalt "Mein Olympia": Wie zwei Magdeburger 2008 überraschend olympisches Gold gewannen

Stand: 25.07.2024 19:00 Uhr

Am 26. Juli beginnt mit den Olympischen Spielen in Paris das größte Sportereignis des Jahres. In den Wochen vor den Spielen blickt MDR SACHSEN-ANHALT auf besondere Olympia-Geschichten. In der dritten Folge schauen wir auf das Jahr 2008 und die unglaubliche Geschichte von Conny Waßmuth und Andreas Ihle, die Goldmedaillen gewannen, mit denen man nicht rechnen konnte.

Von Holger Pakendorf, MDR SACHSEN-ANHALT

Auch in Paris wird wieder gekämpft um Gold, Silber und Bronze und jede dieser Medaillen hat eine ganz eigene Geschichte. So leicht es manchmal wirkt, wenn Edelmetall erkämpft wird, so lang und beschwerlich ist der Weg genau dorthin. Tausende Trainingsstunden, tausende Trainingskilometer investieren die Sportlerinnen und Sportler, um sich diesen Medaillentraum zu erfüllen. Bis dahin sind dann ganz sicher zahlreiche Tränen schon vorher vergossen wurden, in den Momenten, in denen es nicht lief, in denen alles verloren schien, Wettkämpfe missglückten.

Jede Menge Hilfe und Unterstützung gibt es immer aus dem Umfeld, ob von Eltern und Freunden oder natürlich auch Trainerinnen und Trainern, Physiotherapeuten oder Ärzten. An jeder Olympiamedaille haben viele Personen einen Anteil, auch wenn sie am Ende immer nur eine Sportlerin oder ein Sportler oder eine Mannschaft erkämpfen kann. Und mit manchen Medaillen war selbst zum Olympiastart nicht unbedingt zu rechnen.

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Training auf der ganzen Welt

Genauso war es zum Beispiel im Jahr 2008 für die beiden Kanurennsportler Conny Waßmuth und Andreas Ihle vom SC Magdeburg. Es war ein Jahr voller Höhepunkte und Tiefschläge für die beiden, die Ende des Jahres 2008 zu Sachsen-Anhalts Sportlern des Jahres gewählt wurden. Für die Olympiateilnahme hatten sie alles getan. In der ganzen Welt wurde an der Form gearbeitet. Im Winter in den Bergen um St. Moritz in der Schweiz wurde auf Ski an der Ausdauer gearbeitet. In Trainingslagern in den USA unweit von Los Angeles und in Spanien wurden hunderte Kilometer auf dem Wasser zurückgelegt, um in Form zu sein für die Olympiaqualifikationen.

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Wer im Kanurennsport in die Nationalmannschaft möchte, muss sich jedes Jahr aufs Neue in zwei nationalen Qualifikationen durchsetzen und mit einer sehr guten Einerleistung glänzen. Conny und Andreas überstanden die Qualifikationen ganz gut und schafften es erst einmal ins Nationalteam. Conny wurde sogar Europameisterin im Frauenvierer. Doch drei Monate vor Olympia der Schock. Die Europameisterin wurde aus dem Vierer herausgenommen, die Trainer schätzten eine andere Sportlerin noch stärker ein. Bei Olympia dabei zu sein – für Conny bestand jetzt nur noch die Chance als Ersatzfrau.

Auch für Andreas Ihle war gut sieben Wochen vor Olympia die Olympiateilnahme unklar. Weil sein Zweierpartner erkrankte, musste Ersatz her und so ein neuformiertes Boot braucht eigentlich etwas Zeit, um sich einzufahren, damit Schlag und Rhythmus im Boot gut funktionieren.

Holger Pakendorf mit Conny Waßmuth und Andreas Ihle

MDR-Redakteur Holger Pakendorf (links) mit Conny Waßmuth und Andreas Ihle

Showdown vor Peking

In einem Ausscheidungsrennen im olympischen Trainingszentrum Kienbaum kam es zum Showdown. Andreas Ihle musste mit seinem neuen Partner Martin Hollstein aus Neubrandenburg gegen ein zweites deutsches Boot um das Olympiaticket paddeln. Sie ließen am Ende das Konkurrenzboot hinter sich und erpaddelten sich den Olympiastart im letzten Moment.

Auch Conny Waßmuth musste einen Ausscheid fahren. Das Ziel: Olympia wenigstens als Ersatzfrau in Peking erleben zu können. Auch dies glückte. Während Andreas mit seinem Zweierpartner dann erprobte, wie man das neue Boot zu gut wie möglich ins Laufen bringen könnte, trainierte Conny weiter, um für einen möglichen Einsatz gut vorbereitet zu sein.

Dann nahm der Wahnsinn in China seinen Lauf. Im Finale über 1.000 Meter im Zweierkajak schafften es Andreas Ihle und Martin Hollstein bis in das Finale und hatten dort nach 500 Metern gute Aussichten, eine Medaille zu erkämpfen. Aber dann gab Andreas ein Endspurtkommando und beide fuhren los. Unwiderstehlich überholten sie die führenden Ungarn und siegten am Ende mit über einer Bootlänge Vorsprung.

Dass wir das im Finale mit der Goldmedaille krönen, war weit weg von allen Vorstellungen, die man da hatte. Andreas Ihle | Olympiasieger 2008

Damals wurde kommentiert, dass sie schon vor dem Ziel aufhören konnten, aufgrund ihres Vorsprungs. Jetzt aber berichtete Andreas Ihle, dass sie gar nicht wegen der Sicherheit dieses Vorsprungs aufhörten zu paddeln, sondern Andreas sich richtig in einen Tunnel gefahren hatte. Das ist der Punkt, in dem man als Sportler nur noch funktioniert und automatisiert seine Wettkampfbewegungen ausführt. Man nimmt nichts mehr um sich herum wahr.

So war es bei Andreas, der erschrocken vor dem Ziel kein anderes Boot mehr sah und deswegen das Paddel schon vor der Ziellinie kurz aufs Wasser legt. Das Boot rutschte weiter und der Sieg war am Ende ungefährdet. Dass dies so laufen könnte, hatte sich beide bestenfalls erhofft. Doch nun waren sie Olympiasieger. "Dass wir das im Finale mit der Goldmedaille krönen, war weit weg von allen Vorstellungen, die man da hatte", sagte Andreas Ihle.

Bei den ersten Startübungen hatte ich noch ein paar Startschwierigkeiten, weil die Position für mich ungewohnt war. Conny Waßmuth | Olympiasiegerin 2008

Conny Waßmuth hingegen hatte für ihre olympische Reise schon einen kleinen Urlaubsplan erstellt, was sie sich als Ersatzfrau in China vielleicht alles anschauen könnte. Doch dann sorgte eine Virusinfektion bei Viererfrau Carolin Leonhardt für einen Ausfall. Conny rutschte kurzfristig in das Olympiaboot. Nicht auf ihre angestammte Position zwei, auf der sie sonst immer im Vierer saß, sondern nun war Position vier, ganz hinten im Boot, ihr Platz in Peking.

"Bei den ersten Startübungen hatte ich noch ein paar Startschwierigkeiten, weil die Position für mich ungewohnt war. Aber die anderen Mädels haben mir Mut gemacht und dann hat es auch schon im Vorlauf gut geklappt", erinnert sich Conny Waßmuth.

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Tränen nach dem Sieg

Im Finale legte dann der Frauenviererkajak über die 500 Meter ein perfektes Rennen hin. Auf der Bahn fünf in der Mitte des Feldes legte das Quartett nicht nur einen perfekten Start hin, sondern überzeugte mit einem Start-Ziel-Sieg. Tränen flossen dann bei Conny Waßmuth. Von der Ersatzfrau zur Olympiasiegerin. Ein unglaubliches Ende dieses ganz besonderen Sportjahres. Conny Waßmuth – die erste und bisher einzige Kanurennsport-Olympiasiegerin des SC Magdeburg.

Olympische Spiele, das ist die Zeit von außergewöhnlichen Sportgeschichten, von Dingen, die man selbst kaum für möglich gehalten hätte. Es ist die Zeit, in der Träume wahr werden können, wenn kann ganz fest daran arbeitet und wirklich daran glaubt, dass ein Traum auch in Erfüllung gehen kann.

MDR (Holger Pakendorf, Lucas Riemer)