Blick über die Dächer von Halberstadt.

Sachsen-Anhalt Halberstadt droht Millionen-Minus durch Zensus

Stand: 28.10.2024 13:48 Uhr

Zwei Jahre nach der Volkszählung werden nach und nach die genauen Auswirkungen für die Gemeinden klar – denn für sie geht es um Geld. Die Stadt Halberstadt hat berechnet, dass durch den für sie ermittelten Bevölkerungsschwund jährlich knapp zwei Millionen Euro in der Kasse fehlen werden. Oberbürgermeister Daniel Szarata (CDU) kritisiert dies und will sich mit anderen Städten absprechen.

Von MDR SACHSEN-ANHAL

Halberstadt im Landkreis Harz rechnet nach der Volkszählung mit deutlich weniger Geld in der Stadtkasse. Oberbürgermeister Daniel Szarata (CDU) sagte MDR SACHSEN-ANHALT, es gehe um knapp 2 Millionen Euro jährlich.

Jeder Einwohner bringt der Stadt Geld. Wenn da 3.000 Einwohner fehlen, ist man gleich mit einem Millionenbetrag dabei. Daniel Szarata (CDU), Oberbürgermeister Halberstadts |

Stadt sieht Hochrechnung kritisch

Den Statistik-Zahlen nach sollen in Halberstadt nicht mehr rund 40.000, sondern etwa 37 000 Menschen leben. Szarata kritisiert das im vergangenen Sommer veröffentliche Ergebnis der Volkszählung. Er sagte MDR SACHSEN-ANHALT, es sei eine Hochrechnung, die über verschickte Briefe und Umfragen entstanden sei und das sei auch in anderen Städten in Sachsen-Anhalt schwer nach hinten losgegangen.

Um zu besprechen, was getan werden kann, steht Szarata nach eigenen Angaben mit ebenfalls betroffenen Städten wie Halle, Köthen, Weißenfels und Merseburg in Kontakt. Die Saalestadt Halle etwa hatte eine eigene Aktion gestartet und Briefe verschickt, um selber noch einmal nachzuzählen. Auch die Stadt Burg zweifelt die Zensus-Ergenisse an.

Ein Mann mit Anzug lächelt in die Kamera

Oberbürgermeister Szarata (CDU) überlegt noch, ob und wie er gegen die Zensus-Zahlen für Halberstadt vorgehen kann.

Wie wurde die Einwohnerzahl beim Zensus ermittelt?

Der Zensus 2022 hat zum Stichtag 15. Mai die Einwohnerzahl aller Gemeinden Deutschlands ermittelt. Als Datengrundlage dienten dabei die Melderegisterzahlen, die jedoch mit statistischen Mitteln korrigiert wurden: Einerseits wurden Doppelungen durch mehrere Wohnsitze entfernt, andererseits Befragungen auf Stichprobenbasis sowie Erhebungen an Wohnheimen und Gemeinschaftsunterkünften durchgeführt.

Wie ist der Zensus in Sachsen-Anhalt abgelaufen?

In Sachsen-Anhalt wurden rund 260.000 Menschen durch eine sogenannte Haushaltsbefragung interviewt. Das entspricht gut zehn Prozent der Bevölkerung. Dabei ging es auch um Informationen zu Bildung und Erwerbssituation. Rund 2.300 Interviewerinnen und Interviewer haben in den 38 kommunalen Erhebungsstellen daran mitgearbeitet.

Was bedeuten die Zensus-Zahlen?

Die Zensusdaten sind vor allem Grundlage für Ausgleichszahlungen. Sie bestimmen, wie viel Geld Städte und Gemeinden in Zukunft durch den Länder- sowie den kommunalen Finanzausgleich und durch EU-Fördermittel zugewiesen bekommen. Auch die Einteilung der Wahlkreise und die Stimmenverteilung im Bundesrat orientieren sich an der per Zensus ermittelten Einwohnerzahl. Für die Jahre 2022 und 2023 werden die neuen Zensus-Ergebnisse zu einem und dann zwei Dritteln angewendet. Je nach Einwohnerentwicklung erhöhen sich also für Kommunen und Länder schrittweise die fälligen Nachzahlungen beziehungsweise zustehenden Nachschläge.

Was bringt der Zensus Sachsen-Anhalt?

Der Zensus bescheinigt Sachsen-Anhalt einen Bevölkerungsschwund von 1,8 Prozent – also rund 40.000 Einwohnern. Das bedeutet Mindereinnahmen über den Finanzausgleich ab 2025 etwa 15 bis 25 Millionen Euro. Für den Landeshaushalt hat so eine Schwankung nach Angaben des Finanzministeriums keine Auswirkung. Jedoch ändert sich die Verteilung der Mittel für die Kommunen.

Wie sieht es in anderen Ländern aus?

Gravierender sind die Auswirkungen beispielsweise für das Land Berlin. Wegen des errechneten erheblichen Bevölkerungsrückgangs werden dort bis 2028 bis zu 550 Millionen Euro Mindereinnahmen ein. Hamburg rechnet mit 190 Millionen Euro jährlich weniger, Mecklenburg-Vorpommern mit 180 Millionen Euro. Einen statistischen Bevölkerungszuwachs und damit Steuer-Mehreinnahmen haben hingegen das Saarland sowie die Hansestadt Bremen. Auch Thüringen wird mehr Geld über den Länderfinanzausgleich erhalten, da der dort errechnete Bevölkerungsrückgang noch unter Bundesschnitt liegt.

Ist der Zensus rechtssicher?

Das registergestützte Verfahren wurde erstmals beim Zensus 2011 genutzt und nun beim Zensus 2022 wieder herangezogen. Die Umstellung auf diese Methode landete seinerzeit vor Gericht: Berlin und Hamburg als große Einwohner- und Geldverlierer klagten. Sie kritisierten, dass sich mit einer Haushalts-Stichprobe von zehn Prozent die Einwohnerzahl nicht ausreichend präzise hochrechnen lasse. Doch – entschied das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 19. September 2018.

dpa, MDR (Michel Holzberger, André Plaul)