Der Holzschnitt Triptychon „Florentine fliegt“ der Künstlerin Hanna Sass

Sachsen-Anhalt Antisemitismus an Kunsthochschule Burg Giebichenstein? Ermittlungen und neue Kritik

Stand: 23.07.2024 12:21 Uhr

In Halle ermittelt die Polizei nach einer körperlichen Auseinandersetzung bei der Jahresausstellung der Kunsthochschule Burg Giebichenstein. Die Hochschule distanziert sich von Antisemitismus-Vorwürfen. Während der Jahresausstellung Mitte Juli hatte es zwei Vorfälle und Beschuldigungen von einem anonymen antifaschistischen Recherchekollektiv gegeben. Auch am Umgang der Kunsthochschule damit gibt es nun Kritik.

Von MDR SACHSEN-ANHALT

Nach einer körperlichen Auseinandersetzung während der Jahresausstellung der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle ermittelt die Polizei gegen zwei mutmaßlich Beteiligte. Wie ein Sprecher der Polizei mitteilte, sind gegen einen 26-Jährigen strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden. Er wird demnach beschuldigt, einen 29-jährigen Besucher der Ausstellung körperlich angegriffen zu haben. Der Mann habe allerdings selbst Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen eine derzeit unbekannte männliche Person erstattet. Auch in diesem Fall werde ermittelt. Weitere Details nannte die Polizei bislang nicht.

Kunsthochschule: Gewalttätiger Angriff auf Mensch mit Palästinensertuch

Die Kunsthochschule weist den Vorwurf, dass es sich bei dem Vorfall um einen antisemitischen Angriff auf ihrer Jahresausstellung handelte, bereits kurz nach der Veranstaltung zurück. Zuvor hatte das "Bündnis gegen Antisemitismus Halle" berichtet, dass ein Mann mit sichtbarem Davidstern-Tattoo vom Sicherheitspersonal nach einem Streit über ein Palästinensertuch, einer Kufiya, niedergeschlagen worden sei. Ähnlich schildert es das "Junge Forum Halle", das Teil der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ist.

Die Rektorin der Kunsthochschule, Bettina Erzgräber, berichtete MDR SACHSEN-ANHALT dagegen: "Am Samstag, 13. Juli 2024, gegen 17 Uhr wurde auf dem Campus Design am Neuwerk 7 vor der Hauptbühne bei der Bibliothek einem Besucher der Jahresausstellung eine Kufiya gewaltsam entrissen. Zudem schlug der Angreifer die junge männliche Person mit einem Faustschlag ins Gesicht nieder. Durch ein schnelles Eingreifen eines Unbeteiligten erfolgte Nothilfe, um die Gefahr für den Verletzten abzuwenden und die Personalien des Täters aufnehmen zu können"

Bettina Erzgräber

Die Rektorin der Kunsthochschule, Bettina Erzgräber, wies die Antisemitismus-Vorwürfe zurück.

Der Angreifer sei in Begleitung von zwei weiteren Personen gewesen, der Dekan des Fachbereichs Design habe aufgrund der gewalttätigen Handlungen von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht und den drei Personen ein Hausverbot ausgesprochen. Die Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle verurteile jegliche Form von Antisemitismus auf das Schärfste.

Antisemitische Plakate bei Jahresausstellung? Hochschule weist Verantwortung zurück

Darüber hinaus wies die Hochschule ebenfalls schon kurz nach der Jahresausstellung die Verantwortung für Plakate zurück, die dort zu sehen waren und die das anonyme Recherchekollektiv "Antifaschistische Recherche in Ostdeutschland" (ARIO) als antisemitisch kritisiert hatte. Auf den Plakaten war etwa zu lesen, der Krieg in Nahost "ist ein israelischer Krieg gegen die gesamte Region" und "…für die anderen ist es egal, wenn du denen sagst, dass Israel heute 100 Kinder getötet hat."

Den jüdischen Staat als Kindermörder darzustellen, sei ein häufiges Motiv antisemitischer Dämonisierung Israels, ebenso die Darstellung von Jüdinnen und Juden und dem jüdischen Staat als blutrünstige Aggressoren, die Unglück und Krieg über die Menschen brächten, so das ARIO-Recherchekollektiv.

Der Kunsthochschule sei nicht bekannt, wer der oder die Verfasser dieser Plakate seien, entgegnete Rektorin Bettina Erzgräber auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT. "Im Rahmen der Jahresausstellung sind alle Standorte der Burg geöffnet, so dass durchaus Eingriffe von Außenstehenden nicht ausgeschlossen werden können, wie zum Beispiel das Hängen von Plakaten in Fluren oder das Verteilen von Flyern. Der Hochschulleitung ist nicht bekannt, wer diese Plakate in den öffentlich zugänglichen Fluren gehängt hat", sagte Erzgräber.

"Junges Forum Halle" kritisiert Umgang der Burg Giebichenstein mit Antisemitismus-Vorwürfen

Das "Junge Forum Halle" kritisiert nun, wie die Kunsthochschule mit den Vorwürfen umgeht. Demnach hat die Hochschulleitung die Gegendarstellung zum mutmaßlichen Angriff per E-Mail an Studierende und Angestellte verschickt und dabei auch um Zeugenaussagen gebeten. Das kritisiert ein Sprecher des Forums. Die Hochschule als staatliche Institution habe damit Partei ergriffen – "und das in einem politisch so aufgeladenen Konflikt. Eine Gegendarstellung gefolgt von einem Zeugenaufruf überlagert Erinnerungen." Es scheine zudem, als wolle die Hochschule das Thema schnell vom Tisch haben.

Das Forum hat nach eigenen Angaben außerdem herausgefunden, dass es in den vergangenen Monaten bereits weitere Fälle von Antisemitismus gab. Der Sprecher berichtete, während eines Vortrags sei der Holocaust relativiert worden.

Die Kunsthochschule äußerte sich bislang nicht auf die neuen Vorwürfe. "Zu weiteren Aussagen wartet die Hochschulleitung der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle die polizeilichen Ermittlungen und weitere Erkenntnisse ab und möchte sich dann erst dazu äußern", erklärte eine Sprecherin.

MDR (Lucas Riemer, Katharina Osterhammer, Maren Wilczek), dpa | Erstmals veröffentlicht am 17.07.2024