Sachsen Radfahrer gegen Autotür: Schon 80 Dooring-Unfälle in Sachsen in diesem Jahr
In diesem Jahr sind in Sachsen bereits 1.050 Menschen bei Verkehrsunfällen verunglückt. Jeder Sechste davon ist Radfahrer. Zwar enden die allermeisten Unfälle mit leichten Verletzungen, doch es gibt auch immer wieder schwere Zusammenstöße. Diese treten unter anderem im Zusammenhang mit dem sogenannten Dooring auf - durch eine plötzlich geöffnete Autotür.
Wer schon einmal in der Stadt auf dem Fahrrad unterwegs gewesen ist, wird es kennen: Der Fahrradweg verläuft zwischen einer Reihe parkender Autos und einer viel befahrenen Straße. Was auf den ersten Blick nicht weiter schlimm erscheint, kann jedoch ziemlich schnell ins Auge gehen. Bei sogenannten Dooring-Unfällen öffnen Autofahrer ihre Autotür in dem Moment, in dem eine Person auf einem Fahrrad daran vorbeifährt. Kaum jemand kann schnell genug reagieren, um nicht mit der Tür zu kollidieren.
"Ghost Bikes" verweisen auf Todesfälle
Das solche Unfälle auch tödlich ausgehen können, zeigt zum Beispiel der Fall einer Fahrradfahrerin, die im August 2018 auf der St. Petersburger Straße in Dresden tödlich verunglückt ist. Dort erinnert ein weißes Fahrrad an die Verstorbene, aufgestellt durch die Initiative "Ghost Bikes Dresden". Seit Beginn ihrer Arbeit im Jahr 2016, hat die Initiative bereits 16 tödliche Fahrradunfälle im Großraum Dresden dokumentiert, sechs davon im Zusammenhang mit Dooring.
Auf der ganzen Welt stellen Leute sogenannte Ghost Bikes auf, in Gedenken an verstorbene Fahrradfahrer (Symbolbild).
Eine Anfrage bei allen sächsischen Polizeidirektionen hat ergeben, dass es in diesem Jahr (2024) bereits mehr als 80 solcher Unfälle im Freistaat gegeben hat. Dooring betrifft daher fast die Hälfte aller Unfälle mit Fahrrädern und insgesamt knapp 8 Prozent aller Verkehrsunfälle.
Das deckt sich mit den Zahlen aus der Studie der Unfallforschung der Versicherer. Sie kommt zu dem Schluss, dass von allen Unfällen zwischen Autos und Fahrrädern ein Anteil von etwa sieben Prozent Dooring-Unfälle sind.
Autofahrer in der Pflicht
Schuld hat in den allermeisten Fällen derjenige, der aus dem Auto aussteigt, weiß Chris Graupner, Pressesprecher der Polizeidirektion Leipzig. Autofahrer müssten sich vor dem Ausstieg vergewissern, dass sie niemanden gefährden oder sogar schädigen. Ansonsten drohe ein Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung, "weil eben oftmals nicht nur Sachschäden entstehen, sondern eben auch Personenschäden, die zum Teil sehr schwerwiegend sein können", berichtet Graupner im Gespräch mit MDR SACHSEN.
Chris Graupner wirbt für mehr Umsicht im Straßenverkehr.
Dennoch appelliert Graupner auch an Radfahrerinnen, im Straßenverkehr umsichtig und vorausschauend zu agieren. Sollte man zum Beispiel in kurzer Entfernung ein parkendes Auto bemerken, müsse man damit rechnen, dass wahrscheinlich in nächster Zeit dort jemand aussteigt.
Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme als Priorität
Ganz zu Beginn der Straßenverkehrsordnung steht es bereits geschrieben: Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. Das hat auch für Fahrlehrerin Christina Mansfeld oberste Priorität. Sie berichtet, dass ganz zu Beginn der Fahrausbildung auf diesen Paragraphen hingewiesen wird. Denn dieser sei für alle Straßenverkehrsteilnehmer wichtig. "Ständige Rücksichtnahme hat im Straßenverkehr, damit wir niemanden gefährden, schädigen, belästigen oder behindern, die oberste Priorität", sagte sie.
Für Christina Mansfeld ist es wichtig, ihren Fahrschülern zu verdeutlichen, dass man im Straßenverkehr gegenseitig aufeinander aufpassen sollte.
Ständige Rücksichtnahme hat im Straßenverkehr, damit wir niemanden gefährden, schädigen, belästigen oder behindern, die oberste Priorität. Christina Mansfeld | Fahrschullehrerin
Ein einfacher Trick kann Leben retten
Mit einem einfachen Trick lassen sich laut ihr solche Unfälle allerdings gut vermeiden: Der sogenannte "Holländische Griff" oder "Dutch Reach". Zum Öffnen der Autotür wird dabei immer die entgegenliegende Hand genutzt. Kurzum: Statt mit der linken Hand öffnet der Fahrer einfach mit der rechten Hand die Autotür. Aber auch als Radfahrer kann man einiges tun, um solche Unfälle zu vermeiden.
Beim "Holländischen Griff" muss man automatisch nach hinten schauen und hat im Blick, ob ein Fahrrad ankommt oder nicht.
ADFC empfiehlt Mindestabstand
Laut Konrad Krause vom ADFC Sachsen sollte man einen Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter zu parkenden Autos einhalten. Besser seien 1,50 Meter. Doch das sei an vielen Straßen gar nicht möglich, da die Radwege zu schmal sind. Ein Ausweichen auf die Autospur sei ebenso gefährlich.
Als Beispiel nennt er die Winterbergstraße in Dresden Seidnitz. Dort verletzten sich Ende November eine 33-Jährige Lastenradfahrerin und drei Kinder leicht, nachdem eine Autofahrerin ihre Tür öffnete, ohne nach hinten zu schauen.
Ausweichmöglichkeiten gebe es hier laut Krause keine, da sich die Radfahrspur zwischen dem Park- und dem Fahrstreifen befindet. Außerdem könne man in so einer Situation als Fahrradfahrerin nie schnell genug reagieren, wie er berichtet: "Ich kann da nicht reagieren. Das wird noch in meinem Gehirn verarbeitet. Da ist die Tür schon offen."
Konrad Krause wünscht sich mehr Sicherheit für Radfahrer im Straßenverkehr.
Ich kann da nicht reagieren. Das wird noch in meinem Gehirn verarbeitet. Da ist die Tür schon offen. Konrad Krause | Vorsitzender ADFC Sachsen
Krause: Stadtplanung muss sich verändern
Für Konrad Krause müssen sich mehrere Aspekte in der Stadtplanung verändern, um die Sicherheit der Radfahrer zu gewährleisten: Breitere Fahrradwege und weniger Parkstreifen. Möglichst viele Parkplätze dürfe nicht das Hauptziel von Stadtplanung sein. Und bis sich das ändert, rät Krause den Fahrradfahrern, gewisse Straßen im Stadtgebiet zu meiden. "Ich würde manche Straßen großräumig umfahren, so blöd das klingt", resümiert er.
Ich würde manche Straßen großräumig umfahren, so blöd das klingt. Konrad Krause | Vorsitzender ADFC Sachsen
MDR (koh/jsc)