Thekla: Diskussion über Nutzung von neuem Gebäudekomplex an der Tauchaer Straße 100

Sachsen Demo gegen Flüchtlingsunterkunft in Thekla abgesagt - Mietvertrag ruht

Stand: 27.07.2024 14:45 Uhr

Ein vor zwei Jahren ursprünglich als Seniorenheim geplanter Neubau soll Flüchtlingsunterkunft werden: Diese Umwandlung bereitet Einwohnern des Leipziger Stadtteils Thekla Sorgen. Mit einer Petition und einer Demo wollten sie ihrem Ärger Luft machen. Doch aus der Demo wird kurzfristig nichts.

Von Christian Kerber, MDR SACHSEN

"Es war anders geplant. Die Stadt hat uns betrogen. Sie hat uns nicht früh genug abgeholt. Sie hat es vor der Wahl entschieden - und nach der Wahl bekannt gegeben", sagt ein Nachbar MDR SACHSEN. Die Stimmung im Stadtteil Thekla im Nordosten von Leipzig nahe der Autobahn 14 ist angespannt. Manche Bewohner machen sich Sorgen: um drei neue, weiße Häuser. Die sollten ursprünglich Senioren und ein betreutes Wohnen beherbergen.

Petition für Seniorenheim - Anwohner nach Brandanschlag in Sorge

Doch dann war von einer Flüchtlingsunterkunft die Rede. Bereits im August sollten dort bis 120 Menschen einziehen. Eine Petition setzt sich für das ursprünglich angekündigte Seniorenheim ein. Die haben bislang mehr als 2.750 Menschen unterschrieben (Stand: 26.07.24, 16 Uhr).

Der vielfach diskutierte Gebäudekomplex an der Tauchaer Straße stand bereits Mitte Juli 2024 im Fokus, als ein Brandanschlag verübt wurde. Der Tatverdächtige ist nach Polizeiangaben ein 24 Jahre alter Theklaer. Er soll auch verfassungsfeindliche Zeichen und Schriftzüge wie "Not Welcome" auf Häuserwände platziert haben.

Nun befürchten Anwohner, dass sich die Ecke zu einem Pulverfass entwickeln könnte: "Das müssen ja nicht unbedingt Ausländer sein. Jetzt kamen ja schon irgendwelche rechte Idioten und machten Feuer. Da haben wir hier ständig Stress", kritisiert ein Mann.

Thekla: Diskussion über Nutzung von neuem Gebäudekomplex an der Tauchaer Straße 100

Im Innenhof sind rechtsextreme Schmierereien und ein Brandfleck nach dem mutmaßlichen Anschlag zu sehen.

Schlechte Kommunikation: Theklaer kritisieren Stadt

Hört man sich in Thekla um, dann sorgen sich die Anwohner, sind sich aber in einem Punkt einig: Die Kommunikation der Stadt Leipzig über die geänderte Nutzung sei schlecht. Irgendwann habe es Gerüchte gegeben. Zwei Anwohner berichten, sie hätten im Amtsblatt der Stadt gelesen, dass in die Gebäude eine Unterkunft für Geflüchtete kommen soll. Sie fühlten sich überrumpelt und vor vollendete Tatsachen gestellt, sagen die beiden.

"Eine Bürgersprechstunde wäre schön gewesen", sagt eine andere Frau, die gerade an einer Bushaltestelle vor einem der drei Gebäude wartet. "Es wäre gut gewesen, wenn das nicht hinter dem Rücken passiert wäre", sagt einer, der aus einem Bus aussteigt. Eine Rentnerin fragt sich, warum der Betreiber abgesprungen ist und warum die Gebäude in ihren Augen "zweckentfremdet" wurden?

Am Freitag schrieb die "Leipziger Volkszeitung", dass der Mietvertrag vorerst nicht in Kraft tritt, weil nun doch eine Änderung der Baugenehmigung erforderlich sei. Die Stadt hat nun den September als Mietbeginn im Blick.

Eine Bürgersprechstunde wäre schön gewesen. Anwohnerin in Leipzig-Thekla |

Stadt Leipzig: Eigentümer entscheidet über Nutzung

Dazu sagt die Stadtverwaltung auf Nachfrage von MDR SACHSEN, dass ihr darüber keine Erkenntnis vorliegen würde. "Über die Nutzung der Immobilie entscheidet die Eigentümerin bzw. der Eigentümer." Eine Handhabe bestehe dort nicht. Die Stadt habe auch mit Blick auf Pflegeeinrichtungen oder Seniorenwohnen weder "Planungs- noch Entscheidungskompetenz". Laut LVZ-Informationen gehört die Immobilie einem ukrainischen Unternehmer.

Thekla: Diskussion über Nutzung von neuem Gebäudekomplex an der Tauchaer Straße 100

Die Neubauten stehen umzäunt an der Abzweigung einer Hauptstraße. Die Außenanlagen sehen noch ungepflegt aus.

Unterkunft in Thekla - Die Vorgeschichte

Die Stadt Leipzig sucht nach eigenen Angaben nach Objekten, um Geflüchtete nicht in großen Notunterkünften unterbringen zu müssen. Aktuell seien die Flüchtlingsunterkünfte zu 87 Prozent ausgelastet. Die Liegenschaft in Thekla sei "vom Eigentümer zur Anmietung für die Unterbringung Geflüchteter" angeboten worden. Das Angebot sei geprüft und "in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters" angenommen worden. 120 Flüchtlinge sollen in unterschiedlich großen Wohngruppen dort unterkommen. Geplant war demnach ein Mietvertrag über zehn Jahre Laufzeit mit der Stadt.

Demo für Sonnabend kurzfristig abgesagt

Derweil wurde eine für den Sonnabend geplante Demo in Thekla vom Anmelder Philip Weber am Freitag kurzfristig abgesagt. Der laut LVZ als Kraftfahrer tätige alleinerziehende Vater begründet die Absage mit "organisatorischen und technischen Problemen sowie verschiedener Auflagen der Versammlungsbehörde". Zuvor hatte Weber auch im Telegram-Kanal der rechtsextremen Partei "Freie Sachsen" auf die Demo aufmerksam gemacht. Das geht aus Screenshots hervor, die dem MDR vorliegen.

Thekla: Diskussion über Nutzung von neuem Gebäudekomplex an der Tauchaer Straße 100

Bei einer Bäckerei wurde für eine Demo geworben. Diese wurde kurzfristig abgesagt.

Auch der Landtagsabgeordnete Holger Gasse (CDU) wollte am Sonnabend als Redner zur Demo kommen. Gasse bleibe nach eigenen Angaben bei seiner Zusage und wolle nach Thekla kommen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Auch die AfD habe ihre Anwesenheit geplant.

Kritik an AfD- und CDU-Beteiligung

Trotz Demo-Absage vonseiten der Bürgerinitiative erwartet Irene Rudolph-Kokot vom Aktionsnetzwerk "Leipzig nimmt Platz" dass sich Protest aus rechtsextremen Kreisen formieren werde. Deshalb halte man am geplanten Gegenprotest, unter anderem von "Omas gegen Rechts", fest. Das sagte sie am Sonnabend MDR SACHSEN.

Zwar sei der Ort aufgrund der Randlage "nicht optimal" für eine Unterkunft für Geflüchtete und könnte dadurch die Integration hemmen. "Allerdings ist der Versuch, die Interessen von alten Menschen gegen die Interessen von Geflüchteten auszuspielen, schäbig, und die Verbreitung von rassistischen Vorurteilen durch die vermeintliche Bürgerinitiative ist offensichtlich", teilte Rudolph-Kokot weiter mit. Es brauche Verständigung über die Herausforderung von Migration und das Gelingen von Integration auch in Leipzig. Mit Verfassungsfeinden und Rechtsextremen gelinge dies aber nicht, ist sie sich sicher.

Frauen halten Protestplakate

Ortsgruppen der "Omas gegen Rechts" sind häufig bei Protesten gegen rechtsextreme Akteure anzutreffen. (Symbolbild)

Wir brauchen eine Verständigung über die Herausforderung von Migration und das Gelingen von Integration auch in Leipzig. Mit Verfassungsfeinden und Rechtsextremen gelingt dies aber nicht. Irene Rudolph-Kokot (SPD) | Aktionsnetzwerk "Leipzig nimmt Platz"

Versammlung am 7. August in Schönefeld geplant

Die Stadt werde an diesem Wochenende keinen Ansprechpartner nach Thekla schicken. Sie verweist auf eine öffentliche Sitzung des Stadtbezirksbeirates Nordost am 7. August 2024 am frühen Abend in der Gedächtniskirche Schönefeld. Dort könnten die Bürger ihre Sorgen und Anmerkungen bei den Zuständigen loswerden. Nach der Demo-Absage rief Weber dazu auf, am 7. August in die Gedächtniskirche zu kommen.

Leipzigs Sozialbürgermeisterin Martina Münch

Auch Sozialbürgermeistern Martina Münch (SPD) soll bei der öffentlichen Sitzung am 7. August in Schönefeld Rede und Antwort stehen. (Archivbild)

Stadt weist Kritik an Informationspolitik zurück

Die Kritik der Anwohner an der Kommunikationstrategie der Stadt kann die Stadt nicht nachvollziehen. Sie verweist stattdessen auf ihre Pressemitteilung Mitte Juni. "Der Fachausschuss Soziales, Gesundheit und Vielfalt und der Stadtbezirksbeirat Nordost wurden nach der Entscheidung informiert. Am 19. Juni 2024 hat die Stadt Leipzig eine Medieninformation veröffentlicht."

Das denken Theklaer Anwohner über Migranten (zum Ausklappen):

Die Protestierenden in Thekla weisen Vorwürfe zurück, sie würden Senioren gegen Migranten ausspielen wollen. 2023 betrug der Anteil der Migranten laut Stadt in Thekla 13,9 Prozent, dazu kommen 10,8 Prozent Ausländer. Unter ihnen gäbe es viele Familien. Eine 71-Jährige Rentnerin sagt: "Sie sind anständig, sind im Kindergarten und im Neubaugebiet. Sie integrieren ja auch unsere Rentner." Man käme gut mit Ausländern zurecht, es sei weitgehend ruhig.

Eine Angestellte hat nach einem Fahrrad-Diebstahl Migranten im Verdacht. Eine Frau ist sauer über den Lärm in ihrem Plattenbau. Ein andere Frau dagegen kommt ins Schwärmen und freut sich über das rücksichtsvolle Miteinander am nahen Baggersee: "Abends ist da alles wieder sauber." Ein Mann befürchtet dagegen: "Man weiß ja nicht, wer hier reinkommt. Wenn es Familien sind, da hat ja keiner etwas dagegen."

MDR (sme)