Saarland Immer weniger Saar-Beschäftigte werden nach Tarif bezahlt
Die Zahl der Beschäftigten in Tarifbindung im Saarland ist in den vergangenen Jahren drastisch gesunken. Die Arbeitskammer sieht diese Entwicklung mit großer Sorge. Tarifbindung sei der beste Garant für faire Arbeits- und Entlohnungsbedingungen.
Kai Forst
Tarifverträge regeln die Bezahlung, Arbeitszeiten und weitere Arbeitsbedingungen von Beschäftigten. Klar ist: Eine fehlende Tarifbindung hat häufig stark negative Auswirkungen auf diese Faktoren. Und ebenso deutlich ist: Die Zahl der Beschäftigten, die in tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen sind, ist stark rückläufig - im Saarland ebenso wie im Bund.
Im Saarland arbeiten aktuell 52 Prozent aller Beschäftigten in Betrieben mit Tarifvertrag. Die gute Nachricht: Die Quote liegt damit über dem Bundesdurchschnitt von 49 Prozent. Und nur die Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, und Nordrhein-Westfalen sind in dieser Statistik leicht besser.
"Tarifbindung Garant für faire Arbeitsbedingungen"
Dennoch: Blickt man auf die Zahlen der vergangenen 20 Jahre wird schnell deutlich: Immer weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befinden sich in Arbeitsverhältnissen mit Tarifverträgen. Denn 2003 waren noch stattliche 71 Prozent aller Beschäftigten tarifgebunden. Das geht aus Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt und Betriebsforschung und der Antwort der Bundesregierung nach einer Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor. Auch mit Blick auf die Betriebe wird es deutlich: 2003 waren noch 41 Prozent aller saarländischen Betriebe tarifgebunden, 20 Jahre später nur noch 28 Prozent.
Eine Entwicklung, die die Arbeitskammer des Saarlandes mit großer Skepsis betrachtet. „Tarifbindung ist aus Beschäftigungsperspektive der beste Garant für faire Arbeits- und Entlohnungsbedingungen im Sinne Guter Arbeit. Den kontinuierlichen Rückgang der Tarifbindung beobachtet die Arbeitskammer daher mit Sorge“, teilte die Kammer auf SR-Anfrage mit.
Immer mehr Auslagerungen von Tätigkeiten
Kritisch seien zudem betrachten, dass Arbeitgeberverbände Unternehmen inzwischen häufiger eine Mitgliedschaft „ohne Tarifbindung" (OT) ermöglichten. Das sei „als einseitiger Rückzug aus der Sozialpartnerschaft“ zu bewerten. „Zu beobachten ist, dass Sozialpartnerschaft von Unternehmensseite immer dann betont wird, wenn es darum geht, gemeinsam für einen wettbewerbsfähigen Standort zu kämpfen. Im bundesweiten Standortwettbewerb ist das für Beschäftigte dann zumeist gleichbedeutend mit Forderungen zum gemeinsamen Schultern von Belastungen“, so die Kammer weiter.
Für den Rückgang der Tarifbindung macht die Arbeitskammer verschiedene Faktoren verantwortlich. Viele Unternehmen reduzierten etwa ihre Fertigungstiefe, indem produktionsbegleitende Tätigkeiten und Dienste inzwischen ausgelagert und fremd vergeben würden. „Das Schutzniveau von Tarifverträgen wird dabei bewusst umgangen.“
Außerdem nehme die Zahl der Beschäftigten in der Industrie ab, während Beschäftigungszunahmen in den letzten Jahren hauptsächlich im Dienstleistungsbereich erfolgten. „Tarifbindung spielt im heterogenen Dienstleistungssektor insgesamt eine deutlich geringere Rolle“, so die Einschätzung der Arbeitskammer.
Deutliche Unterschiede bei Löhnen
Wie sehr sich die Einkommen in Betrieben mit und ohne Tarifvertrag unterscheiden, zeigen aktuelle Zahlen. Insgesamt liegt der Bruttomonatsverdienst für Beschäftigte in tarifgebundenen Betrieben im Saarland bei 4286 Euro. Zum Vergleich: Arbeitnehmer ohne Tarifvertrag verdienen monatlich 600 Euro weniger. Noch deutlicher wird, wenn man sich einzelne Branchen anschaut. In der Energieversorgung beträgt der Unterschied gar 1200 Euro, ebenso im Gesundheits- und Sozialwesen. Auch im verarbeitenden Gewerbe sind die Löhne mit Tarifvertrag deutlich höher – knapp 900 Euro. Dagegen sind im Gastgewerbe quasi keine Unterschiede zu erkennen.
Die Arbeitskammer des Saarlandes fordert die Politik auf, den Rückgang der Tarifbindung zu stoppen, und Mitbestimmung und Tarifbindung aktiv zu fördern.