Rheinland-Pfalz Weniger Menschen überschuldet - Hier in RLP gibt es Hilfe für Betroffene
Jedes Jahr im November legt die Wirtschaftsauskunfttei Creditreform den bundesweiten Schuldneratlas vor. Der Trend diesmal zeigt: Die Zahl der Überschuldungen sinkt, die Menschen halten ihr Geld mehr zusammen. Das sind die Gründe und so kann Betroffenen geholfen werden.
Bundesweit waren im Oktober 2024 rund 5,56 Millionen Menschen überschuldet. Die Überschuldungquote lag damit bei 8,09 Prozent. Im Vorjahr lag sie noch bei 8,15 Prozent. Die Zahl sank damit im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitpunkt leicht um 94.000 Fälle. Das entspricht einem Rückgang von 1,7 Prozent.
Überschuldung meint die Zahlungsunfähigkeit über einen längeren Zeitraum. Sie tritt ein, wenn jemand nicht mehr in der Lage ist, seine laufenden Rechnungen zu bezahlen. Ursache ist oft eine Verkettung problematischer Lebensereignisse wie Trennung, Scheidung, Arbeitslosigkeit oder längere Krankheit. Eine Person gilt als überschuldet, wenn ihre Verbindlichkeiten wie Miete und Kreditraten höher sind als ihr Vermögen. Zahlungsunfähig oder insolvent ist eine Person erst, wenn sie bereits fällige Forderungen nicht mehr bezahlen kann. Dann kann die Person einen Insolvenzantrag stellen. Bei Unternehmen gilt: Eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts liegt vor, wenn die Verbindlichkeiten höher sind als das Vermögen und das Fortbestehen höchst ungewiss ist. Bei einer Fortbestehensprognose wird die Wahrscheinlichkeit der künftigen Zahlungsunfähigkeit und damit der Abwicklung geprüft. Dafür werden Verlustursachen, Finanzierungsplan und Zukunftsaussichten des Unternehmens analysiert.
Die Zahl der überschuldeten Haushalte nahm aber um 3.000 Fälle geringfügig zu. Das entspricht einem Zuwachs von 0,1 Prozent. Die Gesamtsumme der Schulden beläuft sich auf 174 Milliarden Euro, ein Minus von 2,6 Prozent oder vier Milliarden Euro. Seit 2019 sank die Höhe der Verschuldung von damals 196 Milliarden Euro auf jetzt 174 Milliarden Euro. Seit 2020 ist die Zahl der überschuldeten Haushalte kontinuierlich von 3,42 Millionen auf nun 2,79 Millionen zurückgegangen. Ein Grund hierfür ist laut Creditreform auch die Corona-Pandemie. Denn die Menschen hatten weniger Gelegenheit, Geld auszugeben.
Als weitere Gründe für die Verbesserung nennt Creditrefom unter anderem die erhöhte Sparquote und die Kaufzurückhaltung der Menschen wegen der Angst vor einer möglichen Ausweitung des Krieges Russlands gegen die Ukraine sowie die gesamtwirtschaftliche Lage. Zudem gebe es immer mehr Anfragen nach Ratenkrediten und "Buy now – pay later“-Angeboten. Dabei wird damit geworben, Artikel jetzt zu kaufen und erst zu einem späteren Zeitpunkt zu bezahlen. Dies birgt allerdings die Gefahr, dass Verbraucher oder Verbraucherinnen sich überschätzen und zu viel auf Pump kaufen und sich dann in Zukunft doch verschulden.
Arbeitslosigkeit wichtigster Grund für Überschuldung
Allerdings bleibe die Überschuldung trotz der zuletzt positiven Entwicklung ein großes Problem, so Creditreform. Denn die konjunkturelle Schwäche und der Strukturwandel belasteten die Wirtschaft und seien auch auf dem Arbeitsmarkt angekommen. So habe etwa die Langzeitarbeitslosigkeit zugenommen. Besonders betroffen sei das produzierende Gewerbe. Gleichzeitig stiegen die Preise für Lebenshaltung, Energie und Wohnen.
Hauptüberschuldungsgründe seien Arbeitslosigkeit, Trennung oder Scheidung und Krankheit. Auffällig ist, dass die Zahl der Menschen mit einem längerfristigen Niedrigeinkommen von 2015 bis heute um 182 Prozent gestiegen ist. Aber auch irrationales Konsumverhalten habe seit 2008 um rund 36 Prozent zugelegt.
Regional große Unterschiede in Rheinland-Pfalz
Rheinland-Pfalz belegt den Angaben zufolge beim Überschuldungsranking derzeit den zehnten Platz im Ländervergleich mit einer Quote von 8,27 Prozent. Nur sechs Bundesländer stehen noch schlechter da. Etwa 280.000 Menschen gelten bei uns als überschuldet. Am niedrigsten ist die Quote in Bayern (5,93 Prozent), am höchsten in Bremen (11,81 Prozent).
2023 hatte die Quote in Rheinland-Pfaz noch bei 8,36 Prozent gelegen und 2019 sogar noch bei über zehn Prozent.
In Rheinland-Pfalz gibt es aktuell große regionale Unterschiede. Mit am höchsten ist die Überschuldungsquote in Pirmasens (16,98 Prozent) und Kaiserslautern (12,73 Prozent) sowie in Ludwigshafen (14,35 Prozent). Damit hat Pirmasens die bundesweit zweithöchste Überschuldungsquote.
Relativ niedrig sind die Zahlen in den Kreisen Trier-Saarburg (5,48 Prozent) sowie im Rhein-Pfalz-Kreis, im Kreis Südliche Weinstraße und im Kreis Mainz-Bingen mit Quoten von etwas über sechs Prozent. Auch die Landeshauptstadt Mainz hat mit 6,27 Prozent eine relativ niedrige Überschuldungsquote gemessen an der Bevölkerungszahl. Damit liegt Mainz hinter Potsdam bundesweit auf Platz zwei bei der niedrigsten Überschuldungsquote unter den Landeshauptstädten.
Für ihren Schuldneratlas wertet die Neusser Creditreform seit 2004 anonymisierte Daten aus amtlichen Registern, von Online-Händlern und aus anderen Quellen aus.
Rund 2.800 Anträge auf Privatinsolvenz in RLP im Jahr 2023
Wir das Schuldnerfachberatungszentrum an der Universität Mainz auf SWR-Anfrage mitteilte, wurden in den Beratungsstellen des Landes im vergangenen Jahr rund 22.000 Menschen beraten. 2.801 Anträge auf ein Verbraucherinsolvenzverfahren wurden gestellt. Im ersten Halbjahr 2024 waren es 1.487 Fälle. Auf das Gesamtjahr gerechnet hat sich hier also kaum etwas geändert.
Etwas anders verhält es sich bei den Unternehmensinsolvenzen. Allein im ersten Halbjahr gab es 431 Fälle, im ganzen Jahr 2023 waren es 330. Knapp 4.300 Arbeitsplätze seien betroffen.
Unser FAQ zeigt, wie Sie die Folgen einer Überschuldung in Grenzen halten können.
- Wie bekomme ich Hilfe bei einer Überschuldung?
- Was ist eine Verbraucherinsolvenz?
- Was ist ein Pfändungsschutzkonto?
- Wie stehen die Chancen auf Reduzierung der Schulden oder einen Schuldenerlass?
- Wie schlage ich ein verschuldetes Erbe aus?
- Nachlass-Insolvenzverfahren: Keine Haftung mit persönlichem Vermögen
- Wo finde ich Schuldnerberatungsstellen in Rheinland-Pfalz?
Wie bekomme ich Hilfe bei Überschuldung?
Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz weist darauf hin, dass überschuldete Menschen in der Regel innerhalb von drei Jahren schuldenfrei werden können. Dies gelte für Verfahren, die seit dem 1. Oktober 2020 beantragt wurden. Für Verfahren, die bereits vor dem 17. Dezember 2019 beantragt wurden, gelte eine Restschuldbefreiungsfrist von insgesamt sechs Jahren. Diese Verfahrensdauer könne unter bestimmten Voraussetzungen auf fünf oder drei Jahre verkürzt werden. Durch die Regelung der Kostenstundung könnten so auch völlig Mittellose an dem Verfahren teilnehmen und eine Entschuldung erreichen. Der Vorgang heißt juristisch korrekt Verbraucherinsolvenz, wird allgemein aber auch als Privatinsolvenz bezeichnet.
Was ist eine Verbraucherinsolvenz?
Betroffene können beim zuständigen Insolvenzgericht einen Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens stellen, verbunden mit dem Antrag auf Erteilung der "Restschuldbefreiung". Vorab aber müssen Sie versuchen, sich mit den Gläubigern über die Schuldenrückführung außergerichtlich zu einigen. An diesem Einigungsversuch muss eine geeignete Insolvenzberatungsstelle oder eine geeignete Person, zumeist ein Rechtsanwalt, mitwirken.
Zumindest muss eine persönliche Beratung mit eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse stattgefunden haben. Gelingt eine solche Einigung nicht, werden die Schulden in einem Insolvenzverfahren förmlich festgestellt. Eventuell noch vorhandene pfändbare Vermögenswerte werden verwertet und der Erlös an die Gläubiger verteilt. Danach schließt sich die sogenannte "Wohlverhaltensphase" an, die zusammen mit dem Insolvenzverfahren regelmäßig drei Jahre dauert.
Während dieser Zeit müssen Sie als Schuldner das pfändbare Einkommen an einen Treuhänder abtreten. Dieser verteilt die eingezogenen Beträge an seine Gläubiger. Reichen diese Beträge nicht aus, um die gesamten Schulden zu tilgen, werden Ihnen nach Ablauf des Verfahrens die restlichen Schulden erlassen. Sind Sie so mittellos, dass trotz Ihrer Bemühungen während der Laufzeit des Verfahrens keine Vermögenswerte oder pfändbare Einkünfte verteilt werden, werden Sie von der Zahlungspflicht für Ihre gesamten Schulden befreit. Haken: Das Verfahren ist für Sie kostenpflichtig. Kosten für Gerichte und Anwälte müssen vom Antragsteller übernommen werden.
Was ist ein Pfändungsschutzkonto?
Haben Sie Schulden, die Sie nicht zurückzahlen können? Dann kann ein Gericht entscheiden, dass Ihr Bankkonto gepfändet wird. Das heißt: Der Gläubiger darf Geld von Ihrem Bankkonto abbuchen. Sie können Ihr Konto aber schützen. Dafür gibt es das Pfändungsschutzkonto. Es handelt sich dabei um ein normales Bankkonto mit einer Schutzfunktion. Dadurch bleibt ein Freibetrag auf dem Konto, der nicht gepfändet werden darf. Er liegt derzeit bei 1.500 Euro. Mit Nachweisen über Unterhaltszahlungen, Kinder im Haushalt oder den Empfang von Sozialleistungen kann dieser Sockelbetrag erhöht werden. Ein Pfändungsschutzkonto muss persönlich bei der Bank beantragt werden und kann nur auf den Namen einer Person eingetragen sein. Nach einer Umwandlung des Kontos darf die Bank keine höheren Kontoführungsgebühren als für ein normales Konto berechnen.
Wie stehen die Chancen auf eine Reduzierung der Schulden oder einen Schuldenerlass?
Wie das Schuldnerfachberatungszentrum an der Universität Mainz dem SWR mitteilte, lassen sich Gläubiger häufig auf Ratenzahlungen ein. Das gelte etwa bei der Energieversorgung, etwa um eine Stromsperre zu vermeiden. Bei Ratenzahlungen sollten diese aber nicht zu hoch angesetzt werden, damit man sie auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten aufbringen könne.
Seltener komme eine Reduzierung der Schulden vor. Manchmal stimmten Gläubiger dem aber zu, wenn eine Einmalzahlung durch Dritte - etwa Familie oder Freunde - erfolgen würde. Ein kompletter Schuldenschnitt sei eher sehr selten. Dies sei vor allem bei Menschen möglich, bei denen auch in Zukunft kein höheres Einkommen zu erwarten sei - etwa bei Rentnern oder bei Menschen, die Sozialhilfe beziehen. Hier wollten die Gläubiger oft unnötige Verfahrenskosten sparen.
Wie schlage ich ein verschuldetes Erbe aus?
Laut Verbraucherzentrale können Sie in diesen Fällen das Erbe beim Nachlassgericht, also dem Amtsgericht ausschlagen, in dessen Bezirk der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz oder Aufenthalt hatte, oder beim Amtsgericht, in dessen Bezirk Sie Ihren Wohnsitz haben. Sie können dort persönlich erscheinen und die Ausschlagung erklären. Das kostet Sie eine Gerichtsgebühr, die sich an der Höhe der Erbschaft orientiert.
Sie können sich auch an einen Notar wenden, der eine entsprechende notarielle Erklärung aufsetzt. Auch hier entstehen Kosten. Diese liegen bei rund 30 Euro. Sie müssen dafür sorgen, dass die beglaubigte Erklärung innerhalb der Frist beim Nachlassgericht eingeht. Ein bloßer Brief an das Nachlassgericht reicht nicht aus.
Danach haben Sie keinen Anspruch mehr auf das Erbe. Sie können dann auch Ihren Pflichtteil nicht mehr einfordern. Haben Sie bereits Gegenstände aus dem Nachlass entnommen, müssen Sie diese zurückgeben. Wird die Erbschaft ausgeschlagen, geht das Erbe an den nächsten Erbschaftsanwärter. Dies können gegebenenfalls Ihre eigenen Kinder sein. Sind die Kinder minderjährig, müssen Sie als gesetzlicher Vertreter die Erbschaft für Ihre Kinder ausschlagen. Verzichten alle auf das Erbe, erbt zum Schluss der Staat. Dieser kann die Erbschaft nicht ablehnen, allerdings kommt er nicht für die Schulden auf.
Wichtig ist: Der Antrag auf Verzicht auf den Nachlass muss spätestens sechs Wochen, nachdem Sie vom Erbe erfahren haben, beim Amtsgericht eingegangen sein.
Nachlass-Insolvenzverfahren: Keine Haftung mit persönlichem Vermögen
Wenn sich erst später herausstellt, dass das Erbe verschuldet war, können Sie ein Nachlass-Insolvenzverfahren beantragen. Den Antrag stellen Sie beim Amtsgericht, in dessen Bezirk der Verstorbene wohnte. Damit beschränken Sie die Haftung für die Schulden auf das vorhandene Erbe. Sie müssen für die Schulden nicht mehr mit Ihrem eigenen Vermögen aufkommen. Das Gericht eröffnet das Verfahren nur, wenn es davon ausgeht, dass das Erbe ausreicht, um die Verfahrenskosten und die Kosten des Insolvenzverwalters zu decken. Ist dies nicht der Fall, stellt das Gericht die "Dürftigkeit des Nachlasses" fest. Sie erhalten darüber einen entsprechenden Beschluss des Gerichts.
Darauf können Sie sich berufen, sollten Gläubiger des Verstorbenen wie Unternehmen oder Banken auf Sie zukommen und Sie zur Zahlung der Schulden auffordern. Senden Sie den Gläubigern eine Kopie des Gerichtsbeschlusses als Nachweis zu. Diese wissen dann, dass sie nichts mehr einfordern können.
Wo finde ich Schuldnerberatungsstellen in Rheinland-Pfalz?
Nähere Informationen über Schuldnerberatungstellen in Rheinland-Pfalz erhalten Sie auf der Homepage des Arbeits- und Sozialministeriums. Dazu gehören Beratungsstellen beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung, das Schuldnerfachberatungszentrum der Universität Mainz und die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung.
Aber auch die Hilfswerke der Kirchen wie Caritas und Diakonie bieten Schuldnerberatungen an.
Sendung am Di., 19.11.2024 19:30 Uhr, SWR Aktuell Rheinland-Pfalz, SWR RP