Rheinland-Pfalz Was hilft gegen Fachkräftemangel in RLP?
Der Fachkräftemangel in Rheinland-Pfalz sorgt dafür, dass Unternehmen sich alles Mögliche einfallen lassen, um für Arbeitnehmer attraktiv zu bleiben. Doch was hilft wirklich?
Die Zeiten, in denen sich Unternehmen aus zahlreichen Bewerbern ihren Liebling aussuchen konnten, sind vorbei - das zeigt sich immer wieder in Einschätzungen von Personalverantwortlichen aus der Wirtschaft, ebenso wie in den nackten Zahlen der Agentur für Arbeit Rheinland-Pfalz. Im Moment gibt es im Land 36.300 unbesetzte Arbeitsstellen.
Besonders deutlich wird die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage beim Blick auf den Ausbildungsmarkt: Im Ausbildungsjahr 2023/2024 gab es laut der Agentur für Arbeit Rheinland-Pfalz rund 24.500 gemeldete Ausbildungsstellen, allerdings nur etwa 20.300 Bewerber und Bewerberinnen. 3.400 Stellen konnten nicht besetzt werden - dabei waren am Ende des Beratungsjahrs immer noch 1.500 junge Männer und Frauen auf der Suche nach einem Arbeitsplatz.
Unternehmen bieten moderne Arbeitszeitmodelle an
Kein Wunder, dass sich Unternehmen immer mehr einfallen lassen, um Arbeitssuchende auf sich aufmerksam zu machen. Dabei lassen sich einige "Trends" ausmachen:
Flexible Arbeitszeiten: Work-Life-Balance ist ein großes Thema in der Gesellschaft - und viele Arbeitgeber kommen dem Wunsch nach mehr Freizeit nach. Sie bieten vermehrt Homeoffice und Gleitzeit an oder sogenanntes Job-Sharing. Ein Beispiel aus dem Bezirk der Handwerkskammer Pfalz: Bäcker Sebastian Däuwel (Brotpurist) aus Speyer fängt branchenuntypisch vormittags mit dem Backen an und öffnet erst am Nachmittag den Verkauf.
Vier-Tage-Woche für mehr Work-Life-Balance
Auch die Vier-Tage-Woche wird immer häufiger diskutiert und ausprobiert. So zum Beispiel bei Handwerkern wie dem Dachdeckerbetrieb von Markus Berg im Landkreis Bernkastel-Wittlich oder Friseursalons wie dem von Daniel Röber aus Bad Neuenahr-Ahrweiler oder Salon Wittmer in Deidesheim.
Social Media: Viele Unternehmen haben mittlerweile verstanden, dass sie um Social-Media-Kanäle nicht herumkommen und versuchen, über Instagram, TikTok und Co. Menschen auf sich aufmerksam zu machen. Influencer wie Maurermeisterin Julia Schäfer helfen auf ihre Art, Werbung fürs Handwerk zu machen.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Familienfreundlichkeit: Viele Unternehmen bemühen sich vermehrt um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vor allem in größeren Unternehmen gibt es mitunter betriebseigene Kitas - teilweise schließen sich auch mehrere Firmen zusammen, um das Angebot zu stemmen.
Die Firma Wipotec in Kaiserslautern, ein Unternehmen, das Waagen herstellt, hat nach eigenen Angaben bereits seit zehn Jahren eine Kindertagesstätte für die Beschäftigten. Für den technischen Geschäftsführer, Jens Kühn, ist das Angebot eines der Gründe, warum die Mitarbeiter lange im Unternehmen bleiben. Auch von Bewerbern werde die Kita oft angesprochen.
Gute Bezahlung und weitere Benefits: Die Bezahlung spielt immer noch eine große Rolle bei der Wahl des Jobs. Wer es sich leisten kann, bezahlt übertariflich oder lockt mit anderen Zusatzleistungen wie Altersvorsoge, Jobtickets oder mehr Urlaubstagen. Beim Fahrradhersteller Canyon in Koblenz gibt es etwa zusätzliche freie Tage für Menschen mit Periodenproblemen.
Das IT-Haus in Föhren (Landkreis Trier-Saarburg) bietet neben Gesundheitsbetreuung für die Mitarbeiter auch ein Jobrad an. Das Unternehmen Effgen für Edelsteinbearbeitung in Herrstein (Kreis Birkenfeld) hat 20 eigene Firmen-Shuttles, die Mitarbeiter und Azubis zur Arbeit und wieder nach Hause bringen.
Firmen locken mit Geschenken und Events
Geschenke und außerbetriebliche Aktivitäten: Ob Obstkorb im Büro oder Handy, Tablet oder sogar Firmenauto - viele Unternehmen locken mit großen und kleinen Geschenken. Manche bieten Zuschüsse zum Fitnessstudio an oder haben eigene Fitnessräume oder Sportgruppen, die Mitarbeitern vorbehalten sind. Die Mainzer Schott AG hat sogar ihren eigenen Sportverein. Auch mit regelmäßigen Firmenevents wird gern geworben. Die Firma Nowi-Bau in Bad Breisig bietet sogar einmal im Jahr eine Kreuzfahrt für die Mitarbeiter an.
IHK: Kein Königsweg bei Fachkräftegewinnung
Doch bringen all diese Maßnahmen auch etwas? Aus Sicht der Industrie- und Handelskammern (IHK) in Rheinland Pfalz sind vor allem Individualität und Flexibilität gefragt: Je nach Branche, Zielgruppe, Qualifikationsniveau und Ressourcen müsse jeder Arbeitgeber seinen individuellen Weg finden, um adäquat auf die Fachkräftesituation zu reagieren.
Susanne Ditzer von der IHK Koblenz betont: "Den Königsweg gibt es nicht. Jedes Unternehmen muss selbst schauen, was für es der beste Mix ist." Ziel muss es ihrer Meinung nach sein, als Unternehmen in der Region bekannt zu sein: "Dass es heißt, da kannst du dich bewerben, da kannst du hin, das ist ein guter Arbeitgeber." Dafür brauche es vor allem eines: Authentizität und Transparenz.
Unternehmen sollten sich authentisch präsentieren
Sie plädiert für weniger "Hochglanzbildchen" auf Webseiten und gestellte Werbevideos, sondern ehrliche Einblicke in das Unternehmen und dessen Kultur. Dies sei etwa möglich durch Videos der Mitarbeiter auf Social Media, aber auch bei persönlichen Gesprächen bei Veranstaltungen wie dem "Azubi Speedating on Ice", dem Berufe-Festival oder Tagen der offenen Tür.
Das Entscheidende ist nicht nur, dass die Menschen kommen, sondern auch bleiben." Luisa Bohr, IHK Trier
Geschenke und Boni seien dabei zwar eine gute Sache, aber letztlich nicht das, worauf es ankommt. Das unterstreicht auch Luisa Bohr von der IHK Trier: "Das Entscheidende ist nicht nur, dass die Menschen kommen, sondern auch bleiben." Dafür müssten die Arbeitgeber eine Kultur der Wertschätzung leben und auf die Bedürfnisse der Beschäftigten eingehen - in welcher Lebenslage sie sich auch gerade befinden.
Firmenstandort ist oftmals entscheidend
Festhalten lässt sich, dass nicht jedes Konzept für jedes Unternehmen funktioniert - ein schlecht gemachtes Reel auf Instagram kann für Spott statt des erhofften Zulaufs sorgen und auch der beste Dienstwagen hilft nichts, wenn das Arbeitsklima zu wünschen übrig lässt. Ein wichtiger Faktor für die Arbeitgeberattraktivität ist laut IHK auch immer noch der Standort des Unternehmens.
Da der Fachkräftemangel durch den demografischen Wandel in den kommenden Jahren eher zu- als abnimmt, seien Politik und Wirtschaft gleichermaßen gefragt, Lösungen zu finden. Dazu gehöre der Einsatz von Technik wie Robotern und KI, um unattraktive Arbeiten zu erledigen, ebenso wie die Rekrutierung von Arbeitskräften aus dem Ausland.
Sendung am Do., 31.10.2024 16:00 Uhr, Der Tag in RLP, SWR1 Rheinland-Pfalz