Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform hat den neuen Schuldneratlas Deutschland 2024 vorgestellt. Thema ist unter anderem, wie sich Inflation und Zinsanstieg auf die Verschuldung von Bürgern auswirken.

Rheinland-Pfalz Trend zum Sparen - Weniger Menschen in Rheinland-Pfalz überschuldet

Stand: 19.11.2024 17:49 Uhr

Jedes Jahr im November legt die Wirtschaftsauskunftei Creditreform den bundesweiten Schuldneratlas vor. Der Trend diesmal zeigt: Die Zahl der Überschuldungen sinkt, die Menschen halten ihr Geld mehr zusammen. Das sind die Gründe.

Bundesweit waren im Oktober 2024 rund 5,56 Millionen Menschen überschuldet. Die Überschuldungsquote lag damit bei 8,09 Prozent. Im Vorjahr lag sie noch bei 8,15 Prozent. Die Zahl sank damit im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitpunkt leicht um 94.000 Fälle. Das entspricht einem Rückgang von 1,7 Prozent. 

Was bedeutet Überschuldung?

Überschuldung meint die Zahlungsunfähigkeit über einen längeren Zeitraum. Sie tritt ein, wenn jemand nicht mehr in der Lage ist, seine laufenden Rechnungen zu bezahlen. Ursache ist oft eine Verkettung problematischer Lebensereignisse wie Trennung, Scheidung, Arbeitslosigkeit oder längere Krankheit. Eine Person gilt als überschuldet, wenn ihre Verbindlichkeiten wie Miete und Kreditraten höher sind als ihr Vermögen. Zahlungsunfähig oder insolvent ist eine Person erst, wenn sie bereits fällige Forderungen nicht mehr bezahlen kann. Dann kann die Person einen Insolvenzantrag stellen. Bei Unternehmen gilt: Eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts liegt vor, wenn die Verbindlichkeiten höher sind als das Vermögen und das Fortbestehen höchst ungewiss ist. Bei einer Fortbestehensprognose wird die Wahrscheinlichkeit der künftigen Zahlungsunfähigkeit und damit der Abwicklung geprüft. Dafür werden Verlustursachen, Finanzierungsplan und Zukunftsaussichten des Unternehmens analysiert.

Die Zahl der überschuldeten Haushalte nahm aber um 3.000 Fälle geringfügig zu. Das entspricht einem Zuwachs von 0,1 Prozent. Die Gesamtsumme der Schulden beläuft sich auf 174 Milliarden Euro, ein Minus von 2,6 Prozent oder vier Milliarden Euro. Seit 2019 sank die Höhe der Verschuldung von damals 196 Milliarden Euro auf jetzt 174 Milliarden Euro. Seit 2020 ist die Zahl der überschuldeten Haushalte kontinuierlich von 3,42 Millionen auf nun 2,79 Millionen zurückgegangen. Ein Grund hierfür ist laut Creditreform auch die Corona-Pandemie. Denn die Menschen hatten weniger Gelegenheit, Geld auszugeben.   

Als weitere Gründe für die Verbesserung nennt Creditrefom unter anderem die erhöhte Sparquote und die Kaufzurückhaltung der Menschen wegen der Angst vor einer möglichen Ausweitung des Krieges Russlands gegen die Ukraine sowie die gesamtwirtschaftliche Lage. Zudem gebe es immer mehr Anfragen nach Ratenkrediten und "buy now – pay later“-Angeboten. Dabei wird damit geworben, Artikel jetzt zu kaufen und erst zu einem späteren Zeitpunkt zu bezahlen. Dies birgt allerdings die Gefahr, dass Verbraucher oder Verbraucherinnen sich überschätzen und zu viel auf Pump kaufen und sich dann in Zukunft doch verschulden.

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Arbeitslosigkeit wichtigster Grund für Überschuldung

Allerdings bleibe die Überschuldung trotz der zuletzt positiven Entwicklung ein großes Problem, so Creditreform. Denn die konjunkturelle Schwäche und der Strukturwandel belasteten die Wirtschaft und seien auch auf dem Arbeitsmarkt angekommen. So habe etwa die Langzeitarbeitslosigkeit zugenommen. Besonders betroffen sei das produzierende Gewerbe. Gleichzeitig stiegen die Preise für Lebenshaltung, Energie und Wohnen.

Hauptüberschuldungsgründe seien Arbeitslosigkeit, Trennung oder Scheidung und Krankheit. Auffällig ist, dass die Zahl der Menschen mit einem längerfristigen Niedrigeinkommen von 2015 bis heute um 182 Prozent gestiegen ist. Aber auch irrationales Konsumverhalten habe seit 2008 um rund 36 Prozent zugelegt.

Regional große Unterschiede in Rheinland-Pfalz

Rheinland-Pfalz belegt den Angaben zufolge beim Überschuldungsranking derzeit den zehnten Platz im Ländervergleich mit einer Quote von 8,27 Prozent. Nur sechs Bundesländer stehen noch schlechter da. Etwa 280.000 Menschen gelten bei uns als überschuldet. Am niedrigsten ist die Quote in Bayern (5,93 Prozent), am höchsten in Bremen (11,81 Prozent).

2023 hatte die Quote in Rheinland-Pfalz noch bei 8,36 Prozent gelegen und 2019 sogar noch bei über zehn Prozent.

In Rheinland-Pfalz gibt es aktuell große regionale Unterschiede. Mit am höchsten ist die Überschuldungsquote in Pirmasens (16,98 Prozent) und Kaiserslautern (12,73 Prozent) sowie in Ludwigshafen (14,35 Prozent). Damit hat Pirmasens die bundesweit zweithöchste Überschuldungsquote.  

Relativ niedrig sind die Zahlen in den Kreisen Trier-Saarburg (5,48 Prozent) sowie im Rhein-Pfalz-Kreis, im Kreis Südliche Weinstraße und im Kreis Mainz-Bingen mit Quoten von etwas über sechs Prozent. Auch die Landeshauptstadt Mainz hat mit 6,27 Prozent eine relativ niedrige Überschuldungsquote gemessen an der Bevölkerungszahl. Damit liegt Mainz hinter Potsdam bundesweit auf Platz zwei bei der niedrigsten Überschuldungsquote unter den Landeshauptstädten.

Für ihren Schuldneratlas wertet die Neusser Creditreform seit 2004 anonymisierte Daten aus amtlichen Registern, von Online-Händlern und aus anderen Quellen aus.

Rund 2.800 Anträge auf Privatinsolvenz in RLP im Jahr 2023

Wie das Schuldnerfachberatungszentrum an der Universität Mainz auf SWR-Anfrage mitteilte, wurden in den Beratungsstellen des Landes im vergangenen Jahr rund 22.000 Menschen beraten. 2.801 Anträge auf ein Verbraucherinsolvenzverfahren wurden gestellt. Im ersten Halbjahr 2024 waren es 1.487 Fälle. Auf das Gesamtjahr gerechnet hat sich hier also kaum etwas geändert.

Etwas anders verhält es sich bei den Unternehmensinsolvenzen. Allein im ersten Halbjahr gab es 431 Fälle, im ganzen Jahr 2023 waren es 330. Knapp 4.300 Arbeitsplätze seien betroffen.

Sendung am Di., 19.11.2024 13:00 Uhr, Der Nachmittag, SWR1 Rheinland-Pfalz

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