Das Landgericht von außen. Im Prozess um ein vergiftetes Baby wird am Donnerstag das Urteil am Landgericht Frankenthal erwartet.

Rheinland-Pfalz Mutter hat Baby vergiftet - Urteil: Zwei Jahre Haft auf Bewährung

Stand: 20.03.2025 10:24 Uhr

Im Prozess um ein vergiftetes Baby ist am Donnerstag das Urteil am Landgericht Frankenthal gesprochen worden. Die Mutter des Kindes bekommt zwei Jahre Haft auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung.

Es ist nicht alles schwarz oder weiß, manchmal, da ist es etwas komplexer, vielleicht kaum verständlich. So begründete die Vorsitzende Richterin, Mirtha Hütt, das Verhalten der angeklagten Mutter, den "vielschichtigen Charakter", wie die Richterin es nannte.

Die 42-jährige Mutter hatte vor sechs Jahre ihr eigenes Baby vergiftet. Das Kind krampfte, es bekam mehrere Atemstillstände, lief blau an. Es konnte noch gerade vor dem Tod gerettet werden.

Warum tut man seinem Kind so etwas an?

Im Urin des Kindes fand man später 380 Nanogramn Schmerzmittel. Schon etwa 100 Nanogramm können bei Erwachsenen lebensgefährlich sein.

Warum tut man seinem eigenen Kind so etwas Schlimmes an? Das Motiv war dem Gericht lange Zeit "ein großes Fragezeichen", so die Vorsitzende Richterin: Die Mutter war liebevoll und fürsorglich, sie hatte keine postnatale Depression und freute sich auf ihr Neugeborenes.

Sie hat das Kind nicht töten wollen, so die Richterin in ihrer Entscheidung. Die Mutter war verzweifelt, sie wollte das Krankenhaus mit dem Kind noch nicht verlassen, weil sie noch keine häusliche Unterstützung bekommen hätte. Sie wollte den Zustand des Kindes nur verschlechtern, damit sie nicht so früh nach Hause muss.

Strafe: Zwei Jahre Haft zur Bewährung und Zahlung an Kinderschutzbund

Die Mutter wurde am Donnerstag zu zwei Jahren Haft zur Bewährung verurteilt. Sie muss außerdem 1.000 Euro an den deutschen Kinderschutzbund in Speyer zahlen.

Der Verteidiger der angeklagten Mutter zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis. "Wenn ein versuchtes Tötungsdelikt angeklagt wird und wir so viele Tage vor dem Schwurgericht verhandeln und als Ergebnis ein Urteil wegen gefährlicher Körperverletzung verkündet wird, dann ist es als Erfolg zu bezeichnen", sagte der Anwalt Manfred Zipper.

Player: audioStrafverteiger Mandfred Zipper zu Urteil vor dem Landgericht Frankenthal

Seine Mandantin gehe es nicht so gut mit dem Urteil. Ursprünglich, zu Beginn des Prozesses, ging die Mutter davon aus, dass sie keine strafrechtliche Tat begangen habe. "Letztendlich hat man sie entlarvt und aufgeklärt, was auch aufklärungsbedürftig war", sagte der Anwalt.

Mit diesem Urteil folgt das Gericht dem, was auch der Verteidiger und die Staatsanwaltschaft gefordert hatten.

Nach Vergiftung im Speyerer Krankenhaus: Sechs Jahre später kam es zum Prozess am Landgericht Frankenthal

Außergewöhnlich ist der Fall, weil die Tat so lange her ist. Dass es viele Jahre danach nun überhaupt zu einer Verhandlung vor Gericht kam, liegt an den Recherchen der Polizei und Staatsanwaltschaft. Ermittlungen beim zuständigen Jugendamt hätten die Anklage möglich gemacht, sagte ein Gerichtssprecher.

Außergewöhnlich ist der Fall auch deshalb, weil es so viele Wendungen während des Prozesses gab. Und weil die Angeklagte so häufig log: Die Mutter täuschte zu Beginn eine Krebskrankheit vor. Sie verschwieg einem Schmerztherapeuten eine Schwangerschaft. Und sie täuschte das Gericht, indem sie vorgab, ihre Tochter habe das Morphium versehentlich über eine ausgelaufene Flasche oder durch das Nuckeln an Schmerzpflastern der Mutter aufgenommen.

Mutter soll an Münchhausen-by-proxy-Syndrom leiden

Am letzten Prozesstag stellte der vom Gericht beauftragte Psychiater sein Gutachten vor: Er bescheinigte der Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung. Ihr Handeln erklärte er mit dem "Münchhausen-by-proxy-Syndrom".

Dabei führen die Betroffenen bei anderen Menschen bewusst Krankheiten herbei, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Die 42-jährige Mutter sei seiner Meinung nach eine chronische Lügnerin.

Münchhausen-by-proxy-Syndrom
Das Münchhausen-by-proxy-Syndrom, oder auch Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom genannt, ist eine Form der Kindesmisshandlung. Dabei geht es darum, dass Betroffene Krankheitssymptome bei einer nahestehenden Person erfinden oder erzeugen, um eine medizinische Behandlung zu erreichen und so Aufmerksamkeit zu bekommen. Oftmals tritt es bei Müttern auf, die eine Krankheit bei ihrem Kind erfinden oder auslösen.

Staatsanwaltschaft und Verteidiger plädieren auf zwei Jahre Haft zur Bewährung

Letztendlich ergab ein Rechtsgespräch zwischen Anklage, Verteidigung und Gericht im Laufe des Prozesses, dass der ursprüngliche Vorwurf des versuchten Totschlags fallen gelassen wird und es nur eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung gibt.

Wie es mit der Tochter weitergeht, ist noch offen. Der Anwalt der Mutter, der sie auch bei familienrechtlichen Angelegenheit begleitete, geht davon aus, dass das Jugendamt die Familie weiter eng betreuen wird und eine Lösung gefunden wird.

"Es ist gut und richtig, dass der Prozess jetzt einen Abschluss gefunden hat", sagte die Richterin zum Abschluss. "Und es ist gut und richtig, dass die Familie nun damit abschließen kann."

Sendung am Do., 20.3.2025 10:00 Uhr, SWR4 am Vormittag, SWR4

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