Jugendliche nutzen stark soziale Medien - und kommen so auch mit Fake News in Berührung.

Rheinland-Pfalz Interview: "Social Media ist die Welt der Kinder"

Stand: 13.11.2024 15:41 Uhr

Mehr als 100 Schülerinnen und Schüler haben beim Jugendmedientag im SWR-Funkhaus hinter die Kulissen geschaut. Es ging dabei vor allem um das Thema Fake News.

Thomas Nettelmann, Leiter der Redaktion Landespolitik im SWR Mainz, ist schon seit Jahren in Schulen oder bei Veranstaltungen wie dem Jugendmedientag unterwegs, um mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Wir haben ihn gefragt, warum er das macht und welche Rückmeldungen er von den Schülerinnen und Schülern bekommt.

SWR klärt Schülerinnen und Schüler über Fake News auf

SWR Aktuell: Was hast du den Kindern heute beim Jugendmedientag überhaupt erzählt?

Thomas Nettelmann: Bei mir ist die hauptsächliche Richtung Desinformationen. Wir haben ja hier den Nachrichtentag, aber mir geht es jetzt nicht so sehr um die Nachrichten. Was ist eine Nachricht oder wann wird etwas zur Nachricht? Mir geht's eher darum: Was ist eine Fake News? Die wir ja ganz viel antreffen, vor allen Dingen im Bereich Social Media.

Auch "Digitale Kloake" in einer Flut von Information

SWR Aktuell: Wieso findest du gerade das Thema so spannend für Kinder und Jugendliche?

Nettelmann: Ich erlebe das immer wieder, wenn ich in Klassen bin und dann abfrage, wer wie wo unterwegs ist. Also ich frage nach TikTok, Instagram, Twitch, Snapchat - und da gehen dann immer alle Hände hoch. Und das lineare, so wie wir es kennen, wird natürlich nicht konsumiert. Das heißt also, Social Media ist die Welt der Kinder. Man muss wirklich so deutlich formulieren: nicht sie halten sich da auf, sondern das ist deren Welt.

Und da haben wir es natürlich mit einer Flut von Informationen zu tun. Natürlich auch richtig gute und vielfältige Informationen. Aber es gibt eben auch einen dunklen Bereich. Ich nenne das immer die digitale Kloake, wo ganz viel Fake steht - aus Versehen oder eben auch bewusst gemacht aus politischen Gründen, aus finanziellen Gründen.

Tipps: Fake News erkennen

  • Nachdenken: Kommt dir eine Nachricht komisch vor? Kann das wirklich stimmen? Wenn du zweifelst, solltest du vorsichtig sein und dir die Nachricht genauer anschauen.
  • Quelle prüfen: Woher kommt die Nachricht? Kann man dem*der Verfasser*in trauen? Ist der Kanal, auf dem die Nachricht veröffentlicht wurde, vertrauenswürdig?
  • Impressum checken: Ein Anhaltspunkt für vertrauenswürdige Medien ist ein Impressum. Darin wird angegeben, wer für den Inhalt rechtlich verantwortlich ist.
  • Fakten prüfen: Sind die angeblichen Fakten belegbar? Manchmal lohnt sich schon eine kleine Internet-Suche nach einem Stichwort aus einem Artikel.
  • Mehrere Quellen suchen: Taucht die Nachricht noch in anderen vertrauenswürdigen Quellen auf?

SWR Aktuell: Wie nehmen die Jugendlichen das auf, welche Fragen oder Kommentare kommen da?

Nettelmann: Ich habe eine Geschichte, das kam auch über Social Media, dass in Kaiserslautern ein 15-Jähriger seine Eltern erschießt, weil sie ihm den Internetzugang verboten haben. Da ist eigentlich für uns offensichtlich: Da stimmt was nicht. Auch daran, wie die Meldung aufgemacht worden war, sieht man sofort, da ist was nicht in Ordnung. Da merke ich aber bei vielen Schülern, dass sie erst einmal geschockt sind und dann Fragen stellen wie: Woher hat er die Waffe? Und wie konnte das eigentlich passieren? Sie nehmen es also auf, als ob es wirklich passiert wäre. Das erlebt man schon. Und ich versuche dann immer wieder, ihnen klar zu machen: Im Grunde darf man gar nichts mehr glauben, es ist alles zu hinterfragen.

Mit KI eine neue Qualität von Fake News

Und vor allen Dingen mit KI kriegen wir da noch mal eine ganz neue Qualität. Ich zeige dann auch Beispiele, wie sie jetzt auch im US-Wahlkampf angewendet worden sind. Da wurde die Stimme Joe Biden KI-generiert, die dann Leute angerufen hat, um sie vom Wählen abzuhalten. Man hört es nicht, dass das von einer Künstlichen Intelligenz erzeugt ist. Dann sage ich den Schülern, wir kommen jetzt in eine Phase, wo ich bei einer Sprachnachricht nicht mehr sicher sein kann: Kommt die von einer Freundin und hat sie das auch wirklich so gesagt? Das sind ganz einfache Tools. Man braucht heute keine große IT-Infrastruktur mehr, um so etwas zu machen. Da hole ich mir so ein Tool und kann zu Hause alles Mögliche produzieren, auch Videos. Das ist schon eine ganz neue Qualität.

SWR Aktuell: Aber siehst du auch positive Entwicklungen?

Nettelmann: In den Klassen gibt es auch ganz viele, die kritisch sind und denen sofort Dinge auffallen. Also in dem Beispiel, was ich genannt habe, mit dem 15-Jährigen, der angeblich seine Eltern erschossen hat. Da war dann oben eine ganz komische Internetadresse, das fällt dann schon einigen auf. Teilweise eher als den Erwachsenen.

SWR Aktuell: Wo siehst du noch ganz akuten Entwicklungsbedarf? Was müssten Schulen oder die Politik noch machen?

Nettelmann: Es geht wirklich darum, denen das Werkzeug an die Hand zu geben, also Nachrichten- und Informationskompetenz zu vermitteln. Also ganz klar zu sagen: Wann ist eine Nachricht wirklich eine Nachricht? Auf was muss ich da achten? Was ist die Quelle, ist es eine bloße Behauptung, von wem kommt das? Machen es auch andere? Also ich muss dann nach links und rechts gucken. Das muss ganz dringend gemacht werden. Und ansonsten sind wir in einem Prozess, weil es immer wieder neue Entwicklungen gibt. Und ich muss ganz ehrlich sagen bei diesen KI generierten Fake News bin ich teilweise auch ratlos. Was willst du da machen?

SWR Aktuell: Ganz herzlichen Dank!

Sendung am Mi., 13.11.2024 16:00 Uhr, SWR Aktuell Rheinland-Pfalz, SWR RP