VW-Logo auf der Volkswagen-Unternehmenszentrale in Wolfsburg

Nordrhein-Westfalen VW-Krise: Ist die Zeit der deutschen Autobauer vorbei?

Stand: 30.10.2024 15:07 Uhr

Eine Leitindustrie mit Millionen Beschäftigten steckt in der Krise. Was würde ein Niedergang der Automobilindustrie bedeuten?

Von Andreas Poulakos

Die Nachrichten aus Wolfsburg sind alarmierend. Der Volkswagen-Konzern hat im dritten Quartal einen herben Gewinneinbruch erlitten. Schlechte Verkaufszahlen sowie der geplante Kapazitäts- und Stellenabbau im Konzern belasten die Bilanzen. Wie VW am Mittwoch mitteilte, sackte der Gewinn nach Steuern um 64 Prozent auf 1,58 Milliarden Euro ab - auch weil es für VW im wichtigen Markt China ebenfalls schlecht läuft.

Rund zwei Millionen Arbeitsplätze in Gefahr

Zwar steht keins der zehn deutschen Volkswagen-Werke in NRW. Dennoch könnten die angekündigten Einschnitte auch hier große Auswirkungen haben. Knapp 200.000 Menschen arbeiten im Land bei rund 800 Zulieferern der Automobilbranche. Gelingt die Transformation der Branche nicht oder kommen noch weitere Probleme hinzu, wären bundesweit rund zwei Millionen Arbeitsplätze akut gefährdet.

Es wäre nicht das erste Mal, dass ganze deutsche Industriezweige sang- und klanglos verschwinden, meint Jens Südekum, Professor für International Economics an der Uni Düsseldorf, im Gespräch mit dem WDR. Einst so wichtige Branchen wie die Textilindustrie sowie Hersteller von Unterhaltungs- und Haushaltselektronik spielten heute keine Rolle mehr. "Es gibt keine Garantie dafür, dass dies in der Autoindustrie nicht auch passieren könnte."

Jens Südekum

Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum

Die Folgen wären hart, meint Südekum: "Eine noch nicht dagewesene Deindustrialisierung, die in der Tendenz bereits jetzt spürbar ist." Dies würde in der Folge wohl nicht nur die Automobilindustrie treffen, sondern alle energieintensiven Branchen wie Chemie und Stahl. Sollte das passieren, wäre das ein "extremer Schock für die gesamte deutsche Volkswirtschaft", so Südekum.

Massenarbeitslosigkeit droht wohl nicht

Zwar drohe wohl auch im schlimmsten Fall keine Massenarbeitslosigkeit wie in den 1980er-Jahren, meint Südekum. "Wenn Menschen heute ihren Arbeitsplatz in der Autoindustrie verlieren, hätten sie ganz gute Chancen woanders unterzukommen." Allerdings wohl kaum in der produzierenden Industrie und auf keinen Fall zu den guten Konditionen, die sie gewohnt sind.

Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) während einer Podiumsdiskussion der IAA MOBILITY, Archivbild: 05.09.2023

Hildegard Müller, VDA-Präsidentin

Man sei sich der Verantwortung für den Standort Deutschland bewusst, sagte am MIttwoch Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, dem WDR. "Die Lage ist ernst." Daher werde die Branche mittelfristig massiv in die nötige Transformation zur Elektromobilität investieren: 280 Milliarden Euro seien für die Entwicklung neuer Produkte vorgesehen, 130 Milliarden für die nötige Umgestaltung der Werke. Auch schmerzhafte Einschnitte seien nötig, um auf lange Sicht die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu sichern.

Premiumhersteller müssen jetzt handeln

Noch sei es dafür nicht zu spät, meint Wirtschaftswissenschaftler Südekum. Insbesondere im Premiumbereich machten Hersteller wie Porsche und BMW aktuell noch recht gute Geschäfte. Allerdings sei abzusehen, dass chinesische Hersteller in naher Zukunft auch diesen Markt mit günstigeren und qualitativ ordentlichen Modellen angreifen werden.

Investitionen in die Entwicklung von E-Autos, die Tesla und chinesischen Marken in nichts nachstehen und trotzdem bezahlbar bleiben, müssten jetzt erfolgen. Ohne den Abbau von Stellen werde es wohl trotzdem nicht funktionieren. "Es wird jetzt ziemlich hässlich".

Unsere Quellen

  • Deutsche Presse Agentur
  • Interview mit Jens Südekum
  • Interview mit Hildegard Müller