OVG-Urteil zu Asylbewerbern aus Syrien

Nordrhein-Westfalen Reul begrüßt OVG-Urteil zu Asylbewerbern aus Syrien

Stand: 24.07.2024 11:04 Uhr

Der NRW-Flüchtlingsrat bezeichnet ein Urteil des OVG zum Schutzstatus von Syrern als verheerend, Innenminister Reul hofft hingegen auf konsequente Umsetzung.

Von Philip Raillon und Rainer Striewski

In Syrien ist das Leben von Zivilisten nach Ansicht deutscher Richter nicht mehr ernsthaft bedroht. Das Oberverwaltungsgericht Münster wies deshalb die Klage eines Syrers ab. Er hatte gerichtlich erzwingen wollen, einen Flüchtlingsstatus oder zumindest den sogenannten subsidiären Schutz in Deutschland zu bekommen.

OVG-Urteil deutet Richtungsänderung für Syrer an

Das Urteil deutet eine Richtungsänderung an und ist für viele Syrer in Deutschland relevant. Viele haben nämlich keinen formalen Flüchtlingsstatus, sondern nur einen subsidiären Schutz.

Dieser reicht aus, um in Deutschland leben zu können. Die Erlaubnis wurde aber bislang immer nur für zwei Jahre ausgestellt und musste dann neu erteilt werden. Erst seit kurzem wird der subsidiäre Schutz für drei Jahre gewährt. Das klappt aber jeweils nur, wenn die entsprechenden Gründe weiter vorliegen.

OVG: Anschläge seien nicht mehr häufig genug

Bislang haben die Behörden und auch die Gerichte die Voraussetzungen bei Syrern in der Regel bejaht. Das OVG in Münster ist jetzt das erste wichtige Gericht, das die Gründe verneint.

Die Richter argumentieren, dass es zwar in Syrien weiter Anschläge und bewaffnete Auseinandersetzungen gäbe - diese seien aber nicht mehr häufig genug.

Zwar fänden zum Beispiel in der Provinz Hasaka noch bewaffnete Auseinandersetzungen statt und es gebe gelegentlich Anschläge auf kurdische Einrichtungen. Zivilisten müssten jedoch nicht mehr damit rechnen, getötet oder verletzt zu werden, so das Gericht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, eine Revision wurde aber nicht zugelassen.

Reul: "Planungssicherheit für die Ausländerbehörde"

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) begrüßte das Urteil als "Klarheit, die die Politik bisher vermissen ließ". Man müsse jetzt sehen, wie es in die Praxis umgesetzt werden könne. "Wünschenswert wäre, dass diese Entscheidung nun zu konsequenter Umsetzung und zu mehr Planungssicherheit für die Ausländerbehörden führt", so Reul.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig

Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW

Birgit Naujoks: "Urteil ist fatal und verheerend"

Bei Flüchtlings-Organisationen trifft das Urteil hingegen auf Unverständnis. "Das OVG entscheidet an der Realität vorbei", sagt Wiebke Judith von Pro Asyl. Das Auswärtige Amt und die Asylagentur der EU gingen davon aus, dass es in Syrien weiter eine Konfliktlage gäbe, so Pro Asyl. Ähnlich sieht es der NRW-Flüchtlingsrat. "Das Urteil ist fatal und verheerend", sagt Geschäftsführerin Birgit Naujoks.

Der Flüchtlingsrat hofft, dass andere Gerichte und auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) der Einschätzung nicht folgen werden. Das BAMF kann vorgeben, ob der subsidiäre Schutz weiterbesteht oder eben nicht.

Der Flüchtlingsrat befürchtet, dass das Urteil der Münsteraner OVG-Richter unter Syrerinnen und Syrern in NRW große Sorgen auslösen wird.

Syrern droht keine Abschiebung

Das Urteil bedeutet aber nicht, dass nun alle betroffenen Syrer bald mit einer Abschiebung rechnen müssen. Das verhindert noch ein bundesweites Abschiebeverbot. Und auch faktisch sei eine Abschiebung nach Syrien aktuell nicht möglich, so das zuständige NRW-Familienministerium.

Nötig für eine Abschiebung sei ohnehin, dass im Einzelfall kein Aufenthaltstitel mehr vorliegt - und für die ist das BAMF zuständig. Das BAMF will für eine weitere Bewertung erstmal die Begründung des OVG-Urteils abwarten. Diese steht noch aus.

Die FDP im NRW-Landtag begrüßt die Entscheidung. "Ein subsidiärer Schutz für Migranten aus Syrien ist nicht mehr angemessen", so der Fraktionsvorsitzende Henning Höne. Es brauche nun mutige Weichenstellungen, damit mehr Menschen abgeschoben werden könnten.

Zuletzt hatte es zum Beispiel auch vom Landkreistag und aus der CDU Forderungen gegeben, Syrern den subsidiären Schutz - der bereits die unterste Ebene für Schutzsuchende ist - nicht mehr zuzusprechen. Dagegen wandte sich der Verband Pro Asyl, der dadurch eine Aufwertung des Regimes von Machthaber Baschar al-Assad in Syrien befürchtet.

Gericht: Kläger wegen Straftaten von Asylschutz ausgeschlossen

Im konkreten Fall des OVG NRW benannten die Richter einen weiteren Grund, der sowohl gegen die Anerkennung als Flüchtling als auch die des subsidiären Schutzes spreche: Der klagende Syrer hatte sich vor seiner Einreise nach Deutschland an der Einschleusung von Menschen aus der Türkei nach Europa beteiligt. Er war deswegen in Österreich bereits zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. 

Schon wegen der von ihm begangenen Straftaten sei er daher von der Zuerkennung subsidiären Schutzes ausgeschlossen, betonte das Gericht. Der Kläger war vor Gericht gezogen, weil er den vollen Schutzstatus als Flüchtling zugesprochen bekommen wollte.

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporter
  • dpa
  • OVG Münster
  • Statement NRW-Innenminister Herbert Reul