Nordrhein-Westfalen Stellenabbau bei Thyssenkrupp: IG Metall warnt vor Dominoeffekt
Deutschlands größte Stahlfirma Thyssenkrupp will bis 2030 tausende Jobs abbauen. Auch ein schwarze Zahlen schreibender Standort in NRW soll komplett dicht gemacht werden.
Die Stahl-Tochter von Thyssenkrupp leidet schon länger unter hohen Energiekosten, geringer Nachfrage und globalen Überkapazitäten. Gleichzeitig gibt es Konkurrenz durch billigeren Stahl aus Asien. All das führt jetzt zu einem großen Umbau: Von aktuell 27.000 Arbeitsplätzen sollen bis 2030 rund 11.000 abgebaut werden - 6.000 Stellen davon könnten zu Dienstleistern ausgelagert werden.
Thyssenkrupp-Standort im Siegerland wird geschlossen
Der Standort Kreuztal-Eichen im Siegerland soll - trotz schwarzer Zahlen - geschlossen werden. Viele Stahlwerker fürchten nun um ihre Zukunft in dem Unternehmen.
Vorstandssprecher Dennis Grimm erklärte, es sei weiter das Ziel, dass Mitarbeitern nicht gekündigt werde. Stattdessen könnten Stellen nicht neu besetzt werden, wenn jemand in Rente geht.
IG Metall-Vorsitzender warnt vor Dominoeffekt
IG Metall-Bezirksleiter Knut Giesler bekräftigte die "roten Linien" der Gewerkschaft: "keine betriebsbedingten Kündigungen, keine Standortschließungen". Solange das nicht abgesichert sei, würden keine Verhandlungen geführt. "Wir wissen, dass eine Restrukturierung notwendig ist", räumte er ein. "Dem haben wir uns nie entgegengestellt, aber eine Restrukturierung muss Sinn machen." Bislang vorgestellte Pläne seien unsinnig.
Stahlindustrie als Herzstück des Ruhrgebiets
Giesler, der auch Vize-Aufsichtsratsvorsitzender von Thyssenkrupp Steel ist, warnte im Deutschlandfunk vor einem Dominoeffekt infolge des geplanten Arbeitsplatzabbaus: "Der Stahl ist sozusagen der Grundstoff, wovon das ganze Ruhrgebiet, das ganze Siegerland und Sauerland lebt." Gerade die mittelständische Industrie hänge vom Stahl ab. Deshalb müssten der Standort, die Arbeitsplätze und die Wertschöpfungskette gesichert werden.
Gewerkschaft: Politik soll für "wettbewerbsfähige Energiekosten" sorgen
Mobiles Betriebsratsbüro vor dem Werkstor bei Thyssenkrupp Steel in Duisburg
IG-Metall-Chefin Christiane Benner forderte die Politik auf, für "wettbewerbsfähige Energiekosten" zu sorgen, Konzernvorstände müssten "Alternativen" entwickeln. Dem Thyssenkrupp-Management mangele es an "Zuversicht und Demut", kritisierte Benner. Wie in der ebenfalls kriselnden Automobilindustrie gingen Maßnahmen bisher nur zu Lasten der Beschäftigten. Benner bat die Arbeitgeber, einen Beitrag zu leisten.
NRW-SPD: Arbeitsverdichtung muss rechtlich geprüft werden
Die NRW-SPD äußerte Bedenken, dass der Arbeitsschutz bei dem geplanten Abbau gewährt werden kann. Die Abgeordnete Lena Teschlade kritisierte in einer Sondersitzung im NRW-Landtag die zunehmende Arbeitsverdichtung. Sie forderte eine Gefährdungsbeurteilung durch den Arbeitgeber, die dann von der zuständigen Behörde geprüft werden müsse.
Wüst: "Schock für tausende Beschäftigte und ihre Familien"
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sprach von einem Schock für tausende Beschäftigte und ihre Familien. Der Stellenabbau müsse sozialverträglich ablaufen und Thyssenkrupp seiner sozialen Verantwortung nachkommen. Stahl müsse außerdem eine Zukunft in Deutschland haben, betonte Wüst. Daher sei es entscheidend, dass Deutschland wettbewerbsfähige Unternehmen habe.
Die Landesregierung hat klare Erwartungen an Thyssenkrupp, dass es zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommt.
Hendrik Wüst, NRW-Ministerpräsident
Es ist längst nicht die erste Hiobsbotschaft für Mitarbeitende bei Thyssenkrupp. Zuletzt mussten die Beschäftigten in Neubeckum eine ähnlich bittere Nachricht schlucken. Dort hieß es im Spätsommer und vor wenigen Wochen jeweils: 150 Stellen fallen weg.
Ein Sprecher sagte, dass damit fast ein Drittel der tausendköpfigen Belegschaft in Neubeckum von den Einsparmaßnahmen betroffen sei. Viele davon haben über ein Freiwilligenprogramm das Unternehmen, die Thyssenkrupp Polysius GmbH, inzwischen verlassen.
Die Probleme werden mehr
Bei Thyssenkrupp gibt es mittlerweile eine ganze Reihe Baustellen. Ein zentraler Knackpunkt davon ist der klimaneutrale Umbau des Konzerns. Dabei geht es darum, die Produktion auf Wasserstoff umzustellen, um von der umweltschädlichen Kohle wegzukommen.
Fachleute halten das für eine riesige Herausforderung. Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) sieht im klimaneutralen Umbau die einzige Lösung "für das Fortbestehen des Unternehmens".
Die Landes- und Bundesregierung stecken dafür zwei Milliarden Euro an Subventionen in den Konzern. Aus der Politik kommen aber Zweifel und eher düstere Prognosen. Auch viele Mitarbeitende sind skeptisch, ob der Umbau gelingen kann.
In den vergangenen Wochen hatten bereits mehrere weitere Großunternehmen den Abbau von Jobs sowie teils Fabrikschließungen angekündigt - darunter die Autobauer Volkswagen und Ford sowie der Automobilzulieferer Bosch.
Unsere Quellen:
• Pressemitteilung Thyssenkrupp Steel
• WDR Reporter vor Ort
• Nachrichtenagentur Reuters, AFP, dpa