Nordrhein-Westfalen Obszöne Gesten und Beleidigungen: "Catcalling" soll verboten werden
Sexuelle und obszöne Äußerungen auf offener Straße: Niedersachsen will "Catcalling" bundesweit strafbar machen.
Eine Frau läuft durch die Straßen und plötzlich werden ihr sexuelle Äußerungen hinterhergerufen oder jemand macht obszöne Gesten. Diese Art der Belästigung nennt man Catcalling. Das Land Niedersachsen will einen Gesetzesentwurf dazu in den Bundesrat einbringen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Was genau ist "Catcalling"?
Der Begriff "Catcalling" bedeutet so viel wie "Katzen-Rufen". In der Regel geht es dabei um sexuelle Belästigung ohne Körperkontakt im öffentlichen Raum - zum Beispiel in der U-Bahn oder in einer Bar. Beispiele dafür sind etwa sexistische Sprüche oder Situationen, in denen ein Mann eine Frau anzüglich anstarrt und ihr dann hinterherläuft. Unter "Catcalling" versteht man auch Belästigungen durch das Senden sexueller Nachrichten, Bilder und Videos - etwa über Messengerdienste. Offizielle, einheitliche Kriterien zu "Catcalling" gibt es aber nicht.
Es gibt immer wieder Fälle, in denen sich eine Betroffene belästigt fühlt, das Gegenüber jedoch seine Aussagen als Kompliment verstanden haben will. Initiativen gegen "Catcalling" sagen, dass es dabei oft um Machtdemonstration gehe. Anders als bei einem Kompliment wolle man mit "Catcalling" dem Gegenüber kein positives Gefühl geben.
Warum soll es ein Gesetz geben?
Viele Fälle von "Catcalling" fallen nicht unter den Strafbestand der Beleidigung und können auch nicht als Ordnungswidrigkeit eingeordnet werden. Ein konkretes Beispiel gibt es aus Mecklenburg-Vorpommern. Dort hatte ein 65-Jähriger eine Elfjährige auf offener Straße obszön angesprochen. Der Bundesgerichtshof urteilte später, dass seine Worte nicht den Strafbestand der Beleidigung erfüllten. Diese Gesetzeslücke will das Land Niedersachsen schließen.
Viel zu viele Mädchen und Frauen müssen bislang erleben, dass Männer sie mit Worten oder Gesten zum bloßen Sexualobjekt degradieren.
Kathrin Wahlmann, Niedersächsische Justizministerin (SPD)
Da es sich um ein Bundesgesetz handelt, ist der Handlungsspielraum der niedersächsischen Justizministerin begrenzt. Deshalb will sie den Gesetzesentwurf in den Bundesrat bringen - bei der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder im Juni. In den Niederlanden ist "Catcalling" übrigens seit dem Sommer strafbar. Vor kurzem gab es dort ein erstes Urteil. In Rotterdam wurde ein Mann zu einer Geldstrafe verurteilt.
Wie groß ist das Problem "Catcalling"?
Eine Befragung des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zeigt, dass "Catcalling" ein großes Problem ist. Die Studienmacher haben fast 4.000 Menschen zu Catcalling befragt, vor allem Frauen. Fast alle berichteten von Situationen, in denen sie wegen ihres Aussehens bewertet oder angestarrt wurden.
Mehr als die Hälfte gab an, in den vorangegangen Monaten aufgrund des eigenen Geschlechts beleidigt worden zu sein oder sexistische Sprüche, sexistische Annäherungsversuche oder anzügliche Bemerkungen gehört zu haben. Das durchschnittliche Opfer ist demnach 19 Jahre alt und meist allein unterwegs. Betroffen sind vor allem Frauen und Menschen aus der LGBTQ+-Community.
Welche Folgen hat das?
"Catcalling" kann erhebliche Folgen für die Betroffenen haben.
Solche sexuellen Zudringlichkeiten dürfen nicht verharmlost werden, nur weil sie ohne Körperkontakt stattfinden. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass viele Befragte unter verschiedensten Folgen von Catcalling leiden.
Laura-Romina Goede, Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen
In der Befragung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen gab über die Hälfte der Betroffenen an, ängstlicher geworden zu sein. Zudem sagten viele, dass sie sich unsicherer fühlen, wenn sie nachts alleine unterwegs sind, und bestimmte Orte meiden. Konkrete körperliche Folgen können zudem Schlafstörungen, Müdigkeit oder Antriebsarmut sein.
Was kann man tun, wenn man "Catcalling" erlebt?
Als betroffene Person ist es zunächst wichtig, sich in der Situation selbst in Sicherheit zu bringen und auf Abstand zum Täter oder den Tätern zu gehen, empfehlen verschiedene Initiativen gegen "Catcalling". Später sei es oft hilfreich, über das Erlebte zu sprechen. Das könne man mit Freunden oder mit der Familie tun, es gibt aber auch professionelle Anlaufstellen. Auf dem Opferschutzportal der NRW-Landesregierung kann nach Angeboten in der eigenen Region gesucht werden. Dort bekommt man auch anonyme Hilfe - unabhängig davon, wie lange der eigentliche Vorfall her ist.
Wer einen Fall von "Catcalling" in der Öffentlichkeit als Zeuge oder Zeugin beobachtet, sollte die Situation ernst nehmen, sagen Initiativen. Man kann sich bemerkbar machen, damit die betroffene Person weiß, dass sie nicht allein ist und auch dem Täter bewusst ist, dass er beobachtet wird. Der betroffenen Person kann man Hilfe anbieten und auch umstehende Personen ansprechen und sie zur Hilfe holen.
Unsere Quellen:
- Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen
- Berichterstattung des NDR
- Berichterstattung der tagesschau
- Opferschutzportal Nordrhein-Westfalen
- Catcalls of Bremen
- Stadt Leipzig
- Stadt Marburg