Symbolbild: Eine Pflegekraft läuft einen Krankenhausflur entlang

Nordrhein-Westfalen NRW-Krankenhausreform: Zu wenig Reha-Plätze befürchtet

Stand: 03.11.2024 06:00 Uhr

Die neue Krankenhausplanung ist fast fertig. Doch sie schließt Reha-Kliniken von einer speziellen Reha für Schlaganfallpatienten aus. Es droht eine Unterversorgung.

Von Martina Koch

Christiane Dubois besucht jeden Tag ihren Lebenspartner in einer Pflegeeinrichtung in Mülheim an der Ruhr. Gerd hatte vor acht Jahren einen Herzstillstand. Sein Leben wurde zwar gerettet, aber das Krankenhaus kümmerte sich nicht um seinen Hirnschaden. Die Ärzte hatten ihn aufgegeben, erinnert sich Christiane Dubois. Erst Monate später bekam sie für Gerd einen Platz in einer Rehaklinik. Immerhin sitzt er jetzt im Rollstuhl, kann an guten Tagen mit Hilfsmittel laufen.

Christiane Dubois denkt manchmal darüber nach, ob nicht Chancen verpasst worden seien: "Würde Gerd nicht besser dastehen, wenn man sofort von Anfang an die Therapie gemacht hätte?“

Chancen durch Neuro-Frühreha

Bei Unfallopfern mit Kopfverletzungen, Menschen mit Schlaganfall oder Hirnschädigungen durch Herzstillstand oder Nervenerkrankungen entscheidet die neurologische Frühreha oft darüber, wie normal Patientinnen und Patienten danach weiterleben können, oder ob sie dauerhaft Pflegefälle bleiben.

Die Idee der Neuro-Frühreha: Wenn die unmittelbare Lebensgefahr vorbei ist, werden die Patienten umfassend mobilisiert; 300 Minuten täglich. Zum Beispiel können Muskeln durch Radfahren im Bett aufgebaut werden. Es gibt Sprech- und Schlucktraining durch Logopäden. Und die Patienten sollen möglichst früh viele Aufgaben, wie Zähne putzen, selbst übernehmen. Dafür ist viel Personal nötig und macht die Behandlung ziemlich teuer.

Rehakliniken mit Personal und Expertise

Rehakliniken bieten seit vielen Jahren solche Behandlungen an. Zum Beispiel die VAMED Klinik Hagen-Ambrock. 80 Therapeuten kümmern sich hier um Schwerstbetroffene. Dennoch muss die Klinik täglich Patienten ablehnen. Für jede Behandlung müsse die Klinik mit der jeweiligen Krankenkasse einen Einzelvertrag schließen, so der Chefarzt der Neurologie, Christoph Schäfer. Und jetzt gebe es erste Signale, dass die Krankenkassen das ab dem kommenden Jahr nicht mehr machen werden. Unter diesen Bedingungen sei es leider nicht mehr möglich solche Patienten zu behandeln, so der Chefarzt im Interview mit dem WDR.  Man möchte das ausdrücklich nicht, aber derzeit sehe so aus, also würde den Rehakliniken die wirtschaftliche Grundlage dafür entzogen.

Gesundheitsministerium setzt auf Akutkrankenhäuser

Hintergrund ist die Krankenhausreform in NRW. Danach sollen Rehakliniken die Neuro-Frühreha nicht mehr machen. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) will die Neuro-Frühreha stattdessen fast ausschließlich von Krankenhäusern durchführen lassen. "Weil einfach auch Akutmedizin gebraucht wird“, erklärt der Minister gegenüber dem WDR.

Spielen finanzielle Gründe eine Rolle?

Karl-Josef Laumann (CDU), Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, spricht zu den Abgeordneten

Gesundheitsminister Laumann (CDU)

Dabei spielen wohl auch finanzielle Erwägungen eine Rolle. Kliniken, die in den neuen Krankenhausplan des Landes aufgenommen werden, erhalten vom Land Geld für Investitionen.  Kämen die Rehakliniken dazu, würde es teurer. „Ich mache hier keine Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen, bei der wir anschließend mehr Krankenhäuser haben als vorher“, gibt Laumann offen zu.

Neurologen befürchten Unterversorgung

Krankenhäuser und Rehakliniken haben landesweit gut 13.200 Behandlungen der Neuro-Frühreha beantragt. Das Gesundheitsministerium will nur knapp die Hälfte, rund 6.200, genehmigen. Dabei sollen viele Häuser maximal 100 Patienten im Jahr behandeln. Für Betroffene werde das erhebliche Konsequenzen haben, befürchtet Christoph Schäfer, der auch Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Neurorehabilitation NRW ist.

"Neuro-Frühreha" in NRW

"Neuro-Frühreha" in NRW

Im ländlichen Raum, etwa in der Eifel, im Münsterland oder Sauerland, könnte es so zu einer Unterversorgung kommen. Auf Nachfrage zeigt sich Laumann lediglich bei den geplanten Fallzahlen flexibel. Krankenhäuser, die einen guten Ruf hätten und in die viele Menschen wollten, könnten auch mehr Leute behandeln als im Plan stehe, so Laumann.

Selbsthilfegruppe gibt nicht auf

Noch ist die neue Krankenhausplanung nicht abgeschlossen, erst kurz vor Weihnachten werden die Kliniken die endgültigen Bescheide vom Land erhalten. Deshalb wird die Reform auch erst zum ersten April 2025 in Kraft treten und es in manchen Bereichen Übergangsfristen geben.

Christiane Dubois versucht anderen Betroffenen und ihren Angehörigen zu helfen. In der "Wachkoma Angehörigen-Selbsthilfe NRW“ sammelt sie derzeit Unterschriften für eine Petition an den Landtag. Das Ziel: Neuro-Frühreha auch den Rehakliniken zu übertragen. Jeder sollte standardisiert diese Frühreha bewilligt bekommen, so Dubois. Sie befürchtet auch weiterhin eine Art Lotterie: Ob man einen Platz bekommt oder nicht - reine Glückssache.

Darüber berichten wir am 3.11.2024 im WDR auch im Fernsehen: Westpol, ab 19:30 Uhr.