Schütze und Anwalt Krekeler im Gerichtssaal

Nordrhein-Westfalen Freispruch für Polizisten im Fall Mouhamed Dramé: Revision eingelegt

Stand: 16.12.2024 15:16 Uhr

Am Donnerstag hatte das Dortmunder Landgericht das Urteil gegen fünf Polizisten wegen eines tödlichen Polizeieinsatzes verkündet. Sie alle wurden freigesprochen. Am Montag erklärte die Staatsanwaltschaft, dass sie gegen einen Freispruch Revision eingelegt hat.

Von David Peters, Catherine Jaspard

Die Revision der Dortmunder Staatsanwaltschaft bezieht sich auf den Freispruch für den Einsatzleiter. Für ihn hatte die Staatsanwaltschaft zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung gefordert. Mit dem Freispruch ist sie nicht einverstanden. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe wird sich mit dem Urteil beschäftigen müssen und das Urteil auf mögliche so genannte Rechtsverletzungen untersuchen.

Fall Dramé: Urteil im Polizisten-Prozess

Bis Mitte April kann die Staatsanwaltschaft Dortmund die Revision beim BGH schriftlich begründen. Der muss dann darüber entscheiden. Auch die Nebenklage, die Anwältin der Familie Dramé, plant, noch in dieser Woche Revision einzulegen.

Gericht: Polizisten haben rechtmäßig gehandelt

Eine Straftat hatte das Landgericht am Donnerstag weder beim Schützen noch beim Einsatzleiter gesehen. Sie haben rechtmäßig gehandelt, stellte der Richter vergangene Woche fest. Die Polizisten hätten davon ausgehen müssen, in Gefahr zu sein, als Mouhamed Dramé sich mit einem Messer auf sie zu bewegte. Das Gericht betonte aber auch, dass Mouhamed Dramé die Polizisten nicht angreifen wollte, sondern lediglich versuchte, vor dem eingesetzten Pfefferspray zu flüchten.

Damit folgte das Gericht den Verteidigern der fünf Angeklagten, die allesamt auf einen Freispruch plädiert hatten. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Schluss-Statement eine zehnmonatige Bewährungsstrafe für den Einsatzleiter und Freisprüche für die anderen Polizisten gefordert.

Situation eskalierte nach Pfeffersprayeinsatz

Mouhamed Dramé hatte im August 2022 im Innenhof einer Dortmunder Jugendeinrichtung gehockt und sich in suizidaler Absicht ein Messer gegen den Bauch gehalten. Weil Kontaktversuche von Zivilpolizisten gescheitert waren, hatte der Einsatzleiter befohlen, Pfefferspray gegen Dramé einzusetzen, damit dieser das Messer fallen lässt.

Stattdessen erhob sich Dramé und bewegte sich auf die Polizisten zu. Diese feuerten mit Tasern und mit einer Maschinenpistole auf den jungen Senegalesen, der später im Krankenhaus an den Schussverletzungen starb. Mit dem Urteil ging ein langer Prozess zu Ende: Gut ein Jahr hat das Dortmunder Landgericht den Fall akribisch aufgearbeitet.

Bruder von Mouhamed Dramé: Haben den Kampf verloren

Bei der Urteilsverkündung waren auch Mouhamed Dramés Brüder aus dem Senegal Sidy und Lasanna Dramé im Gerichtssaal. Sie sind im Januar nach Dortmund gereist und haben seitdem den Prozess verfolgt. Das Urteil ist für beide ein Schock. Niedergeschlagen haben sie den Gerichtssaal verlassen.

Der älteste Bruder Sidy hat während der Verkündung geweint. "Wir haben den Kampf verloren", sagt er im Gespräch mit dem WDR. Er schäme sich für das Urteil des Richters: "Das soll Gerechtigkeit sein?"

Von links nach rechts: Nebenklageanwältin Lisa Grüter, Sidy Dramé und Lassana Dramé

Anwältin Grüter, Sidy und Lassana Dramé vor der Urteilsverkündung

Rechtsanwältin Lisa Grüter hatte die Angehörigen von Mouhamed Dramé als Nebenkläger unterstützt. Das Urteil bezeichnet sie als "ernüchternd". "Familie Dramé ist mit großen Erwartungen an den Rechtsstaat hierhergekommen und bitter enttäuscht worden. Es ist strafrechtlich niemand zur Verantwortung gezogen worden, dass ihr Bruder getötet worden ist", bilanziert Grüter.

Gericht: Vorgehen der Polizisten alternativlos

Michael Emde hat den Einsatzleiter in dem Prozess verteidigt. Für Emde steht fest: "Man kann so eine Tat nicht an dem Ergebnis messen, sondern muss sie an dem messen, was mein Mandant an Ort und Stelle für einzig erforderlich und sinnvoll gehalten hat."

Das Bild zeigt Vorsitzende Richter Kelm stehend

Der Vorsitzende Richter Kelm sah kein strafbares Handeln beim Einsatzleiter

Das Gericht hat in seinem Urteil festgehalten, dass der Einsatz von Pfefferspray gegen Mouhamed Dramé rechtmäßig und auch das einzig geeignete Vorgehen gewesen sei. Beispielsweise einen Psychologen und Dolmetscher herbeizuziehen, hätte zu lange gedauert. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Einsatzleiter mit dem Vorgehen gegen Mouhamed Dramé einen Suizid habe hindern wollen.
"Dass das in dem Ergebnis nicht zum dem gewünschten Erfolg geführt hat, ist selbstverständlich eine Tragödie", ergänzt Verteidiger Emde.

Zuschauer skandieren nach Urteil Parolen im Gerichtssaal

Publikum in einem Gerichtssaal

Ein Teil des Publikums nach der Urteilsverkündung

Der gesamte Prozess wurde von vielen Zuschauern verfolgt, so auch bei der Urteilsverkündung. Als die Verhandlung abgeschlossen war, skandierten Aktivisten im Zuschauerbereich des Gerichtssaals "Justice for Mouhamed - Das war Mord". Justizbeamte haben das Publikum dann aufgefordert, den Gerichtssaal zu verlassen.

Spontane Demonstration am Abend

Als Reaktion auf das Urteil haben am Donnerstagabend rund 300 Menschen spontan in der Dortmunder Nordstadt demonstriert. Sie zeigten Unverständnis über die Freisprüche und forderten weiter Gerechtigkeit für Mouhamed Dramé.

Die Demonstration zog auch zur Nordwache, wo die freigesprochenen Polizisten 2022 eingesetzt waren. Zahlreiche Polizisten sicherten die Wache vor der Demonstration ab, die nach einigen polizeifeindlichen Parolen weiterzog.

Unsere Quellen:

  • Reporter im Gericht
  • Anklage der Staatsanwaltschaft
  • Plädoyer der Staatsanwaltschaft
  • Plädoyer der Verteidiger
  • Urteilsverkündung des Landgericht Dortmund
  • Gespräche mit Verteidigern, Staatsanwaltschaft und Nebenklage
  • Gespräch mit Sidy Dramé