Nordrhein-Westfalen Datenschutz ist schuld: Keine Stutenkerle für ältere Menschen
Eine lange Tradition ist gestoppt: Weckmänner werden alten Menschen nach Hause gebracht. Der Datenschutz lässt das nicht mehr zu.
Der Hintergrund ist menschlich und rührend: Der Verein der Freunde des Martinsfestes Haan-Gruiten möchte, dass auch Menschen, die über 80 Jahre alt sind und nicht mehr zum St. Martinszug kommen können, einen Stutenkerl - im Bergischen Land Weckmann genannt - erhalten.
Eigentlich seit sechs Jahren nicht mehr zulässig
Dieses Jahr wird der Weckmann nicht verteilt.
Der Verein hat seit den 1950er-Jahren dafür die Adressen der Ü-80-Jährigen von der Stadt Haan erhalten und so jährlich über 300 Weckmänner verteilt. Das ist aber seit der EU-Gesetzgebung und der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) seit sechs Jahren nicht mehr zulässig.
Die Stadt hatte aber nach Angaben des Vereins weiterhin die Daten rausgegeben, wohl weil die Aktion nett klingt, bei der ein süßer Kerl mit Rosinenaugen und einer Pfeife an alte, einsame Menschen verteilt wird.
Stadt findet die Weckmann-Verteilaktion gut
"Wir schätzen und unterstützen ehrenamtliches Engagement in unserer Stadt sehr, und die Verteilaktion des Vereins der Freunde des Martinsfestes Gruiten e.V. ist eine wunderbare Tradition, die wir ausdrücklich begrüßen," schreibt Sonja Kunders, die Pressesprecherin der Stadt Haan auf WDR-Anfrage.
Steffen Borth hätte gerne einen Weckmann bekommen
Der ehemalige Vorsitzenden Steffen Borth erzählt, dass es im vergangenen Jahr eine Beschwerde darüber gegeben haben soll. Die Stadt hatte aber erst vor einigen Tagen mitgeteilt, dass sie die Adressen jetzt nicht mehr weiterleitet wie zuvor - aus Datenschutzgründen.
Leider müssen wir als Stadtverwaltung aber darauf hinweisen, dass wir die Daten unserer Bürgerinnen und Bürger, welche mitunter sensibel sein können, ohne eine rechtliche Grundlage nicht herausgeben dürfen.
Statement von der Stadt Haan
Auf die Frage, wie die Herausgabe der Daten in den Jahren davor vor dem Hintergrund der Datenschutzgrundverordnung funktioniert habe, gab die Stadt dem WDR bislang keine Antwort.
Für die Aktion bedeutet das, dass sie in diesem Jahr ausfällt. Gerade weil erst vor wenigen Tagen bekannt wurde, dass die Adressen nicht kommen werden. Steffen Borth, der selber über 80 Jahre alt ist und seit einiger Zeit ein Fußleiden hat, ist wütend über die kurzfristige Absage.
Aus für dieses Jahr
"Es gibt gerade in der heutigen Zeit so viel Einsamkeit bei alten Menschen und dann ist so eine Aktion was Schönes, weil man dabei ja auch ins Gespräch kommt. Am meisten ärgert es mich, dass die Tradition jetzt gestoppt ist", teilt der ehemalige Vorsitzende des Vereins, Steffen Borth, mit. Hätte man es früher gewusst, hätte sicherlich eine datenschutzkonforme Lösung gefunden werden können, meint er.
Für dieses Jahr klappt das wahrscheinlich nicht. Der Bergische Geschichtsverein in Haan, der den Verein der Freunde des Martinsfestes Gruiten unterstützen möchte, hat allerdings schon die Idee, dass sich die Menschen anmelden können und dann die Stadt gegebenenfalls um eine Überprüfung des Geburtsdatums bitten können, damit auch nur die Ü-80-Jährigen einen Weckmann bekommen.
Unsere Quellen:
- WDR-Reporterin vor Ort
- Verein Freunde des St. Martinsfestes Gruiten
- Stadt Haan
Über dieses Thema berichtet der WDR am 13.01.2023 auch im Fernsehen in der WDR Lokalzeit Bergisches Land und im Radio auf WDR 2.