Ein landwirtschaftliches Fahrzeug fährt über einen Acker.

Niedersachsen So kann Landwirtschaft mit weniger Pestiziden funktionieren

Stand: 18.04.2024 20:21 Uhr

Das Projekt FINKA vergleicht unterschiedlich bearbeitete Agrarflächen mit Blick auf die Artenvielfalt. Eine Tendenz: Gute landwirtschaftliche Erträge und mehr Artenvielfalt schließen sich nicht aus.

Von Jan Fragel

Die Abkürzung FINKA steht für "Förderung von Insekten im Ackerbau" und gehört zum Bundesprogramm Biologische Vielfalt. Das Prinzip: Fünf Jahre lang arbeiten konventionelle Bauern mit Biobauern zusammen. Weil die konventionellen Landwirte auf Pflanzenschutzmittel gegen Unkraut und Insekten verzichten - Mittel gegen Pilzbefall wenden sie weiter an und konventionellen Mineraldünger nutzen sie auch -, helfen ihnen die Biokollegen, Unkraut mit Maschinen im Zaum zu halten, erklärt Jana Tempel, FINKA-Projektcoach. Bis Ende 2025 läuft das Projekt, aber die ersten Zwischenergebnisse zeigen bereits einen Trend: Es gibt mehr Artenvielfalt bei Wildkräutern und Insekten - und die Wirtschaftlichkeit ist in Teilen auch gegeben.

Fast ohne Pestizide gegen Unkraut in der Landwirtschaft

Heinrich Klingelhöfer, konventioneller Landwirt, und Christoph Müller, Biolandwirt - beide aus dem Südkreis Göttingen - machen gemeinsame Sache. Auf dem 1,9 Hektar großen Versuchsacker bei Rittmarshausen wächst Winterweizen. Auf einem etwas kleineren konventionellen Vergleichsfeld daneben auch - dort wurde gespritzt, der Versuchsacker nicht. Gedüngt wurden beide Äcker aber gleich. Mit einer sechs Meter breiten Hacke soll heute Unkraut aus dem Boden gerissen werden - eine Technik, die im Bioanbau verbreitet ist. "Gegen Eisen ist kein Unkraut gewachsen", sagt Biobauer Müller.

Eine Frau und ein Mann stehen auf einem Acker.

Jana Tempel, FINKA Projektcoach (l.), Heinrich Klingelhöfer, konventioneller Landwirt (m.), Christoph Müller, Biolandwirt (r.).

Ein bisschen Unkraut für Insekten darf bleiben

Die Hightech-Hacke hängt am Traktor und ist computer- und kameragesteuert. Ein bisschen was bleibt aber stehen und das freut die Insekten, denn die finden mehr Nahrung. Stefan Meyer, Biologe an der Uni Göttingen, untersucht, wie sich die Unkräuter und damit die Nahrung für Insekten entwickeln.

Projekt zeigt: Es könnte funktionieren

Noch sei nicht alles ausgewertet, aber ein Trend lasse sich erkennen: Auf den konventionell bewirtschafteten Äckern leben im Schnitt zwei bis drei Arten auf hundert Quadratmetern. "Auf den Versuchsflächen ohne Herbizide und Insektizide, haben wir sieben Unkrautarten gefunden. Auf den Bio-Vergleichsäckern zwölf." Noch sind die Zahlen aber vorläufig, denn das Projekt läuft noch bis Ende 2025. Auch bei der Menge der Insekten deuten sich ähnliche Ergebnisse an – deren Analyse ist allerdings sehr komplex. Wie die Wissenschaftler vorgehen, lesen Sie hier.

Weizenerträge etwas geringer

Und noch etwas zeigt sich: "Die Erträge von Winterweizen auf den Versuchsäckern sind bislang im Schnitt sechs Prozent geringer als bei der konventionellen Produktion", sagt Jana Tempel, FINKA-Projektcoach. Und betriebswirtschaftlich: "Da kommt im Schnitt im Winterweizen die herbizid- und insektizidfreie Variante rein ökonomisch gesehen sogar besser bei weg als die konventionelle."

Totalverlust im Raps

Aber das gilt nicht für alle Kulturen. Beispiel Raps, mit dem hat unter anderem Heinrich Klingelhöfer auf seiner Versuchsfläche einen Totalverlust erlitten. Das Beseitigen des Unkrauts mit der Maschine habe hier nicht so gut geklappt.

Ein Mann schaut in die Kamera.

Christoph Scherber: Gute landwirtschaftliche Erträge und mehr Artenvielfalt schließen sich nicht aus.

Gute Erträge und Artenvielfalt

Gute landwirtschaftliche Erträge und mehr Artenvielfalt: lässt sich das verbinden? Christoph Scherber vom Zentrum für Biodiversitätsmonitoring in Bonn meint: ja. "Wir sehen, dass der Verzicht auf Insektizide und Herbizide zu durchaus passablen Erträgen führen kann. Gleichzeitig finden wir hier etwas mehr Insekten. Ich bin zuversichtlich, dass sich gute landwirtschaftliche Erträge und Artenvielfalt durchaus kombinieren lassen."