Ein Wohngebiet mit einem Hinweisschild

Mecklenburg-Vorpommern Neue Erkenntnisse zu Vorfall in Grevesmühlen

Stand: 19.06.2024 06:47 Uhr

Nach dem offenbar rassistischen Vorfall in Grevesmühlen hat die Polizei einen neuen Ermittlungsstand veröffentlicht: Ein elfjähriger Junge soll Auslöser für die Auseinandersetzung am Freitagabend gewesen sein.

Die Polizei ermittelt gegen mehrere teils namentlich bekannte Personen aus der Gruppe. Zwei Personen seien bereits wegen ähnlicher Delikte im Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität polizeibekannt.

Elfjähriger versperrte mit ausgestrecktem Bein den Weg

Nach neuen Ermittlungsergebnissen wird jetzt folgendes Szenario beschrieben: Die Achtjährige wollte mit ihrem Roller an einem Jugendlichen vorbeifahren. Der elfjährige Junge habe dem Mädchen mit ausgestrecktem Bein den Weg versperrt und sie dabei mit der Fußspitze getroffen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich eine größere Gruppe Jugendlicher in dem Bereich aufgehalten. In der Meldung der Polizei heißt es weiter, dass sich die Kinder daraufhin verängstigt und weinend an ihre Eltern gewandt hätten. Als diese die Jugendlichen zur Rede stellen wollten, sei es zu einer verbalen und auch körperlichen Auseinandersetzung gekommen. Dabei seien auch rassistische Äußerungen gefallen. Der Vater wurde bei der Auseinandersetzung an der Hand verletzt. Den Angaben zufolge soll auch er wegen des Verdachts der Körperverletzung angezeigt worden sein. Videosequenzen dieser Auseinandersetzung wurden bereits in den sozialen Medien geteilt.

Nach dem Vorfall ermittelt die Polizei Rostock jetzt gegen mehrere teils namentlich bekannte Personen der Gruppe wegen Körperverletzung und Beleidigung. Auch der Verdacht der Volksverhetzung steht im Raum, erklärte eine Sprecherin des Polizeipräsidiums am Dienstagnachmittag. Zwei Personen seien schon wegen ähnlicher Delikte im Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität polizeibekannt.

Zunächst war von "Tritt ins Gesicht" die Rede

Am Freitagabend hatte die Polizei mitgeteilt, dass die Täter dem jüngeren Mädchen unter anderem ins Gesicht getreten hätten. Die aktuellen Ermittlungen konnten diesen Tathergang nicht bestätigen. Nach der Freischaltung eines Hinweisportals durch die Kriminalpolizei hatten sich Zeugen und Anwohner mit Hinweisen sowie Foto- und Videoaufnahmen gemeldet. In der jüngsten Verlautbarung des Polizeipräsidiums Rostock heißt es am Montagabend: "Nach derzeitigem Ermittlungsstand hat das achtjährige Mädchen keine körperlichen Verletzungen erlitten, die auf die in der Erstmeldung geschilderte Tathandlung hindeuten."

Rassistischer Vorfall soll vor den Innenausschuss

Der bundesweit beachtete Vorfall um die Familie mit ghanaischer Abstammung in Grevesmühlen, der sich am Montagabend anders darstellte als zunächst am Freitagabend mitgeteilt, könnte ein parlamentarisches Nachspiel haben. Die innenpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Ann Christin von Allwörden, kündigte am Dienstag an, das Thema auf die Tagesordnung des Innenausschusses setzen zu lassen. Allwörden teilte mit, es könnten medial und politisch Urteile zu früh gefallen sein. Bei der Sitzung solle auch die Öffentlichkeit zugelassen werden. Sie sprach von einem sehr unglücklichen Zusammenspiel von Politik und Medien und betonte, dass man aus dem Vorgang lernen müsse.

Pegel: "Wir korrigieren, wenn wir uns korrigieren müssen"

Gegenüber dem NDR erläuterte Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD), wie die Polizei mit Informationen für die Presse umgeht: "Die Polizei tut, was man am Tatort tun kann und versucht die ersten Informationen zu bündeln und bewertet dann nach ihren kriminalistischen Erfahrungen, was erste Ermittlungsansätze sein könnten." Von der Polizei werde erwartet, die Öffentlichkeit zeitnah zu informieren. Er ergänzte, dass es zur Pressearbeit dazu gehöre, Dinge zu korrigieren, falls sie sich später anders darstellten. Zu den Entwicklungen im Falle von Grevesmühlen sagte Pegel: "Wir sehen es als unsere Pflicht an, früh zu informieren und wir korrigieren, wenn wir uns korrigieren müssen."

Protestkundgebung auf dem Sportplatz

Bevor dieser neue Ermittlungsstand veröffentlicht wurde, fanden sich in Grevesmühlen mehr als 200 Menschen zu einer Protestkundgebung zusammen. Auf dem Sportplatz hatten Vereinsmitglieder und Anwohner ein Transparent enthüllt. "Gegen Gewalt" stand unter anderem darauf. Diese Aktion solle ein Zeichen setzen, dass die Grevesmühlener Gewalt und Fremdenhass ablehnten, hieß es seitens des Sportvereins. Der Bruder der beiden angegriffenen Mädchen spielt Fußball bei Einheit Grevesmühlen.

Menschen in Grevesmühlen schämen sich für Vorfall

Dass die Kinder mutmaßlich aus rassistischen Motiven angegriffen wurden, hat in Grevesmühlen Spuren hinterlassen. Die Pastorin der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Grevesmühlen, Fabienne Fronek, hat nach dem Vorfall viele Gespräche geführt. "Ganz viele Menschen sind beschämt, schämen sich, Grevesmühlener und Grevesmühlenerin zu sein", so die Pastorin. Was sie aber auch stolz gemacht habe, sei dass Grevesmühlen offen sein möchte. Das sehe man laut Fronek in vielen verschiedenen Orten, wie den Vereinen, Einheit Grevesmühlen, in der Kirche oder bei den Arbeitgebern. Als Zeichen gegen Rassismus plant die Stadt Grevesmühlen eine Menschenkette am Ploggenseering. Der Vorfall mit den beiden Mädchen aus einer Familie ghanaischer Abstammung hatte sich dort am Freitagabend auf dem Heimweg vom Sport ereignet.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Nordmagazin | 19.06.2024 | 06:30 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 17. Juni 2024 um 22:10 Uhr.