Bilder von verschiendenen Kindergesichtern, die alle mittels Künstlicher Intelligenz erstellt wurden.

Hessen Forschung aus Darmstadt: Künstliche Gesichter für den Kampf gegen Kinderpornografie

Stand: 07.12.2024 15:44 Uhr

Forschende der Hochschule Darmstadt haben einen Algorithmus entwickelt, der zuverlässig Kinder in Unmengen von Daten wiedererkennen kann. Trainiert haben sie ihn mit künstlich erzeugten Gesichtern. Das Landeskriminalamt denkt über einen Einsatz bei Ermittlungen nach.

Von Julian Moering

Ermittlungen zu Kinderpornografie sind hart. Die zuständigen Beamten müssen oft Unmengen von schwer verdaulichen Bildern oder Videos anschauen. Eine der großen Herausforderung dabei ist, Opfer und Täter zu identifizieren und sie wiederzuerkennen. Nur so kann etwa festgestellt werden, wie häufig ein bestimmtes Kind Opfer sexueller Gewalt geworden ist.

Bei Erwachsenen hilft an dieser Stelle oft digitale biometrische Gesichtserkennung, bei Kindern aber ist die Technik bislang noch unausgereift und fehleranfällig. Der Hochschule Darmstadt ist es jetzt aber nach eigenen Angaben gelungen, einen Algorithmus zu erschaffen, der zuverlässig Kindergesichter in Unmengen von Daten wiedererkennt. "Hier gelang unseren Forschern ein Durchbruch", teilte die Hochschule mit.

Mangel an Daten

Bislang lag das Problem bei der biometrischen Gesichtserkennung von Kindern vor allem darin, dass nicht genügend Daten – also Bilder oder Videos von Kindergesichtern – vorlagen, um den Algorithmus zu füttern. "In diesem Bereich herrscht tatsächlich Datennot", sagt Informatik-Professor Christian Rathgeb.

Rathgeb leitet an der Hochschule das Projekt "Bio4ensics", das auch vom bei Kinderpornografie-Ermittlungen zuständigen Landskriminalamt (HLKA) fachlich begleitet wurde. Es gäbe zwar massenweise Material, sagt der Professor. Doch das bekomme außer den Ermittlern der Polizei niemand zu Gesicht. "Das würde ich meinem Team auch nicht zumuten wollen", so Rathgeb.

Ohne Daten könne der Algorithmus beim Erkennen von Kindergesichtern aber nicht besser werden, erklärt Rathgeb. "Der Algorithmus ist sehr hungrig, wir müssen ihn füttern." Er brauche sogar noch mehr Daten, als etwa für die Erkennung von Erwachsenengesichtern, denn Gesichter von Kindern wiesen weniger charakteristische Merkmale auf, die eine Wiedererkennung erleichtern würden. "Diese Merkmale bilden sich erst mit dem Wachstum aus."

Künstliche Gesichter fürs Training

Was aber tun, wenn nicht ausreichend Daten vorliegen? "Wir haben uns die Daten einfach selbst erstellt", sagt Rathgeb. Dafür schufen die Forschenden unzählige sogenannte synthetische Identitäten. Das sind mittels Künstlicher Intelligenz erstellte Gesichter, die all jene Merkmale aufweisen, die für eine biometrische Erkennung wichtig sind.

"Diese Gesichter haben wir dann schrittweise verjüngt oder altern lassen und unser lernendes System damit trainiert", sagt Rathgeb. Mit Erfolg: Der durchtrainierte Algorithmus erkennt nun nach Angaben der Hochschule zuverlässig reale Kindergesichter.

In der Cyber-Forensik, also der Aufklärung von Straftaten mittels digitaler Unterstützung, lasse sich der Algorithmus zu verschiedenen Zwecken einsetzen. Auf der einen Seite können die ermittelnden Beamten feststellen, wie häufig Kinder von pornografischer Gewalt betroffen sind, heißt es in der Mitteilung der Hochschule. Aber er könne auch bei der Identifizierung der Täter helfen.

Auch Täter können identifiziert werden

Auf den Fotos und Videos seien oft nur Hände oder etwa Tattoos der Kriminellen zu sehen. Das Forschungs-Team habe den Algorithmus deswegen nicht nur mit künstlichen Gesichtern, sondern auch massenhaft mit synthetischen Erwachsenenhänden in verschiedenen Posen und Gestiken gefüttert. Auch bei der Wiedererkennung von Tattoos sei die Datengrundlage verbessert worden.

Zudem könne die Arbeit der Forschenden dazu beitragen, seit längerem vermisste Kinder aufzuspüren. Per Gesichtserkennung ließen sich Kindergesichter altern, um so einen realistischen Eindruck davon zu bekommen, wie die Person heute aussehen könnte. "In allen Bereichen ist der Algorithmus durch die künstlich erzeugten Datenmengen besser geworden", bilanziert Rathgeb.

LKA denkt über Einsatz nach

Noch kommt der Algorithmus nicht zum Einsatz. Das Landeskriminalamt hält die Technik aber für vielversprechend und kann sich einen Einsatz auch in realen Ermittlungen vorstellen, wie eine Sprecherin dem hr mitteilte: "Eine Anwendung wäre im Rahmen von Ermittlungen in verschiedenen Kriminalitätsbereichen denkbar."