Hessen Kauf-Nix-Tag: Wenn junge Menschen sich dem Konsumrausch entziehen
Zum Black Friday und Cyber Monday überbieten sich Händler mit Rabatten und Schnäppchen. Doch es gibt auch einen Gegentrend, der immer beliebter wird. Junge Menschen wie Hannah Brenner aus Frankfurt entziehen sich dem Kaufrausch ganz bewusst.
Ob in Geschäften, Online oder auf Social Media: Rabatte und Angebote locken Ende November, soweit das Auge reicht. Und ganze 46 Prozent der befragten Onlineshopper schlagen laut einer Umfrage des Kölner Handelsforschungsinstituts IFH am Black Friday zu – mehr als die Hälfte davon für Weihnachtseinkäufe.
Hannah Brenner aus Frankfurt entzieht sich diesem Kaufrausch jedoch ganz bewusst. Denn spätestens seit der Geburt ihres Sohnes wolle sie nachhaltig leben: "Weil ich eben möchte, dass auch er noch gute Bedingungen hat später." Und dazu gehört für die 31-Jährige auch, bewusster zu konsumieren und nur das zu kaufen, was man wirklich brauche.
Hannah Brenner an ihrem Unverpackt-Stand auf dem Wochenmarkt in Frankfurt-Höchst
Kleidung Second-Hand, Lebensmittel ohne Verpackung
Kleidung bezieht Brenner vor allem aus zweiter Hand, Lebensmittel wenn möglich ohne Verpackungsmüll. Das möchte sie auch ihren Kundinnen und Kunden ermöglichen: Auf dem Wochenmarkt in Frankfurt-Höchst betreibt sie einen Unverpackt-Stand, bei dem es Nudeln, Haferflocken, Nüsse und mehr zu kaufen gibt. Die Behälter, um die Waren mit nach Hause zu nehmen, bringen die Kunden selbst mit. "So müssen sie vorher genau überlegen, was sie brauchen und kaufen nicht mehr, als sie benötigen", sagt Brenner.
Weihnachtsgeschenke am Black Friday zu kaufen, kommt bei Hannah Brenner auch nicht in die Tüte: Sie feiere ohne viel Tamtam und ohne den Druck, die passenden Geschenke für alle besorgen zu müssen. Weihnachten sei für sie nicht die Zeit des Konsums und der Geschenke, sondern "eine Zeit im Jahr, wo man einfach alle Familienmitglieder sieht, was ja sonst im Alltag oft viel zu kurz kommt."
Trend zu bewusstem Konsum
Gerade bei jungen Menschen wie Hannah Brenner liege eine solche Haltung im Trend, sagt Theresa Schleicher, Handelszukunftsforscherin beim Zukunftsinstitut mit Sitzen in Frankfurt und Wien: "Bei all den Rabatten und der Überproduktion, die gerade stattfindet, merken wir eine ganz starke Entwicklung zum bewussten und zum nachhaltigen Konsumieren."
Das zeige sich auch daran, dass der Umsatz am Black Friday und Cyber Monday inzwischen auf einem hohen Niveau stagniere, sagt Schleicher. Laut Schätzungen sollen in diesem Jahr knapp sechs Milliarden Euro eingenommen werden – und damit nicht mehr als in den letzten Jahren.
"Kauf-Nix-Tag" als Gegentrend zu Black Friday
Auch Tage wie der sogenannte "Kauf-Nix-Tag" seien ein Zeichen für den Trend zu bewussterem Konsum, sagt Schleicher. Er habe sich als Gegentrend zum Black Friday etabliert. Statt Schnäppchen zu jagen, sollen die Leute an diesem Tag 24 Stunden nichts kaufen und über ihr Konsumverhalten und dessen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt nachdenken.
Theresa Schleicher, Handelszukunftsforscherin beim Zukunftsinstitut
Der Aktionstag wurde vor über 30 Jahren in Kanada erfunden und im Jahr 2000 auch in Deutschland eingeführt. In Europa findet er jedes Jahr am letzten Samstag im November statt.
Kritik an Konzernen, nicht an Konsumenten
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac hat den "Kauf-Nix-Tag" in Deutschland mitinitiiert. Noa Neumann von Attac in Frankfurt sagt, ihre Kritik richte sich nicht in erster Linie an Menschen, die bei günstigeren Produkten zuschlagen - vor allem, wenn sie "darauf angewiesen sind, dass es günstige Sachen gibt." Attac sei bewusst, dass es für sozial schwächer gestellte Menschen "insbesondere zum Monatsende viele Kauf-Nix-Tage gibt, weil sie kein hinreichendes Einkommen haben."
Attac gehe es bei der Kritik vor allem um die Konzerne, die mit Tagen wie dem Black Friday Profit einstreichen. Mit dem Kauf-Nix-Tag widersetze man sich dem neoliberalen Konsumzwang und mache auf die "wichtige Rolle der Konzerne für Ausbeutungsstrukturen in der weltweiten Produktion und den Klimawandel aufmerksam", so Neumann. Denn mehr Konsum bringt unter anderem auch mehr Emissionen und mehr Umweltverschmutzung mit sich.
Noa Neumann, Koordinierungskreis Attac
Der Reiz des Schnäppchens
Jeder und jede sollte versuchen, bewusst zu shoppen, meint Noa Neumann, auch wenn man den kompletten Verzicht am Kauf-Nix-Tag nicht mitmachen wolle. "Man kann schauen: Ist es sinnvoll, ob ich etwas kaufe? Muss ich jetzt wirklich das zehnte Paar Schuhe kaufen?"
So versucht es auch Hannah Brenner. Sie sei natürlich "auch nur ein Mensch", der auf den Reiz des Schnäppchens anspringe. Aber sie versuche auch immer wieder zu reflektieren: "Ist das was, was ich wirklich brauche? Oder ist es was, wo ich diesem Rabatt verfallen bin?"