In einem Wahllokal wird ein Stimmzettel in eine Wahlurne geworfen.

Hessen Bürgermeister- und Bundestagswahl 2025 am selben Tag? Gar nicht so einfach

Stand: 15.12.2024 16:19 Uhr

In mehreren hessischen Kommunen gibt es im Februar und März Direktwahlen. Die vorgezogene Bundestagswahl sorgt für zusätzlichen Stress. Die Termine zusammenzulegen und den Aufwand zu reduzieren, ist möglich - allerdings nicht immer geregelt.

Von Meliha Verderber

Am Montag wird im Bundestag über die Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) abgestimmt. Dort dürften die Neuwahlen am 23. Februar auf den Weg gebracht werden. Dieses nationale Ereignis wirkt sich bis in die hessische Provinz aus.

Nach Angaben des Innenministeriums in Wiesbaden finden am selben Tag in fünf Städten und Gemeinden im Land auch Bürgermeisterwahlen statt. Betroffen sind demnach Alsfeld (Vogelsberg), Aßlar (Lahn-Dill), Ringgau (Werra-Meißner), Steinbach (Hochtaunus) und Zwingenberg (Bergstraße).

Es gibt aber auch mehrere Kommunen, in denen kurz vor oder nach der vorgezogenen Bundestagswahl gewählt wird. In Wiesbaden zum Beispiel steht nur zwei Wochen danach - am 9. März - die Wahl zum Oberbürgermeister an. Wahrscheinlich ist danach eine Stichwahl nötig, die wäre dann am 30. März.

Für die Landeshauptstadt bedeuten drei Wahltermine kurz hintereinander enormen organisatorischen Aufwand. Für alle drei Termine müssen auch die Briefwahlen vorbereitet werden.

Bürgermeisterwahlen in Hessen im Frühjahr 2025
02.02. Büttelborn (Groß-Gerau), Stichwahl am 16.02.
09.02. Driedorf (Lahn-Dill), nur ein Kandidat, deshalb keine Stichwahl
09.02. Löhnberg (Limburg-Weilburg), Stichwahl am 23.02.
16.02. Nauheim (Groß-Gerau), Stichwahl am 09.03.
23.02. Alsfeld (Vogelsberg), Stichwahl am 09.03.
23.02. Aßlar (Lahn-Dill), Stichwahl am 09.03.
23.02. Ringgau (Werra-Meißner), Stichwahl am 09.03.
23.02. Steinbach (Hochtaunus), Stichwahl am 16.03.
23.02. Zwingenberg (Bergstraße), Stichwahl am 09.03.
09.03. Wiesbaden OB-Wahl, Stichwahl am 30.03.
09.03. Bürstadt (Bergstraße), Stichwahl am 30.03.

Quelle: Statistik Hessen und Hessisches Innenministerium, Stand 12.12.2024

"Wähler dreimal zu motivieren, ist sehr schwierig"

Für die vorgezogene Bundestagswahl müssen außerdem noch neue Wahllokale gefunden werden, weil die eigentlich dafür vorgesehenen Bürgerhäuser im Februar bereits für Fastnachtsveranstaltungen ausgebucht sind. Dieser Aufwand hätte vermieden werden können, kritisiert die Opposition im Wiesbadener Rathaus.

So sind CDU und FDP überzeugt, man hätte die Wahltermine von Bundestagswahl und OB-Wahl zusammenlegen müssen. "Die Leute dazu zu motivieren, dreimal hintereinander zur Wahl zu gehen, ist wirklich sehr schwierig", sagt die CDU-Fraktionsvorsitzende im Rathaus, Daniela Georgi.

Man wisse aus Erfahrung, "dass Kommunalwahlen oder Oberbürgermeisterwahlen per se nicht die beste Wahlbeteiligung haben", sagt Georgi. Drei Wahlen hintereinander würden eine Herausforderung, "ganz abgesehen von den Kosten, die man sich sparen könnte".

Direktwahl nachträglich verlegt

Auf die Frage, warum in Wiesbaden eine Verschiebung des Termins nicht in die Wege geleitet wurde, teilte das zuständige Ordnungsdezernat mit: "Die bestehenden gesetzlichen Regelungen lassen es schlicht nicht zu, den bereits festgelegten Wahltermin der Oberbürgermeisterwahl zu verschieben oder anzupassen, um ihn mit der Bundestagswahl zusammenzulegen." Die Stadt hatte sich zu dieser Frage auch an die Landesregierung gewandt und um eine rechtliche Einschätzung gebeten.

Bei der Frage, ob eine Direktwahl auf den Termin einer Bundestagswahl verlegt werden kann, gibt es allerdings offenbar unterschiedliche Auffassungen der Rechtslage.

In Alsfeld, Aßlar und Steinbach scheint man die Rechtslage anders als in Wiesbaden auszulegen. Diese Kommunen verlegten kurzerhand die Termine für ihre Bürgermeisterwahlen so, dass sie mit der vorgezogenen Bundestagswahl zusammenfallen.

In Aßlar zum Beispiel wurde die Bürgermeisterwahl vom 9. März vorverlegt. Dies beschloss die Stadtverordnetenversammlung am 18. November - also rund eine Woche nachdem sich der 23. Februar als Bundestagswahltag abzeichnete. In Alsfeld beschloss man die Verlegung einen Tag später.

In Steinbach fiel der Beschluss in derselben Woche, die Bekanntmachung einen Tag später erfolgte noch im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Frist. Laut Hessischer Kommunalwahlordnung (KWO) muss ein Wahltermin "spätestens am neunzigsten Tag vor dem Wahltag öffentlich bekannt" gemacht werden.

Rechtliche Hürde für Verlegung einer Wahl

Die Verlegung eines Wahltermins ist jedoch an bestimmte Vorgaben geknüpft, die im Hessischen Kommunalwahlgesetz (KWG) festgelegt sind. Denn wenn ein Wahltermin einmal verkündet ist, hat er Bestandsschutz, wie eine Sprecherin des Hessischen Städte- und Gemeindebunds erklärt.

So solle verhindert werden, dass eine Mehrheit im Parlament den Wahltermin beliebig verschiebt, wenn sie selbst sich davon einen Vorteil verspricht. Der Gesetzgeber habe deshalb die Aufhebung eines Wahltermins an strenge Vorgaben geknüpft wie in Paragraf 42 des Kommunalwahlgesetzes, teilte die Sprecherin des Gremiums mit.

Zusammenlegung gesetzlich vorgesehen

Das Kommunalwahlgesetz und die Hessische Gemeindeordnung (HGO) räumen Kommunen aber auch die Möglichkeit ein, Termine für Direktwahlen so zu legen, dass sie mit übergeordneten Wahlen zusammenfallen. In solchen Fällen erzielen Kommunen Synergieeffekte, so können sie Kosten sparen und den Organisationsaufwand reduzieren.

In diesem Sinne hat man in Zwingenberg nach Bekanntwerden des neue Bundestagswahltermins schnell reagiert. Der Magistrat hatte sich schon auf den 9. März für die Bürgermeisterwahl festgelegt. Ein Beschluss der Stadtverordnetenversammlung stand aber noch aus. Dieser liegt jetzt vor, allerdings für den 23. Februar.

Auch in Ringgau hat man die Direktwahl noch auf denselben Tag gepackt. Nach normalem Turnus war die Bürgermeisterwahl erst im Mai angedacht. Es hat aber noch geklappt, die Wahlen - wie im KWG (Paragraf 42 Satz 2) und in der HGO (Paragraf 42 Absatz 3 Satz 2) vorgesehen - zusammenzulegen und dabei die vorgegebenen Fristen einzuhalten (KWO Paragraf 61 Satz 1). Damit die Briefwahl für beide Wahlen ordentlich abläuft, will man hier andere Wege gehen - im wahrsten Sinne des Wortes.

Nach Angaben der Wahlleiterin Manuela Mönkemeyer werden die sieben Ortsvorsteher ab Ende Januar, Anfang Februar zwei- bis dreimal die Woche in der Verwaltung im Ortsteil Netra vorbeigehen, um die Wahlunterlagen abzuholen und persönlich bei den Leuten abgeben, die Briefwahl anforderten. Die Wählerinnen und Wähler werden dann gebeten, die ausgefüllten Unterlagen in der Gemeindeverwaltung abzugeben. "So wollen wir sicherstellen, dass die Fristen eingehalten werden", erklärt Wahlleiterin Mönkemeyer.

Landeswahlleiter: Nachträgliche Verlegung nicht vorgesehen

Im Fall von Ringgau lief die Zusammenlegung beider Wahlen den gesetzlichen Vorgaben entsprechend. Grundsätzlich ist die Festlegung des Wahltags eine Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung, wie Landeswahlleiter Wilhelm Kanther anmerkt. Und offenbar auch eine Frage der Auslegung der Rechtslage.

Auf Anfrage einzelner Gemeinden habe man diesen mitgeteilt, dass eine Aufhebung und Neubestimmung eines bereits festgesetzten Wahltages "mit Blick auf die voraussichtlich am 23. Februar 2025 stattfindende Bundestagswahl nicht in Betracht kommt", teilte Kanther mit.

Eine nachträgliche Verlegung eines festgesetzten Termins, um Wahlen gleichzeitig zu ermöglichen, sei "gesetzlich nicht vorgesehen", betont Kanther. Eine Zusammenlegung gibt es demnach nur in Fällen, in denen die Gemeinde noch kein Datum festgelegt hat. Das KWG ermögliche lediglich, eine Direktwahl zu verlegen, um zu vermeiden, dass sie mit einer übergeordneten Wahl gleichzeitig stattfindet (Paragraf 42 Satz 4), schrieb der Landeswahlleiter weiter.

Binnen kurzer Zeit drei Wahlen stemmen

Den Kommunen bleibt jedenfalls nicht viel Zeit, um alles zu organisieren, erst recht wenn Direktwahl und Bundestagwahl nicht am selben Tag stattfinden, wie das eben in Wiesbaden der Fall ist. Noch enger als in der Landeshauptstadt liegen die Termine in Büttelborn (Groß-Gerau), Driedorf (Lahn-Dill) und Nauheim (Gerau) beieinander.

In Büttelborn zum Beispiel kommt es im Februar zu gleich drei Abstimmungen: Am 2. steht die Bürgermeisterwahl an, am 16. die Stichwahl und am 23. die Bundestagwahl. Die größte Herausforderung dabei sei, genügend Wahlhelferinnen und -helfer für jeden Termin zu finden und auch auszubilden, teilte Max Vatter vom Wahlamt mit. Gebraucht würden pro Termin 126 Freiwillige.

"Eine ähnliche Situation hatten wir bislang noch nie", berichtet Vatter: "Momentan könnte man ein wenig von der Ruhe vor dem Sturm sprechen." Hektisch werden Vatter zufolge die Wochen im Januar und Februar. Dann komme es darauf an, die geltenden Fristen oder Regelungen beider Wahlen nicht zu vertauschen.

Briefwahlen besonders herausfordernd

Die Krux bei der Organisation: Die unterschiedlichen Briefwahlunterlagen müssen sauber voneinander unterschieden werden. "Hier muss auch bei großem Andrang seitens der Bürger*innen präzise gearbeitet werden", schreibt Vatter. Noch größer werde die Herausforderung, wenn es zur Stichwahl am 16. Februar kommen sollte, wovon man ausgehe. Dann müssten die Briefwahlunterlagen erneut ausgestellt werden. "Hierfür haben wir knapp zehn Tage Zeit. Zudem beginnt in der Woche die Briefwahl für die Bundestagswahl", erläutert Vatter.

Dennoch ist man in Büttelborn auch gelassen: Für die Bürgermeisterwahl sei die Briefwahl so weit vorbereitet, man warte nur noch auf die Stimmzettel, berichtet Max Vatter vom Wahlamt. Für die Briefwahl für die Bundestagwahl habe der Kreiswahlleiter des Kreises Groß-Gerau eine Sammelbestellung mit allen benötigten Unterlagen aufgegeben.

Auch bei der Suche nach Wahlhelferinnen und -helfern ist man in Büttelborn zuversichtlich. Die Gemeinde nutzt dabei das System "Votemanager", wo alle bisher eingesetzten Helfer laut Vatter registriert sind und nun angeschrieben werden. Darüber hinaus habe man bisher "das Glück, dass sich sehr viele freiwillige Bürger*innen per Mail, Online-Bewerbung oder persönlich bei uns als Wahlhelfer*innen beworben haben". Einen solchen Zulauf an Freiwilligen habe es noch nie gegeben.

Vorschlag aus Wiesbaden für Gesetzesänderung

Weil drei Wahltermine einen enormen Aufwand bedeuten, will sich die Opposition in Wiesbaden nicht damit zufrieden geben, dass die OB-Wahl nicht mehr verlegt werden konnte. Auch wenn in Deutschland Wahlen selten vorgezogen werden, wollen sich CDU und FDP im Rathaus dafür stark machen, die rechtlichen Vorgaben dazu zu ändern.

"Wir können nicht ausschließen, dass es noch mal passiert. Wir wünschen uns einfach vom Land an der Stelle Rechtssicherheit, dass es doch Mittel und Wege gibt, den Termin zu verlegen, auch wenn er schon bekannt gemacht wurde", begründet CDU-Fraktionschefin Georgi den gemeinsamen Antrag mit der FDP für die Stadtverordnetenversammlung.

"Die Fristen zur Änderung des Wahltermins der Direktwahl wären dementsprechend anzupassen und sollen sich insbesondere an den Fristen zur Auflösung des Bundestages orientieren", heißt es in dem Antrag, über den am kommenden Mittwoch abgestimmt werden könnte.

Hinweis: In einer früheren Version stand, dass in Zwingenberg der Termin für die Bürgermeisterwahl nachträglich verschoben wurde. Das stimmte nur halb, da sich lediglich der Magistrat der Stadt auf den Tag festgelegt hatte. Entscheidend ist das Votum der Stadtverordnetenversammlung.