Nahaufnahme von einem kleinen hölzernen Anhänger, der an einem Tannenbaum mit Lichtern angebracht ist. Er zeigt einen gehenden Mann mit einem Stock, eine Frau auf einem Esel und einen Tannenbaum.

Hessen Bischöfe zu Weihnachten: Warnung vor "Rückzug in Blasen und Sonderwelten"

Stand: 25.12.2024 11:58 Uhr

Zu Weihnachten haben die Kirchenoberen in Hessen die friedensstiftende und verbindende Bedeutung der Botschaft von der Geburt Christi herausgestellt. Damit habe Gott auf Hass und Gewalt geantwortet, hieß es unter anderem mit Blick auf den Anschlag von Magdeburg.

Für den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, den Limburger Bischof Georg Bätzing, können Kirchen in Zeiten von Sorgen und Ängsten eine Anlaufstelle sein. Unter Bezug auf den Anschlag während des Weihnachtsmarkts in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) sagte Bätzing an Heiligabend dem Bayerischen Rundfunk: "Es gibt offenbar Situationen im Leben, da brauchen Menschen die Verbundenheit untereinander."

Kirchen seien Orte der Versammlung und geübt darin, "das ins Wort zu heben, was Menschen betrifft, was sie vielleicht gar nicht ausdrücken können im ersten Moment", so Bätzing. Dies gelte gerade in solchen Großlagen. Die Botschaft von Weihnachten sei Hoffnung und Mut. In einer Zeit der weggebrochenen Sicherheit sei der Stall mit der Krippe Jesu der Ort, an dem die Begegnung zwischen Gott und den Menschen und die Begegnung der Menschen untereinander stattfindet.

Auch zum Nahost-Konflikt äußerte sich der Bischof und plädierte für eine Zwei-Staaten-Lösung. Sie sei für ihn die einzige Chance auf dauerhaften Frieden in der Region. Beide Seiten müssten miteinander auskommen. "Wir beten darum, dass wirklich nochmal Frieden entsteht, dass die Waffen ruhen und eine Perspektive entsteht für diese beiden Völker."

Ein Mann in kirchlicher Amtsrobe steht am Pult und spricht.

Limburgs Bischof Georg Bätzing

In seiner Predigt am Ersten Weihnachtsfeiertag warnte Bätzing vor dem Rückzug in abgeschottete "Eigenwelten". Nicht wenige versuchten heute, "sich aus anstrengenden Debatten in ihre Blasen und Sonderwelten" zurückzuziehen, sagte der Bischof am Mittwoch im Limburger Dom laut vorab verbreitetem Redetext: "Parolen wie die einer 'Festung Europa' oder des 'America first' sind doch nichts anderes als der Versuch, Eigenwelten zu bauen und sich abzugrenzen, auszuklinken aus der globalen Verantwortungsgemeinschaft, zu der wir als Menschen gehören."

Die Weihnachtsbotschaft sei gegenteilig, betonte Bätzing: Gott sei mit Jesus mitten in die unsicheren Verhältnisse der Welt hineingekommen und habe sich mit allen Menschen solidarisch erklärt. Der christliche Glaube erlaube keine Abgrenzung, kein Gegenüber von "wir" und "die da". 

Kohlgraf: "Glaubende und Nichtglaubende in einem Boot"

Nach Einschätzung des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf berührt Weihnachten auch viele nicht-christliche Menschen. "In der Suche nach dem Guten, dem Schönen, nach Gerechtigkeit, Frieden, nach Ruhe und Orientierung sind glaubende und nichtglaubende Menschen in einem Boot", sagte Kohlgraf in seiner Predigt in der Christmette im Mainzer Dom. Zu dem Bistum gehören auch viele hessische Dekanate, vor allem in Südhessen und im Rhein-Main-Gebiet.

Auch wenn viele "die Frage nach Gott, nach Erlösung und der Bedeutung Christi als Sohn Gottes" nicht stellten, so feierten sie doch Weihnachten auf ihre Art, stellte Kohlgraf fest. Sie freuten sich über religiös geprägtes Brauchtum, hörten religiöse Lieder oder geistliche Musik und seien damit "Teil des Geschehens von Bethlehem". Es sei möglich, Gott im Handeln der Menschen zu sehen, "ohne sie kirchlich zu vereinnahmen".

Gerber: Füreinander Empathie zeigen

Der Fuldaer Bischof Michael Gerber hob an Heiligabend die Friedensbotschaft des Weihnachtsevangeliums hervor. In der Verkündigung der Engel komme "eine tiefe Sehnsucht nach Frieden zum Ausdruck", sagte Gerber im Dom laut Mitteilung der Pressestelle.

Besonders spürbar sei diese Sehnsucht angesichts der aktuellen Kriege und Konflikte in Europa und auf der ganzen Welt. Gerber hob unter anderem die Traumata der Menschen im Nahen Osten hervor. Er betonte, ein Mangel an Mitgefühl könne dort und an anderen Kriegsschauplätzen und Krisengebieten die Spirale der Gewalt beschleunigen. "Diktatoren und Potentaten nutzen diesen Effekt schamlos aus."

Mitgefühl könne nicht verordnet werden, man könne es sich auch nicht einfach vornehmen, so Gerber. "Empathie wächst dort, wo ich selbst erfahren darf, dass mir gegenüber Empathie gezeigt wird, dass ich selbst Mitgefühl erlebe", erklärte der Bischof. 

Ein Mann in kirchlicher Amtsrobe steht an einem Pult und spricht. Im Hintergrund unscharf eine Kirche mit Weihnachtsbaum und Kerzen.

Bischof Michael Gerber

Auch am ersten Feiertag predigte Gerber im Fuldaer Dom. Darin nannte er Offenheit als ein wesentliches Element der Weihnachtsbotschaft: "Wo viele Menschen die Erfahrung von Ausgrenzung, Fremdheit und Einsamkeit machen, öffnet die Botschaft Jesu Christi Türen und zeigt neue Wege auf", sagte er nach einer vorab verbreiteten Mitteilung.

Gerber nutzte dabei das Bild der geöffneten Pforte im Petersdom im Vatikan zu Beginn des Heiligen Jahres, um die tiefere Bedeutung von Weihnachten zu vermitteln. "Die geöffnete Tür ist eines der vielen Bilder, die zu beschreiben versuchen, was Christen an Weihnachten feiern", sagte er.

Der Bischof erinnerte daran, dass die Tür der Herberge für Maria und Josef verschlossen blieb und dass viele Menschen auch heute noch die schmerzliche Erfahrung machen, "draußen bleiben zu müssen". Diese Grunderfahrung ziehe sich durch die großen Dramen unserer Welt wie Flucht, Migration und Ungerechtigkeit, aber auch durch persönliche Erlebnisse etwa von Einsamkeit, besonders an den Weihnachtstagen. Die Botschaft von der Geburt Jesu eröffne uns Wege und öffne uns Türen, wo wir dies niemals erwartet hätten, betonte Gerber. 

Jung: "Weihnachtsbotschaft setzt Zeichen des Friedens"

Ähnlich wie Bätzing griff auch der Präsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Volker Jung, in seiner Weihnachtsbotschaft den Anschlag von Magdeburg auf. "Es gibt so viel Unmenschlichkeit. Hass, Gewalt und Ungerechtigkeit zerstören Leben", schrieb er in Darmstadt. Das gesellschaftliche Klima sei "rauer geworden", aus Worten würden schnell Taten.

"Menschen tun einander auch dort Gewalt an, wo sie andere erniedrigen und verachten", ergänzte Jung. Dagegen setze die Weihnachtsbotschaft "Zeichen der Mitmenschlichkeit und des Friedens". Durch Jesus zeige Gott, was es bedeute, Mensch zu sein, nämlich "auf Gottes Kraft und Liebe zu vertrauen, einander und respektvoll, mit Würde zu begegnen und füreinander da zu sein."

Ein Mann in kirchlicher Robe steht am Pult, redet in ein Mikro und breitet die Arme aus.

Bischof Volker Jung

Am ersten Weihnachtsfeiertag bekräftigte Jung in seiner Predigt in der Frankfurter Katharinenkirche die Hoffnung, dass jeder Einzelne "zum Licht der Welt werden" könne - "dunklen Ereignissen" entgegengestellt. Gerade an Weihnachten spürten die Menschen mehr als sonst, "wie Dunkelheit und Licht miteinander ringen". Die biblische Botschaft mache dagegen Mut, selbst Zeichen der Hoffnung zu setzen, das Licht in die Welt hineinzulassen.

Als Beispiele nannte der Kirchenpräsident Menschen, die sich um ihre Kinder kümmern oder ihre alt gewordenen Eltern pflegen. Jung erwähnte auch Helferinnen und Helfer im Katastrophenschutz, bei Feuerwehr und Polizei, im Rettungsdienst und bei der Flüchtlingshilfe. "Es geschieht so viel Gutes, so viel Lichtvolles."

Hofmann: "Gottes Antwort auf Hass und Gewalt"

Die kurhessische Bischöfin Beate Hofmann stellte in ihrer Predigt an Heiligabend die Friedensbotschaft der Geburt Jesu heraus. "Das Kind in der Krippe ist Gottes Antwort auf den Hass und die Gewalt in dieser Welt", sagte sie in der Kasseler Martinskirche. Die Bilder und Nachrichten vom Attentat in Magdeburg machten es schwer, sich auf Weihnachten einzulassen.

Eine Frau in kirchlicher Amtsrobe steht am Pult und redet lebhaft mit den Händen.

Bischöfin Beate Hofmann

Die Botschaft von Weihnachten sei als Gegenerzählung "das wirksamste Mittel gegen die, die unsere Welt mit Gewalt und Krieg, mit Folter und Unterdrückung regieren wollen", betonte Hofmann. Sie ermunterte, sich von den biblischen Erzählungen stärken zu lassen: "Dann halten auch wir die Sehnsucht nach Frieden wach, dann stärken wir die Bilder von einem anderen Miteinander."