"Stern"-Reporter Gerd Heidemann am 25.04.1983 mit den vermeintlichen Dokumenten, den "Hitler-Tagebüchern".

Hamburg "Hitler-Tagebücher"-Skandal: Ex-"Stern"-Reporter Heidemann tot

Stand: 11.12.2024 09:25 Uhr

Sein Name ist verbunden mit einem der größten Medienskandale Deutschlands: Gerd Heidemann. Als "Stern"-Reporter hatte er die vermeintlichen "Hitler-Tagebücher" aufgespürt. Er starb jetzt im Alter von 93 Jahren in Hamburg.

Der ehemalige "Stern"-Reporter Gerd Heidemann galt als gewissenhafter Rechercheur, doch man kennt seinen Namen insbesondere wegen der "Hitler-Tagebücher" - einem der größten Medienskandale Deutschlands. Nachdem sich die angeblichen Tagebücher Adolf Hitlers 1983 rasch als Fälschung herausgestellt hatten, schied Heidemann bei dem Hamburger Magazin aus.

Am Montag ist Heidemann im Alter von 93 Jahren in einem Krankenhaus in Hamburg gestorben, wie seine Lebensgefährtin der Deutschen Presse-Agentur sagte. Auch der "Stern" bestätigte den Tod Heidemanns unter Berufung auf Familienangehörige. Zuerst hatte das Onlinemagazin "t-online" berichtet.

Historische Sensation, die keine war

Der "Stern" hatte die "Hitler-Tagebücher" 1983 als historische Sensation angekündigt. Am 22. April 1983 war das Magazin mit der Mitteilung an die Öffentlichkeit getreten, es habe insgesamt etwa 60 geheime Tagebücher Adolf Hitlers aus der Zeit vom 22. Juni 1932 bis Mitte April 1945 entdeckt. Drei Tage später präsentierte die Chefredaktion der Öffentlichkeit die vermeintlichen Tagebücher, aufgespürt von Reporter Gerd Heidemann. Danach erschienen die Auszüge im "Stern". Nun müsse "die Biografie des Diktators und mit ihr die Geschichte des NS-Staates in großen Teilen neu geschrieben werden", hieß es damals.

Auf Fälscher hereingefallen

Heidemann gab an, die "Dokumente" seien an Bord einer "Ju 352"-Propellermaschine gewesen, die in den letzten Kriegstagen geheimes Material aus dem Führerbunker in Berlin ausfliegen sollte und südlich von Dresden abgestürzt sei. 

Die ersten wörtlichen Auszüge aus den angeblichen Tagebüchern formulierten eine teilweise abschätzige Kritik Hitlers an seinen engsten Mitarbeitern im Führungsstab. Den Eintragungen nach waren Hitler auch die Willkürakte gegen Juden zu weit gegangen. Die Auszüge aus den Büchern zeigten unter anderem das Bild eines "menschlichen" Hitlers, der sich unter anderem um die Gesundheit seiner Geliebten Eva Braun sorgte.

Eine Untersuchung durch das Bundesarchiv in Koblenz entlarvte die "historische Sensation" letztendlich als Produkt einer Fälscher-Werkstatt. Heidemann war auf den Fälscher Konrad Kujau hereingefallen.

Haftstrafen für Kujau und Heidemann

Der Verlag Gruner+Jahr hatte 9,3 Millionen D-Mark in bar für die vermeintliche Sensation ausgegeben. Kujau kassierte viereinhalb Jahre Haft für den Riesenschwindel, von denen er drei absaß. Mitte September 2000 starb er schließlich. Auch Heidemann wurde verurteilt: zu vier Jahren und acht Monaten, weil ihm das Gericht nicht glaubte, dass er die Millionen komplett an Kujau weitergereicht hatte. Noch Jahrzehnte später betonte er, kein Geld unterschlagen zu haben. 

Die Angeklagten Konrad Kujau (r) und Gerd Heidemann (l) am 21. August 1984 vor dem Hamburger Landgericht. Sie wurden wegen schweren Betrugs verurteilt.

Konrad Kujau (r.) und Gerd Heidemann (l.) wurden 1984 verurteilt.

Als Kriegsreporter im Einsatz

Gerd Heidemann wurde am 4. Dezember 1931 in Altona bei Hamburg geboren. Als Kind und Jugendlicher war Heidemann in der Hitler-Jugend. Für den "Stern" berichtete er als Reporter von diversen Kriegsschauplätzen. So war er unter anderem in Angola, Mosambik, Uganda und im Kongo im Einsatz.

Fünf Jahre lang - von 1976 bis 1981 - hatte er eine Beziehung mit Edda Göring, der Tochter Hermann Görings.

Aus der Öffentlichkeit zurückgezogen

Nachdem er seine Haftstrafe verbüßt hatte, zog sich Heidemann aus der Öffentlichkeit zurück. Seine Wohnung in Hamburg war ein regelrechtes Archiv, in dem er viele Unterlagen, Bücher, Zeitschriften und Daten sammelte. Bereits in den 1970er-Jahren hatte der Journalist den Kontakt zu Altnazis gesucht, um sie zum Sprechen zu bringen. So seien viele Nachlässe gesichert worden, sagte der Historiker und Geschichtsprofessor Thomas Weber, der an der schottischen Universität von Aberdeen lehrt und forscht, nach Heidemanns Tod.

"Wir haben viel zu wenig Ego-Dokumente von Extremisten, in denen sie nicht wie vor Gericht ihre Taten kleinreden, und verstehen daher ihre Motivationen und Taten bis heute unzureichend. Die eigentliche Bedeutung Heidemanns liegt nicht im 'Hitler-Tagebuch'-Skandal, sondern in der Sammlung von Täter-Ego-Dokumenten, die er in den 60er- und 70er-Jahren aufgebaut hat und die bisher kaum ausgewertet ist", ergänzte Weber. Deshalb habe die Hoover Institution seine Sammlung erworben. Die konservative Einrichtung an der Stanford University in Kalifornien verfügt über ein großes Archiv, mit Material unter anderem aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg.

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NDR 90,3 | Kulturjournal | 10.12.2024 | 19:00 Uhr