Hamburg Adventskranz: Die Geschichte vom Tannengrün mit vier Kerzen
Die Geschichte des Adventskranzes ist eng mit Johann Hinrich Wichern verbunden. Der Hamburger Theologe schmückte ihn vor 185 Jahren noch mit vielen Kerzen - heute sind ein Kranz, meist aus Tannengrün, und vier Kerzen typisch für den Adventsbrauch.
Die Ursprünge der Adventskranz-Tradition gehen ins 19. Jahrhundert zurück. Im evangelisch geprägten Rauhen Haus in Hamburg - einer 1833 von Johann Hinrich Wichern gegründeten Stiftung für die Betreuung von Kindern - spielte das Weihnachtsfest eine große Rolle. In der Vorweihnachtszeit fragten die Kinder Wichern immer wieder, wann denn nun endlich Weihnachten sei. Um dieser Frage zuvorzukommen und den Kindern das Warten leichter zu machen, bastelte er 1839 eine Art Weihnachtskalender.
Der erste Adventskranz: Ein Wagenrad mit vielen Lichtern
Er nahm ein Wagenrad und befestigte darauf so viele Kerzen, wie es Tage vom ersten Advent bis zum Heiligen Abend waren - anders als bei den heutigen Adventskalendern, die die Tage vom ersten Dezember bis Weihnachten zählen und dabei natürlich immer 24 Tage anzeigen. Vom ersten Advent bis Weihnachten sind es jedes Jahr unterschiedlich viele Tage - nämlich 22, wenn Heiligabend auf den vierten Adventssonntag fällt, bis höchstens 28, wenn Heiligabend am Sonnabend nach dem vierten Advent ist. 1839 waren es 24.
Noch heute wird im Hamburger Rauhen Haus der traditionelle Wichern-Kranz mit - je nach Jahr - bis zu 28 Kerzen entzündet.
Erster Kranz von Johann Heinrich Wichern hatte 24 Kerzen
Den Kranz hängte Wichern im Betsaal des Waisenhauses auf. Er hatte 20 kleine rote und vier dicke weiße Kerzen. Jeden Tag wurde eine neue Kerze angezündet - eine kleine für die Werktage, eine große für die Advents-Sonntage. Die Kinder wussten dadurch immer, wie viele Tage es noch bis Weihnachten sind. Einen netten Nebeneffekt hatte der Kranz auch: Die Kinder lernten auf einfache Weise das Zählen.
Traditioneller Brauch: Der Adventskranz erobert die Welt
Erst um 1860 wurde der Kranz auch mit Tannengrün geschmückt und setzte sich in den evangelischen Kirchen und Privathaushalten bis Anfang des 20. Jahrhunderts allgemein durch. 1925 soll auch erstmals ein Kranz in einer katholischen Kirche in Köln gehangen haben. Spätestens ab der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg findet man ihn in aller Welt und in allen möglichen Formen. Heute gibt es Kränze aus Frottee, aus Plastik, aus Porzellan, ausklappbare Kränze für die Reise und vieles mehr. Eines haben sie alle gemeinsam: Im Gegensatz zum Wichern-Kranz stecken darauf nur noch vier Kerzen - für die Adventssonntage. Die restlichen Kerzen sind im Laufe der Zeit auf der Strecke geblieben, denn um mehr als 20 Kerzen unterzubringen, müsste ein Kranz einen Durchmesser von ein bis zwei Metern haben.
Im Rauhen Haus in Hamburg allerdings wird die Wichern-Tradition aufrecht erhalten. Hier gibt es in der Vorweihnachtszeit noch den originalen Adventskranz, wie ihn Johann Hinrich Wichern 1839 erfunden hat. Im Jahr 2024 trägt er insgesamt 24 Kerzen.
Tannengrün: Eine Geschichte als Chiffre der Hoffnung
Vermutlich ist der Adventskranz auch heute noch ein Renner, weil er eine dichte und unmittelbar verständliche Symbolik transportiert: Die Kreisform, die keinen Anfang und kein Ende kennt, steht für Ewigkeit und Unendlichkeit, im christlichen Denken auch für die Auferstehung - und, nicht zu vergessen, für die Gemeinschaft. Die vier Kerzen auf dem Kranz können als die vier Himmelsrichtungen auf dem Erdkreis gedeutet werden. Das Tannengrün im Winter ist zudem eine Chiffre der Hoffnung: Mitten in Eis und Schnee, in Kälte und Dunkel bereitet sich das neue Leben vor. Dazu kommt das Licht im früh hereinbrechenden winterlichen Dunkel, das von Sonntag zu Sonntag an Kraft zunimmt: ein sprechendes Bild der Erwartung der Ankunft Christi, des "wahren Lichtes", das in der Finsternis leuchtet und unter uns wohnen will.
Rund und mit viel Tannengrün: Der klassische Adventskranz strotzt vor hoffnungsfroher Symbolik.
Adventskranz-Vorläufer ohne Bezug zum Christentum
Brauchtum-Forscher verweisen auf einen überhaupt nicht christlichen Vorläufer des Adventskranzes: Im frühen Mittelalter konnten sich Mägde und Knechte auf ein ungeschriebenes Gesetz berufen, wonach sie in strenger Winterkälte nicht im Freien arbeiten mussten. Zum Zeichen dafür verstaute man den Wagen, mit dem man sonst auf das Feld fuhr, in der Scheune, schraubte eines der Räder ab und hängte es in den Dachfirst oder im Hausinneren über den Kamin. Weil man im Rad aber auch ein Sonnensymbol sah, schmückte man es mit immergrünen Zweigen - zum Zeichen der Hoffnung auf die Wiederkehr der Sonne im Frühjahr.
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Hamburg Journal | 01.12.2024 | 19:30 Uhr